Meinung

Teezeremonie als "eiskalte Propaganda eines autoritären Regimes"? Interview mit Sinologin

In letzter Zeit häufen sich die Angriffe westlicher Medien auf die Konfuzius-Institute, die chinesischen Pendants zu den Goethe-Instituten. Die Sinologin Mechthild Leutner, bis Ende 2019 deutsche Direktorin des Konfuzius-Instituts in Berlin, kann die Vorwürfe nicht verstehen.
Teezeremonie als "eiskalte Propaganda eines autoritären Regimes"? Interview mit SinologinQuelle: www.globallookpress.com © imago stock&people

Professorin Mechthild Leutner leitete ab dessen Gründung im Jahr 2006 bis Ende 2019 das Konfuzius-Institut in Berlin. Das Institut ist ein gemeinnütziger Verein, der aus Vertretern der FU Berlin und der Peking-Universität besteht. Beide Seiten erstellen gemeinsam das Programm, das sich um die Schwerpunkte Sprache, Kultur und Wissenschaft dreht. Finanziell erhält das Institut Unterstützung seitens der FU Berlin, der Peking-Universität und der Zentrale der Konfuzius-Institute, das dem chinesischen Bildungsministerium unterstellt ist.

Das Gespräch führte Dennis Simon.

In jüngster Zeit haben einige deutsche Politiker geäußert, dass die Konfuzius-Institute zur Einflussnahme auf deutsche Hochschulen seitens des chinesischen Staates dienen würden. Wie reagieren Sie als ehemalige Direktorin des Instituts auf diese Vorwürfe?

Erstens sind die Konfuzius-Institute keine integralen Bestandteile der Universitäten, das heißt, sie sind organisatorisch selbstständig. Wie da eine Einflussnahme erfolgen soll, erschließt sich mir nicht. Zweitens sind wir eine selbstständige Organisation. Wir machen unser eigenes Programm. Wie bei jedem anderen Drittmittelgeber stellen wir einen Antrag für die Projekte, die uns am Herzen liegen.

Die Situation in Berlin ist anders als etwa in Erfurt, und die Situation in Ländern ohne Chinastudien im universitären Bereich ist auch noch einmal anders, weil die Konfuzius-Institute dort überhaupt einen Chinesischunterricht anbieten, und das ist hier nicht der Fall.

Ich bin seit 1978 an dieser Universität tätig als deutsche Beamtin. Ich bin erstaunt darüber, was von denen auf deutscher Seite gehalten wird, die diese Institute leiten und maßgeblich das Programm gestalten. Wir sind deutsche Staatsbürger.

Ich bin eine Wissenschaftlerin, die die Intention hat, zu China wissenschaftlich zu arbeiten – mein Schwerpunkt ist chinesische Geschichte – und ich habe natürlich ein Interesse, dass das, was meine Kolleginnen und ich über China forschen, einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird. In dem Sinne verstehen wir uns eher als ein Ort, in dem ein Dialog möglich ist, in dem unterschiedliche Positionen vertreten werden, in dem deutsche, chinesische, internationale Wissenschaftler zusammenkommen und sich über die Entwicklung austauschen. Viele der Beiträge auf unseren Workshops wurden im Anschluss veröffentlicht. Das Niveau ist also schon hoch. Sie können sich vorstellen, dass es in Berlin ein Publikum für diese Veranstaltung gibt, das ein Interesse hat, mit qualifizierten Menschen über die Entwicklung in China zu diskutieren.

Haben sich die Politiker, die sich zu den Konfuzius-Instituten äußerten, vorher bei Ihnen über Ihre Arbeit erkundigt?

Nein. Es sind keine Anfragen gekommen. Es gibt eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion an die Bundesregierung. Die Antwort der Bundesregierung auf diese Anfrage ist widersprüchlich zum politischen Einfluss. Die organisatorische Zuordnung (seitens der Bundesregierung) der Konfuzius-Institute ist definitiv falsch.

