Nordamerika

"Töten ist gar nicht so schwer": Wie ein Top-Ausbilder in den USA Polizisten zu "Kriegern" erzieht

Die Hemmschwelle zum Töten ist bei der US-Polizei sehr niedrig. Business Insider hat eines der populären Ausbildungsprogramme angeschaut. Es sieht im Polizisten einen Krieger, der sein Leben schützen muss. Damit macht die Doktrin Zivilisten zum Gegner.
"Töten ist gar nicht so schwer": Wie ein Top-Ausbilder in den USA Polizisten zu "Kriegern" erzieht© Screenshot Film "Do Not Resist"

Einer der gefragtesten Ausbilder der US-Polizei, der Militärpsychologe Dave Grossman, lehrt Strafverfolgungsbeamte, darauf vorbereitet zu sein, bei der Arbeit zu töten – "emotional, spirituell und psychologisch", schreibt der Business Insider (BI).

"Aufgrund meiner lebenslangen Recherchen bin ich davon überzeugt, dass Mord in den meisten Fällen keine große Sache ist, wenn man sich vollständig darauf vorbereitet", sagte der Experte 2015 in einem Seminar für Polizeibeamte, das für den Dokumentarfilm "Do Not Resist" gefilmt wurde. Laut Grossman sollte ein "erfahrener Krieger" in der Lage sein, "seinen Geist, seinen Körper und seine Seele" auf die mögliche Beseitigung der Bedrohung vorzubereiten.

Darüber hinaus, so der Ausbilder, könne die gefährliche Arbeit das Sexualleben bereichern. Laut Grossman flammt die Leidenschaft bei einem Paar auf, nachdem einer der Partner in Ausübung seiner Pflicht jemanden getötet hat.

Unsere Arbeit hat nicht viele Vorteile. Finden Sie also einen dieser Vorteile, entspannen Sie sich und haben Sie Spaß", zitiert ihn BI.

Grossman ist ein seit 1998 pensionierter Militäroffizier und ehemaliger Ausbilder an der angesehensten US-Militärakademie. In seinem Kurs unter dem Titel "Der kugelsichere Verstand" (The Bulletproof Mind), der auch online verfügbar ist, bringt der Experte Polizisten, die an den Frontlinien des "Krieges" auf der Straße arbeiten, die "Logik des Tötens" bei. Und um zu töten, so Grossman, ist es besser, nicht zu zögern.

Töten ist gar nicht so schwer" ("Killing is just not a big deal"), sagt er.  

Wie auf der Webseite des Dozenten angegeben, besuchte er mit seinem Programm alle 50 US-Bundesstaaten. Er verbringt 300 Tage im Jahr auf Reisen und nimmt an Seminaren für die Strafverfolgung teil.

In seiner Doktrin, die er "Killologie" nennt, beschreibt Grossman "die Reaktionen einer gesunden Person unter Umständen, unter denen es notwendig sein kann, einen Mord zu begehen (z.B. bei der Polizei oder im Militärdienst), und die Faktoren, die die Begehung eines Mordes in einer solchen Situation erlauben oder verhindern". "Killologie" wird in einem Flyer für einen seiner künftigen Auftritte als "wissenschaftlicher Ansatz" und Lt. Col. Grossmann als Professor für Psychologie und Militärwissenschaften angepriesen:

"Was tun Raubtiere? Sie töten. Nur ein Killer kann einen anderen Killer jagen. Sind Sie emotional, spirituell und psychologisch bereit, das Leben eines Menschen zu nehmen, um die Leben unschuldiger Menschen zu schützen?", fragt der Experte die Teilnehmer seiner Seminare.

Der Regisseur von "Do Not Resist", Craig Atkinson, glaubt, dass Grossman nicht zwischen Soldaten unterscheidet, die in einem Kriegsgebiet dienen, und Polizisten, deren Aufgabe es ist, die Bürger zu schützen. Atkinson sagte, er habe "schreckliche Angst" gehabt, als er den Kurs von Grossman besuchte und erfuhr, was der Experte Polizisten beibringt. 

Natürlich sind nicht alle Polizisten schlecht, aber wenn man die guten nimmt und sie zu einer solchen "Krieger-Ausbildung" schickt, wird sehr schnell genau das passieren, was jetzt im ganzen Land passiert", sagte Atkinson im Hinblick auf das Problem der Militarisierung der US-Polizei.

Laut BI wurden Grossmans Kurse bereits 2016 von der Öffentlichkeit scharf kritisiert, als die Medien erfuhren, dass ein Polizeibeamter aus Minnesota namens Geronimo Yanez, der den Afroamerikaner Philando Castile grundlos erschoss, zuvor am Seminar "Der kugelsichere Verstand" teilgenommen hatte. Der Beamte schoss auf sein Opfer, nachdem er dessen Auto zur Inspektion angehalten hatte. Der Täter wurde 2017 in allen Anklagepunkten von einem Gericht freigesprochen.

Grossman, der auf mehrfache Anfragen von BI nach einem Kommentar nicht reagierte, ist Teil einer größeren Industrie der sogenannten "angstbasierten Kurse" in der US-Polizeiausbildung, zu der auch der Psychologe William Lewinski vom Force Science Institute in Minnesota gehört. Bei diesen Methoden handelt es sich laut dem American Journal of Psychology um eine Pseudowissenschaft.

