Meinung

Alte Bekannte: Die Taliban und die Vereinigten Staaten

Während seines überraschenden Truppenbesuchs in Afghanistan zu Thanksgiving äußerte sich US-Präsident Trump positiv zu direkten Verhandlungen mit den Taliban. "Die Taliban wollen einen Deal machen. Und wir treffen sie", sagte Trump diesbezüglich.
Alte Bekannte: Die Taliban und die Vereinigten StaatenQuelle: Reuters © Qatari Foreign Ministry/Handout via Reuters

von Arkadi Shtaev

Im 18. Jahr des sogenannten "War on Terror", der damals begann mit dem strategischen Ziel, die Taliban zu vernichten, demonstriert Trumps Ankündigung eine Niederlage der Weltmacht. Diesbezüglich sei die Frage erlaubt: Was für ein Scheitern eines global angelegten, strategischen Entwurfes offenbart sich dort, was für ein Versanden, was für ein moralischer Ausverkauf auf dem Rücken von Millionen Opfern dieses "Kriegs gegen den Terror"?

Immerhin redet man im politischen Berlin nicht mehr davon, dass "unsere Freiheit" am Hindukusch verteidigt wird, und Washington gesteht ein, was schon seit Zeiten Alexanders des Großen bekannt ist: Afghanistan zu erobern ist leicht – es zu beherrschen ist unmöglich.

Bei den Taliban und den USA handelt es sich um alte Bekannte, was seit der beschleunigten historischen Entwicklung, deren Zeuge wir seit 9/11 sind, in der Betrachtung häufig zu kurz kommt.

USA verhandelten in den 1990er Jahren mit Taliban

Die USA standen schon in den 1990er Jahren im engen Kontakt mit den Taliban. Zu jener Zeit – die Taliban waren damals weder gemäßigter noch umgänglicher als heute – verhandelten beide Seiten intensiv, als der schiitische Iran sich fast im Kriegszustand mit den radikalsunnitischen  afghanischen "Gotteskriegern" befand. Damals – und hier wird die Story hochaktuell – ging es um den Bau einer Pipeline in Afghanistan. Der ehemalige CIA-Agent Robert Baer schreibt dazu in seinem empfehlenswerten Buch "Die Saudi-Connection":

Das State Departement verschloss nicht nur die Augen vor der radikal-islamischen Außenpolitik, die Saudi-Arabien betrieb – gelegentlich leistete es dieser Politik sogar noch Vorschub. Es wusste, dass der Plan der Saudis, Erdgas- und Erdöl-Pipelines von Zentralasien bis nach Pakistan quer durch Afghanistan hindurch zu führen, den Taliban dabei helfen würde, an der Macht zu bleiben – und auf diese Weise zugleich dafür zu sorgen, dass Osama bin Laden ein sicheres Schlupfloch behielt. Trotzdem ermunterte es sogar noch die amerikanische Gesellschaft United Oil of California (UNOCAL), sich daran zu beteiligen.

Soweit Robert Baer über seine Erfahrungen in den 1990er Jahren. Was danach geschah, ab 2001, ist Geschichte.

Geheime Treffen in Doha

Donald Trump hat die Erkenntnis gewonnen, dass der Krieg in Afghanistan nicht mehr zu gewinnen ist. Aus diesem Grunde kam es schon im Sommer 2018 zu geheimen Treffen zwischen hochrangigen US-Diplomaten und Vertretern der afghanischen Taliban, in Doha, der Hauptstadt Katars. Der Tagungsort wurde nicht zufällig gewählt, denn in Doha sind die Taliban – als Ausdruck der schillernden Beziehungen, welche Katar weltweit pflegt – mit einem Verbindungsbüro präsent, welches als eine Art Ersatz-Botschaft fungiert. Problematisch ist hierbei, dass die Taliban Gespräche mit der afghanischen Regierung von Präsident Aschraf Ghani kategorisch ablehnen, da sie diese für eine Marionette der USA halten.

In Washington scheint man diese Einschätzung zu teilen, weshalb man die eigene Marionetten-Regierung bei den Verhandlungen bisher zu umgehen pflegte. Der Afghanistan-Experte Emran Feroz schrieb dazu in der österreichischen Tageszeitung Die Presse:

Kabuls politische Elite ist nervös. Während Washington seit geraumer Zeit mit den aufständischen Taliban im Golfemirat Katar einen Friedensdeal aushandelt, fühlt sich die Kabuler Regierung übergangen. Der Mann der Stunde ist nicht etwa Afghanistans Präsident Aschraf Ghani, sondern US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad, der selbst afghanische Wurzeln hat und die amerikanische Politik am Hindukusch seit fast vier Jahrzehnten beeinflusst. Nach den jüngsten Gesprächen, die immerhin ganze sechs Tage andauerten, könnte ein Abzug der internationalen Truppen – die Hauptforderung der Taliban – bald zur Realität werden.

Experten gehen davon aus, dass die Taliban – im Falle eines Abzugs der ca. 14.000 US-Soldaten – ihr Herrschaftsgebiet weiter ausdehnen könnten.

Die Taliban sind kein monolithischer Block

Entgegen der langläufigen medialen Berichterstattung, stellen die heutigen Taliban keinen monolithischer Block da – was sowohl für Afghanistan, wie auch für das benachbarte Pakistan gilt. Die heutigen Taliban in Afghanistan sind zerstrittener denn je. Durch die Machtübernahme von Haibatullah Achundsada, seit 2016 der neue Anführer der Taliban, der als Hardliner gilt, ist der interne Machtkampf verstärkt worden. Innerhalb der Taliban gibt es eine "Friedenslobby", aber auch eine "Kriegslobby". Außerdem kommt es  zu Konflikten innerhalb der Führung und zu Angriffen von Seiten des sogenannten "Islamischen Staates", der ihnen den Rang streitig machen möchte und Taliban-Kämpfer abwirbt. Und obwohl die afghanischen Taliban abhängig von Pakistan sind, gibt es Streit mit Islamabad, weil man dort die Taliban an den Verhandlungstisch drängen möchte.

Afghanistan – der "Friedhof der Imperien"

Afghanistan war immer das Opfer seiner geopolitischen Lage. Für Washington sind das Scheitern am Hindukusch sowie die Möglichkeit eines Truppenabzuges ein böses Omen. Es war im Jahr 1989, als die letzten Truppen der Roten Armee aus Afghanistan abzogen und die Grenze ins sowjetische Tadschikistan überquerten. Im Herbst des gleichen Jahres fiel die Mauer in Berlin, stürzten die realsozialistischen Regime von Ostberlin bis Bukarest. Nur zwei Jahre später lag die Sowjetunion selbst, jenes rote Imperium, welches von der Ostsee bis zum Pazifik reichte, vom Polarkreis hin zu den heißen Steppen Zentralasiens, in Trümmern. Die UdSSR wurde Geschichte. In Washington sollte man diesbezüglich nicht vergessen, dass man auch gerade deshalb Afghanistan den "Friedhof der Imperien" nennt.

RT Deutsch bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Mehr zum ThemaUS-Veteranen bewerten Kriegseinsätze zunehmend kritisch

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.