Nordamerika

Wie in 1930er Jahren: Immer mehr New Yorker wollen aus Protest keine Miete mehr zahlen

In New York, dem Epizentrum der Corona-Pandemie in den USA, formiert sich eine neue soziale Bewegung. Sie möchte eine gerechtere Mietenpolitik im US-Bundesstaat durchsetzen, auch für die Zeit nach der Pandemie. Für den 1. Mai ruft sie zu einem Mieterstreik auf.
Wie in 1930er Jahren: Immer mehr New Yorker wollen aus Protest keine Miete mehr zahlenQuelle: Reuters © Jeenah Moon

Die Schlagzeilen der letzten Tage und Wochen gehörten zweifelsfrei denjenigen Demonstranten, die in den USA gegen den sogenannten "Corona-Shutdown" auf die Straßen gingen, angefeuert durch den US-Präsidenten Donald Trump. Dem entgegen läuft eine andere Bürgerbewegung – medial gesehen – fast unter dem Radar: Die zunehmende Solidarisierung unter US-Bürgern in  Bezug auf soziale Fragen.

So liest man sowohl in den USA als auch in Europa kaum etwas über den vermutlich größten Mieterstreik seit den 1930er Jahren in New York, der am 1. Mai stattfinden soll. Mindestens 400 Familien, die in Gebäuden mit jeweils mehr als 1.500 Mieteinheiten leben, sind tatkräftig dabei, gebäudeweite Mieterstreiks zu organisieren.

Laut Cea Weaver, Koordinatorin der Kampagne "Housing Justice For All" ("Wohngerechtigkeit für alle"), einer in New York ansässigen Organisation von Mietern und Wohnungsaktivisten, haben sich darüber hinaus mehr als 10.000 Menschen durch eine Online-Petition dazu verpflichtet, im Mai die Mietzahlung zu verweigern.

Erinnerungen an die große Depression der 1930er Jahre

Zwar ist eine genaue Schätzung darüber, wie viele Bürger New Yorks sich an dem Streik beteiligen werden, derzeit nicht möglich, doch es könnten ähnlich viele werden, wie in den 1930er Jahren, als während der großen Depression Tausende von Mietern in Harlem und der Bronx erfolgreich gegen Preistreiberei und Verwahrlosung von Immobilien durch Vermieter kämpften.

Und es kommt noch etwas hinzu: Während sich viele freiwillig und aus Solidarität dem Mieterstreik anschließen werden, haben andere schlichtweg gar keine andere Wahl. Millionen von Menschen in den USA können in den kommenden Monaten ihre Mieten überhaupt nicht mehr bezahlen. Schon bis zur ersten Aprilwoche hatte landesweit ein Drittel der Mieter – das sind in etwa 13,4 Millionen Menschen – keine Miete gezahlt. Und seitdem haben sich weitere 26 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet.

Gemessen an der dramatischen Situation wirken die 1.200 US-Dollar, die von der US-Regierung an jeden Bürger als Hilfe verteilt werden, wie blanker Hohn. Zum Vergleich: Die mittlere Monatsmiete für eine Einzimmerwohnung in New York City betrug im vergangenen Jahr rund 2.980 US-Dollar. Zudem haben viele der geschätzt 500.000 illegalen Einwanderer in der Stadt überhaupt keinen Zugang zu solcher "Mini-Hilfe".

Appell an die Solidarität

Es ist wie fast immer in den USA: Wenn sich die Menschen nicht untereinander organisieren, passiert nichts. Deswegen setzen die Organisatoren des Mieterstreiks auch auf die Solidarität jener New Yorker, die selbst im Mai noch ihre Mieten zahlen könnten.

"Wir müssen keinen Mietstreik organisieren, um sagen zu können, dass Millionen von New Yorkern am 1. Mai ihre Miete nicht bezahlen werden", sagte Weaver gegenüber dem US-Nachrichtenportal The Intercept. Die entscheidende Frage sei:

"Wollen Sie das [den Mieterstreik, Anm. der Redaktion] alleine machen? Oder wollen Sie das zusammen mit einer Bewegung von Menschen tun, die ebenfalls in einer solchen Situation sind und eine tiefgreifende und transformative politische Lösung fordern? Es ist besser, wenn wir das gemeinsam tun können."

Dadurch, dass auch Menschen die Mietzahlung verweigern, die es sich eigentlich leisten könnten, diese weiterhin zu zahlen, soll laut den Veranstaltern der Druck auf die Stadtverwaltung erhöht werden. Zwar hatte der Gouverneur des Bundesstaates New York, Andrew Cuomo, ein dreimonatiges Moratorium gegen Wohnungskündigungen durchgesetzt, doch das bedeutet nicht, dass Mieter, die in der Zwischenzeit ihre Miete nicht überwiesen haben, nach Ablauf des Moratoriums nicht belangt werden können. Eine Kündigungswelle nach der Corona-Krise droht also dennoch.

Keine Rückkehr in die "Normalität"

Die Abgeordnete der "Demokraten" im US-Repräsentantenhaus, Ilan Omar, verlangt ein bundesweites Gesetz, das alle Miet- und Hypothekenzahlungen für die Dauer der COVID-19-Pandemie aussetzt. "Der Kongress hat die Verantwortung einzugreifen, um sowohl die lokalen Gemeinden als auch den Wohnungsmarkt in dieser Zeit der Unsicherheit und Krise zu stabilisieren", so Omar. Und weiter:

"2008 haben wir die Wall Street gerettet. Dieses Mal ist es an der Zeit, das amerikanische Volk, das leidet, zu retten."

Weaver möchte noch weiter gehen und nach der Pandemie eine sogenannte "Rückkehr in die Normalität" verhindern. Denn – so Weaver – Normalität in New York bedeute eine Stadt mit 92.000 Obdachlosen und Millionen von Menschen, die nur einen Gehaltsscheck von einer Zwangsräumung entfernt leben.

Doch "Wohnen ist ein Menschenrecht", so die Aktivistin.

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