Der FDP-Bildungspolitiker Jens Brandenburg erklärte: "Hinter scheinbar harmlosen Teezeremonien und Sprachkursen versteckt sich die eiskalte Propaganda eines autoritären Regimes." Können Sie anhand der Kurs- beziehungsweise Veranstaltungsinhalte darstellen, was in Ihrem Institut tatsächlich geschieht? So wie das Herr Brandenburg formuliert, könnte man meinen, dass hier Politkurse für die Kader der KP Chinas angeboten werden.

Zu den Teezeremonien, die wir anbieten, ist vielleicht zu sagen, dass wir unterschiedliche Teesorten vorstellen und auch erklären, wie man Tee zubereitet, um den höchsten Genuss zu haben, den besten Geschmack zu erreichen. Diese Teezeremonien werden auch an anderen Orten angeboten. Ich sehe nicht, wie hier eine "eiskalte Propaganda" erfolgen soll. Ich kann das auch nicht nachvollziehen in Bezug auf die Sprachkurse oder irgendeine andere Veranstaltung. Dafür müsste es ja Anzeichen geben.

Vielleicht könnten die Personen, die diese Äußerungen tätigen, zu unseren Veranstaltungen kommen, um zu sehen, was passiert. Dann hätten sie eine sachlich fundierte Einschätzung dazu. 

Denken Sie, dass eine die Finanzierung durch chinesische Stellen aufgrund aktueller geopolitischer Konflikte zu einem Politikum wird?

Das kann ich mir nicht vorstellen. Es gibt sowohl auf deutscher als auch auf chinesischer Seite sehr starke Friedens- und Kooperationsinteressen. Ich bin ein Vertreter der Kooperation und sehe im Moment nicht, warum diese insgesamt gut funktionierende Kooperation – die Konfuzius-Institute sind nur ein kleiner Teil davon – völlig abgebrochen werden sollte. Ich sehe weder den Sinn, noch den Nutzen darin.

Wie wird die Arbeit des Konfuzius-Instituts vom Lehrkörper der FU Berlin und den Studenten wahrgenommen?

Wir haben an bestimmen Veranstaltungen natürlich auch studentische Teilnehmer, auch etwa im Rahmen der langen Nacht der Wissenschaften, wo die FU offen ist für ein ganz breites Publikum. Bisher sind unsere Veranstaltungen alle sehr positiv aufgenommen worden, weil sie eine Bereicherung sind. Wir können hier Vorträge und Veranstaltungen anbieten, für die an der Universität selbst kein Platz ist. Ich bin ja selbst jahrelang Sinologie-Professorin und Leiterin der Sinologie an der FU gewesen und habe (das Institut) auch immer als Möglichkeit angesehen, meine Forschungsergebnisse einem breiteren Publikum vorzustellen. Insofern ist das einfach eine Ergänzung gewesen.

Wie könnten Organisationen wie das Konfuzius-Institut zu einem Dialog zwischen Deutschland und China und zu einem besseren Verständnis Chinas in Deutschland beitragen?

Wir können in jedem Fall dazu beitragen. Einfach, in dem wir eine Plattform anbieten für unterschiedliche Positionen, für unterschiedliche Meinungen, für Diskussionen, etwa zu aktuellen Entwicklungen, zur internationalen Position Chinas. Ich denke, in dieser Hinsicht sind wir ein kleines, aber feines Institut, das qualitativ hochwertige Veranstaltungen mit einem wissenschaftlichen Hintergrund anbietet.

Manche deutschen Universitäten fahren ihre Kooperation mit den Konfuzius-Instituten zurück. Wie sieht es hier an der FU Berlin aus?

Nein. Wir haben dieses Institut gemeinsam mit der Peking-Universität errichtet. Das ist Teil unserer Kooperation, die seit 1981 läuft. Wir blicken auf eine sehr erfolgreiche interuniversitäre Kooperation seit fast 40 Jahren zurück. Natürlich möchten wir die auch weiter behalten.

Vielen Dank für das Gespräch!

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