Meinung

AfD-Erfolg, Demo-Militanz, Gefangenenaustausch: Ein Wochenrückblick auf den medialen Abgrund

Der Erfolg der AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg, die Militanz in Hongkong und Moskau und der Austausch von Gefangenen: Vor allem diese Themen boten den Mainstreammedien in dieser Woche Anlass für verzerrende Berichterstattung.
AfD-Erfolg, Demo-Militanz, Gefangenenaustausch: Ein Wochenrückblick auf den medialen AbgrundQuelle: www.globallookpress.com

Von Thomas Schwarz

Es gibt Themen mit Russlandbezug, die können selbst von den großen deutschen Medien nur schwer diffamiert werden: weil der Charakter des Vorgangs so positiv ist, dass er sich auch mit medialen Verrenkungen nicht mit dem gewohnten Attribut "autokratisch" verknüpfen lässt. Zu diesen Themen zählt etwa der aktuelle historische Gefangenenaustausch zwischen Russland und der Ukraine. Die klaren positiven Vorbedingungen der Episode wurden in dieser Woche auch von den meisten Medien (mutmaßlich zähneknirschend) akzeptiert. So bezeichnete selbst die Deutsche Welle den Vorgang als "Meilenstein", und auch dem ZDF blieb wenig anderes übrig, als zu verkünden, dass alle Seiten mit dieser zweifellos erfreulichen Entwicklung "zufrieden" sind.

Wie man sogar noch einen Gefangenenaustausch diffamiert

Diffamiert wurde der friedensstiftende Vorgang jedoch im Deutschlandfunk. Der Sender ist ohnehin bekannt dafür, dass er in zahlreichen Beiträgen mutmaßliche antirussische Ressentiments transportiert –  auffällig viele, selbst im Vergleich der deutschen Medien. Diese ungute "Tradition" wurde spätestens seit 2014 vor allem von den beiden Korrespondentinnen Sabine Adler und Gesine Dornblüth begründet – nun wird sie von Florian Kellermann fortgesetzt. Der sieht in dem Gefangenenaustausch weniger die Chance auf eine Verminderung des Leids – stattdessen bezeichnet er ihn als "ein gutes Geschäft für den russischen Präsidenten", wie er schreibt.

Zwar sei der Vorgang eine "zweifellos positive Nachricht", so Kellermann, denn: "Ukrainer kommen frei, die völlig zu Unrecht in russischen Gefängnissen saßen. Sie wurden in Strafprozessen verurteilt, die man als Schauprozesse bezeichnen muss." Insgesamt sei der "Preis aber zu hoch", den die Ukraine für den Austausch "bezahlt" habe. Man muss das zu Ende denken: Hätte man also lieber auf den Austausch verzichten sollen, um Putin ein "Geschäft" zu versauen? Kellermann schreibt:

Die Symmetrie, die das Wort 'Gefangenenaustausch' suggeriert, ist also irreführend. Vielmehr setzt Russland immer wieder Ukrainer fest, de facto als Geiseln, um damit vor allem Kämpfer der sogenannten Separatisten im Donezbecken freizupressen. Die Angehörigen der Freigelassenen haben natürlich gefeiert heute. Aber längst nicht alle Ukrainer jubeln, denn ihr Land hat einen hohen Preis bezahlt für den Austausch. Manche meinen: einen zu hohen Preis.

Regionalwahlen in Russland – der "wichtige Stimmungstest für Putin"

Große Einigkeit unter den deutschen Redakteuren besteht aber wiederum bei einem anderen Thema: "Regionalwahlen in Russland". Zum einen scheint es ausgemacht, dass die doch ziemlich unbedeutenden Regionalwahlen ein "wichtiger Stimmungstest" für den russischen Präsidenten Wladimir Putin seien, wie viele Medien fast wortgleich behaupten. So schreibt die Tagesschau, die Wahl sei ein "Stimmungstest für Kreml-Chef Putin". Laut T-Online ist die "Unzufriedenheit groß – Stimmungstest für Putin". Und auch die Welt berichtet wie etwa die FAZ und viele andere Medien von dem "Stimmungstest für Putin". 

Ob die Schlagzeilen auch so lauten würden, wenn die Umfragen Gewinne für die Partei "Einiges Russland" voraussagen würden? Würde man Kommunalwahlen in Deutschland in vergleichbarer Weise zum "Stimmungstest" für die Kanzlerin aufblasen?

Die "gute" Militanz in Hongkong und in Moskau

Die Berichterstattung über die militanten und teils verbotenen Demonstrationen vor den russischen Regionalwahlen in Russland überschneidet sich prinzipiell mit den Berichten über die militanten und teils verbotenen Demonstrationen in Hongkong: Die Heuchelei und das Messen mit zweierlei Maß bezüglich der Militanz – je nachdem, ob sie in Deutschland oder im konkurrierenden Ausland wütet – konnte auch schon in Bezug auf den Maidan, auf Venezuela oder Syrien festgestellt werden, wie in einer früheren Ausgabe dieser Kolumne geschrieben wurde:

So forderten westliche Medien beim 'Maidan' in der Ukraine, angesichts von militanten Islamisten in Syrien oder einer gewaltbereiten 'Opposition' in Venezuela von den jeweiligen Regierungen, diese militanten Umtriebe als 'Akt der Demokratie' zu dulden. Diese Toleranz endet jedoch (zu Recht) schlagartig, wenn sich etwa in Deutschland militante Entwicklungen abzeichnen. Zudem hat Deutschland ein im internationalen Vergleich strenges Versammlungsrecht.

