Nordamerika

"Viel Lärm mit wenig Substanz": US-Rechtsexperte zu Trumps Gerichtsklagen gegen US-Wahlauszählung

Das Endergebnis der US-Präsidentschaftswahl steht noch nicht fest, doch Donald Trump kündigte bereits an, die Auszählung juristisch anzufechten. In einem Interview mit RT bewertet der US-Rechtswissenschaftler Dr. Kirk W. Junker die Aussichten des sich anbahnenden Rechtsstreits.
"Viel Lärm mit wenig Substanz": US-Rechtsexperte zu Trumps Gerichtsklagen gegen US-Wahlauszählung© Prof. Dr. Kirk W. Junker

Wie kann es sein, dass es drei Tage nach der Wahl noch keine definitiven Ergebnisse gibt?

Bei allen Wahlen erfolgt die offizielle Zählung bisweilen Tage nach dem Wahltag. Das einzige Ergebnis am Wahltag, von den Medien bekannt gegeben, basiert auf den Erhebungen an den Ausgängen der Wahllokale. Es ist inoffiziell. Wenn die Spannbreite bei den Umfragen eng genug ist, dann weiß jeder, selbst wenn die Umfragen nicht genau sind, dass das Ergebnis klar ist – und der Verlierer ruft den Gewinner an, um das Wahlergebnis zu akzeptieren. Die offiziellen Zahlen werden trotzdem erst Tage später bekannt gegeben, ernten aber keine sonderliche Beachtung mehr. In diesem Jahr jedoch stimmte aufgrund der Pandemie eine Rekordzahl von Menschen per Briefwahl ab. Viele Staaten hatten nicht genügend Ressourcen vorgehalten, um diese zusätzlichen Briefwahl-Stimmen zu zählen, daher dauert es länger.

Wie bewerten Sie das US-amerikanische Wahlsystem?

In einigen Wahlsystemen gibt es strukturelle Schwächen. Man muss bedenken, dass jeder US-Bundesstaat sein eigenes Wahlsystem hat. Die US-Bundesstaaten sind im Vergleich zu den deutschen Bundesländern sehr unabhängig. Das größte strukturelle Problem ist das System der Wahlmänner, das Wahlkollegium (Electoral College). Als es von  Alexander Hamilton mit der Verfassung von 1789 begründet wurde, sagte er, es sei notwendig, die Menschen vor "Populisten und Demagogen" zu schützen. Wir haben nun seit vier Jahren gesehen, dass dies nicht unbedingt der Fall ist. Im einundzwanzigsten Jahrhundert besteht eigentlich keine Notwendigkeit mehr für ein solches Wahlkollegium. Aber die Wahlmänner gibt es auch nur für die Präsidentschaftswahl. Das Repräsentantenhaus und die Senatoren werden direkt gewählt, ebenso wie alle Gouverneure und Parlamente. International fokussiert sich die Aufmerksamkeit nur auf den Präsidenten, aber diese eine Wahl ist nicht repräsentativ für alle anderen Ämter, so dass man nicht pauschal sagen kann, dass das gesamte System unsinnig sei.

Wie demokratisch ist das Prinzip "The Winner Takes It All"? Bedarf das nicht einer Anpassung?

Ja, ich denke, es ist an der Zeit, das zu ändern. "Der Gewinner bekommt alles" ist zwar ein schnelleres, leicht zu verwaltendes System, das vor 230 Jahren möglicherweise notwendig war. Das gilt aber nicht länger, denn es ist nicht demokratisch. Wir könnten jetzt problemlos Proporz-Wahlen durchführen.

Werden jetzt die Richter über den Ausgang dieser US-Wahl entscheiden?

Ich sehe keine Möglichkeit, wie diese grundsätzliche Frage eine juristische Frage für die Gerichte werden könnte. Die Gerichte können nur entscheiden, ob ein bestimmter Aspekt einer Wahl illegal oder verfassungswidrig war. Wenn dies der Fall ist, wie im Jahr 2000, kann diese Entscheidung dazu führen, dass ein bestimmter Kandidat gewinnt. Den Richtern wird jedoch im Wesentlichen keinerlei Gelegenheit gegeben, über einen Kandidaten "abzustimmen".

Wie erfolgreich wäre Trumps Klage, wenn er wegen Wahlbetrug vor Gericht ziehen würde?

Er hat das bereits zweimal in Pennsylvania und jeweils einmal in Michigan und Georgia verloren. Es ist viel Lärm mit wenig Substanz, um die Dinge zu verzögern. Es gibt diese alte Geschichte, dass ein Mann von einem König hingerichtet werden sollte und er dem König versprach: "Lasst mich leben – und ich werde Eurem Pferd das Sprechen beibringen." Der König stimmte zu und gab ihm ein Jahr Zeit. Der Freund des Mannes fragte: "Warum hast du das getan? Er wird dich nächstes Jahr immer noch töten, wenn das Pferd nicht sprechen kann." Seine Antwort war: "In einem Jahr kann viel passieren. Der König könnte sterben. Das Pferd könnte sterben. Ich könnte friedlich sterben. Und vielleicht spricht ja das Pferd dann sogar."

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