Meinung

Saudi-Arabien: Wackelt die Herrschaft der Al-Sauds?

Saudi-Arabien bringt sich mit dem Krieg im benachbarten Jemen und dem Stellvertreterkrieg gegen den Iran in eine immer schwierigere Rolle. Kronprinz Mohammed bin Salman hat das wahhabitische Königreich in die schwerste Krise gestürzt und könnte nun auch den dritten saudischen Staat gefährden.
Saudi-Arabien: Wackelt die Herrschaft der Al-Sauds?Quelle: Reuters

von Zlatko Percinic

Der Clan der Al-Sauds, dem das Königreich Saudi-Arabien seinen Namen verdankt, war seit der Übereinkunft zwischen Muhammad ibn Saud und Muhammad Abd al-Wahhab im Jahr 1744 darauf aus, die Arabische Halbinsel zu erobern und im Namen des Wahhabismus die Stämme zu unterwerfen. Das erste so gegründete saudische Emirat bedrohte durch seinen religiösen Extremismus die osmanische Vorherrschaft in der Region, was den ersten saudisch-osmanischen Krieg auslöste, der vom ägyptischen Feldherrn Muhammad Ali Pascha geführt wurde. Er endete mit der Zerschlagung des Emirats 1818 und beendete damit den ersten "Staat".

Doch bereits nach sechs Jahren gelang es dem Enkel des ersten Staatsgründers, die ägyptischen Truppen aus Riad zu vertreiben und die umliegenden Ortschaften wieder unter eigene Kontrolle zu bringen. Das führte zur Gründung des zweiten saudischen Staates, der von 1824 bis 1891 dauern sollte, bis sich der größte Rivale der Al-Sauds im arabischen Nedschd, der Stamm der Al-Raschid, als Alternative für die unterjochten Menschen aufschwang und in der Schlacht von Mulaida 1891 den letzten saudischen Emir, Abdul Rahman ibn Faisal, in die Flucht schlug.

Erst mit der Errichtung des Sultanats Nedschd 1921 legte Abdulaziz ibn Saud den Grundstein für den dritten saudischen Staat, den er nach Kriegen und Eroberungen der fast gesamten Arabischen Halbinsel mit der Ausrufung des Königreiches Hedschas und Nedschd 1926 und dann schließlich mit dem heutigen Königreich Saudi-Arabien im Jahr 1932 krönte.

Die Entdeckung von gigantischen Erdölvorkommen im überwiegend von Schiiten bewohnten Osten des Reiches sowie die strategische Kooperation mit den USA sicherte fortan die Herrschaft der Al-Sauds gegen jegliche äußere wie auch innere Gefahren ab. Erst mit dem unerwarteten Aufstieg von Mohammed bin Salman (MbS), dem erst 1985 geborenen Sohn des 2015 auf den Thron gestiegenen Königs Salman bin Abdulaziz, sollte eine Dynamik entstehen, die das Königreich und das Haus der Al-Saud in Gefahr bringen sollte.

Der Bundesnachrichtendienst, Deutschlands Auslandsgeheimdienst, warnte im Dezember 2015 vor dieser Gefahr. König Salman und der damals erst stellvertretende Kronprinz MbS würden sich als "Anführer der arabischen Welt profilieren" wollen und ersetzen die "bisherige vorsichtige diplomatische Haltung" durch eine "impulsive Interventionspolitik", die sich destabilisierend auf die Region auswirke. Dabei wurde insbesondere der Krieg kritisiert, den MbS über den südlichen Nachbarn Jemen entfachte. Damit solle gezeigt werden, dass Riad beispiellose "militärische, finanzielle und politische Risiken einzugehen" bereit ist, um "regionalpolitisch nicht ins Hintertreffen zu geraten".

Nach über vier Jahren Krieg im Jemen und einem Schattenkrieg gegen den Iran zeigt sich, dass der BND mit seiner Analyse, die eigentlich als Warnung an die Politik der Bundesregierung von Angela Merkel zu verstehen war, Recht behalten sollte.

Innerhalb von nur zwei Wochen musste Saudi-Arabien zwei schwere Schläge einstecken, die die Führungsqualität des Königshauses in Frage stellen. Am 14. September wurde die Lebensader der Clans getroffen, als mutmaßlich die Huthi-Rebellen in einem koordinierten Drohnen- und Raketenangriff die wichtigsten Erdölanlagen des Landes angriffen und dabei mit einem Streich rund die Hälfte des saudischen Ölexports lahmlegten. Und am 28. September gelang es den Huthi zusammen mit Verbündeten aus Saudi-Arabien in der Provinz Nadschran – die die Huthi als von Saudi-Arabien besetzt bezeichnen –, in einer großangelegten Offensive nach eigenen Angaben rund 200 Söldner zu töten und weitere 2.000 gefangen zu nehmen, die für die saudische Armee den Bodenkampf führen sollten. Dabei fiel den jemenitischen Huthi auch große Mengen militärischer Hardware in die Hände, die aus westlicher Produktion stammt. Auch Dokumente, die eine Zusammenarbeit zwischen diesen Söldnern und dem IS beweisen oder zumindest nahelegen sollen, wurden bei den Gefangenen gefunden.

Am selben Tag erschütterte eine weitere Meldung das Königreich, dass General Abdulaziz Al Faghem, der persönliche Bodyguard von König Salman bin Abdulaziz Al-Saud, in einem angeblichen Streit mit einem Freund von diesem erschossen wurde. Doch das pikante Detail, das für weitere Spekulationen sorgt, ist der Umstand, dass der General erst wenige Tage zuvor von Kronprinz Mohammed bin Salman persönlich entlassen wurde. Angeblich wusste er zu viel über den Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi vor einem Jahr im Konsulat in der türkischen Metropole Istanbul.

Mehr zum Thema - Still und heimlich: Saudi-Arabien verhökerte zu Spottpreis Konsulat, in dem Khashoggi ermordet wurde 

Einen Tag später brach ein massives Feuer auf dem Bahnhof der Schnellzugverbindung in Dschidda aus, die die heiligen Stätten von Mekka und Medina verbindet. Laut offizieller Darstellung der Regierung soll es sich dabei nicht um einen Angriff, sondern um ein im Dachsystem des Bahnhofs ausgebrochenes Feuer gehandelt haben.

Für die Gegner des Al-Saud-Clans innerhalb des Königreiches, und davon gibt es viele, ist es unerheblich, ob die offiziellen Erklärungen zu dem Tod des königlichen Bodyguards oder dem Feuer am Bahnhof von Dschidda zutreffend sind oder nicht. Was zählt, ist der Eindruck, dass MbS die Zügel entgleiten und er die Kontrolle über das Geschehen verliert, das er selbst angezettelt hat. Schon machen in arabischen sozialen Medien Meldungen die Runde, dass die Schiiten des Landes sich mit den Huthi verbünden könnten, um die ihnen verhassten Herrscher zu stürzen. Der Erfolg der Operation "Sieg des allmächtigen Gottes", die ohne Unterstützung von sogenannten "Volkskomitees" aus Saudi-Arabien nicht möglich gewesen wäre, könnte als Startschuss in diese Richtung betrachtet werden.

Mehr zum Thema - US-Elitesoldaten: Saudi-Arabien zwang Huthis in die Hände des Iran 

RT Deutsch bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.