Die Menschenrechtsorganisation Communities United Against Police Brutality stellte BI ihr Flugblatt aus dem Jahr 2018 zur Verfügung, in dem es heißt, dass Grossmans wissenschaftlicher Ansatz unbegründet ist und von anderen Experten auf dem Gebiet der Psychologie nicht unterstützt wird. Nach Angaben der Organisation versucht der Ausbilder, die Polizeibeamten davon zu überzeugen, dass sie "Krieger" sind. Und da sie im "Krieg" sind, lauert hinter jeder Ecke die Gefahr auf sie, und so wird ihnen "Angst vor Zivilisten und die Bereitschaft zum Töten" eingeflößt.

Seither lehnten viele Polizeidienststellen Grossmans Dienste ab und griffen auf weniger aggressive Trainingsprogramme zurück, heißt es in der Veröffentlichung.

Laut dem ehemaligen Polizeibeamten Seth Stoughton, der jetzt an der juristischen Fakultät der University of South Carolina lehrt, wird Grossmans Ansatz missbraucht. Die Idee des "Kriegergeistes" selbst sei in erster Linie notwendig, um den Polizisten zu helfen, in tatsächlich lebensgefährlichen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren. Aber der Ansatz fand weit über das Polizeisystem hinaus Verbreitung, wo den Mitarbeitern gesagt wird, dass sie "Superhelden im Kampf gegen die Mächte des Bösen sind, dass sie Soldaten an vorderster Front in einem Krieg gegen die Anarchie sind". Und das ist, so Stoughton, "kontraproduktiv", weil die Polizeibeamten beginnen, in allen Zivilisten, mit denen sie zu tun haben, Feinde zu sehen.

Ein Polizeivideo aus dem Jahr 2019 zeigt, wie schnell in den USA ein Polizeieinsatz in einem Blutbad enden kann. Mehrere schwerbewaffnete Polizeioffiziere stellen sich vor einem offenbar betrunkenen Obdachlosen. Er liegt auf dem Boden auf seinen Halbseligkeiten. Als der Obdachlose sich weigerte, ihren Befehlen zu befolgen und sich an den Hosenbund griff, wird er erschossen.

Das Portal Albuquerce Journal, das das Video ins Netz gestellt hat, teilte mit, dass der Obdachlose geistesgestört war und zuvor mit einer Pistole hantierte, was die Passanten der Polizei auch meldeten. Die Beamten haben bei ihm eine halbautomatische Luftpistole (BB-Gun) gefunden. Es ist bekannt, dass als erster ein Offizier mit Gummigeschoss feuerte, Sekunde später haben die restlichen drei Polizisten bis zu 15 tödlichen Schüsse auf den Mann abgefeuert. Die Untersuchung zu dem Vorfall dauert noch an.

BI betont in seinem Artikel, dass Grossman-Seminare nicht der einzige Grund für Polizeigewalt sind. Das Problem der exzessiven Gewaltanwendung betrifft mitunter auch Polizeireviere, die solche Kurse seit Langem verboten haben.

So wurden beispielsweise in Minneapolis, wo George Floyd im Mai 2020 von einem Polizisten mit seinem Knie erwürgt wurde, im Jahr 2019 Grossmann-Trainingskurse verboten. Dies hielt den Strafverfolgungsbeamten aber nicht davon ab, übermäßige Gewalt gegen den Festgenommenen anzuwenden, was darauf hindeutet, dass es allgemein große Probleme mit dem notorisch hohen Gewaltniveau gibt. In Minneapolis dürfen Polizeibeamte nach der "Use of Force"-Politik der Polizei immer noch eine Situation deeskalieren, indem sie ein Knie auf den Hals eines Verdächtigen legen.

Andernorts in den Vereinigten Staaten besuchen Polizisten weiterhin Grossman-Kurse. Der Regisseur Atkinson ist der Meinung, dass die Bezirke, die sich dafür entscheiden, "Kriegertraining" in ihrem Programm beizubehalten, ihre Ausbildungsprogramme im gleichen Maße um die Einweisung in Verhandlungstechniken ergänzen sollen, die ihnen die Bewältigung einer Konfliktsituation auf friedlichem Wege und die Arbeit mit psychisch instabilen Menschen beibringen. Atkinson ist überzeugt, dass Kurse wie der von Grossman eine der Ursachen des Problems der Polizeibrutalität darstellen:

Wenn sich Polizeibeamte weniger auf eine solche Ausbildung konzentrieren würden, würden weniger Menschen sterben. Das steht außer Frage.

Laut dem US-Portal fatalencounters.org, das zu einer der zuverlässigsten Quellen für das Dokumentieren von Polizeigewalt gehört,gab es in den USA seit dem Jahr 2000 insgesamt (Stand vom 27. Mai) 28.139 Tötungen (tödliche Zusammenstöße) durch Polizeibeamte. "Die höchste Zahl bislang lag bei 1.854, und das war im Jahr 2018", sagte der Gründer der Webseite Brian Burghart in einem Interview. "Bis Ende des Jahres werden es wohl 1.978 sein", errechnete er.

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