Daher ist es auch westlichen Redakteuren bewusst, was in Deutschland mit den 'Besuchern' einer verbotenen Demonstration geschehen würde: Sie würden mutmaßlich verhaftet werden – und kein westliches Medium würde daran Anstoß nehmen. Warum auch, schließlich wird geltendes Recht umgesetzt. Ganz anders beurteilen es viele deutsche Redakteure, wenn in Moskau verbotene Demonstrationen stattfinden: Dort sind die Initiatoren solcher Demos grundsätzlich im Recht – Verbot hin oder her!

Hongkong: Wenn die Maximalforderungen kein Ende nehmen

Angesichts der Demonstrationen in Hongkong lässt sich ganz aktuell ein weiteres problematisches Phänomen beobachten, das von den Medien aber nicht problematisiert wird: das der ausufernden und darum nicht erfüllbaren Forderungen. So ist die Antwort der Protestbewegung auf den Rückzug des umstrittenen Auslieferungsgesetzes durch die Regierung Hongkongs: "Wir machen einfach weiter". Maximalforderungen werden aufgetürmt, das "Mindeste" scheint ein Sturz der Regierung zu sein. Wie reagieren deutsche Medien auf diese Maßlosigkeit, die jeden Kompromiss und jede Verständigung unmöglich macht? Sie füttern sie noch mit ihren Phrasen von "Freiheit und Rechtsstaatlichkeit" und malen den finalen Systemkampf an die Wand, so etwa stellvertretend für viele Medien die Neue Osnabrücker Zeitung:

Das Einlenken von Hongkongs Regierung ist zwar erfreulich. Es ändert aber nichts am Grundproblem. Freiheit und Rechtsstaatlichkeit Hongkongs stehen im krassen Gegensatz zur autokratischen Volksrepublik. Langfristig wird es in dem Systemwettbewerb wohl nur einen Sieger geben.

Und die Süddeutsche Zeitung sieht im Handeln der Regierung ohnehin nur das reine Taktieren:

Peking will keinen Kurswechsel in der Stadt. Es will nur schöne Bilder. (…) Die Hongkonger bekommen also keine Zusagen, sondern nur eine Schonfrist. Sie sollen Gäste sein auf ihrer eigenen politischen Hinrichtung. Wenn die Machthaber in Peking in diesem Sommer eins klargemacht haben, dann dies: Die Freiheit der Menschen in Hongkong hat keinen Wert für sie.

Merkel und die "friedliche Lösung" 

Den Blickwinkel erweitert anlässlich von Angela Merkels aktueller Chinareise einmal mehr sehr belebend Oskar Lafontaine, der schreibt:

Kanzlerin Merkel mahnt eine friedliche Lösung für Hongkong an. Es müsse alles getan werden, Gewalt zu vermeiden. Wer wollte ihr da nicht zustimmen? Aber ist sie wirklich berechtigt, den mahnenden Finger zu heben? Wie wär's, wenn sie einmal eine friedliche Lösung für den Jemen anmahnen würde und darauf dringen würde, dass alles getan wird, um dort Gewalt zu vermeiden? Wie wär's, wenn sie den Bundeswehr-Einsatz im völkerrechtswidrigen Syrien-Krieg beenden würde? Wie wär's, wenn sie überhaupt glaubwürdig an Kriegsparteien keine Waffen mehr liefern würde und die Bundeswehr nicht mehr in Kriegseinsätze schicken würde?

Die AfD und die Volksparteien: "Das freundliche Sachsen hat gewonnen"

Dass die dominierende Botschaft in den großen Medien vor den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen eine Propagierung des "Weiter so!" und einer ersehnten "Rettung der Volksparteien" war, wurde in einer Ausgabe dieser Kolumne bereits beschrieben: Eine mögliche Niederlage jener "Volksparteien" wurde demnach einmal mehr mit dem Untergang der Zivilisation gleichgesetzt – nur sei dabei unterschlagen worden: Die Erfolge der AfD sind Symptom und nicht Ursache der Spaltungen in Deutschland. Ursächlich verantwortlich für das schwindende Vertrauen vieler Bürger in die Durchsetzungsfähigkeit des Staates (und damit auch für den Rechtsruck) ist die wirtschaftsliberale und bürger- wie staatsfeindliche Politik von CDU und SPD, also die Handlungen der "Volksparteien".

In der Kolumne hieß es folgerichtig: "Die Wahl jener Parteien zu empfehlen, um die durch diese Parteien hervorgerufenen Symptome zu lindern, ist ein offensichtliches Paradoxon." Dieser paradoxe Charakter hat die meisten großen Medien nicht von dieser Strategie abgehalten. Und die Strategie hatte Erfolg, wie viele Medien nun aufatmend verkünden. So freut sich die Tagesschau: "Das freundliche Sachsen hat gewonnen":

Die CDU atmet hörbar auf: In Sachsen bleibt sie nach ARD-Hochrechnung stärkste Partei und lässt damit die AfD hinter sich. (…) Sie hatten zwischenzeitlich mit dem Äußersten gerechnet, und um so erleichterter reagierten CDU-Anhänger, als nach Auszählung der Stimmen klar war: Die CDU bleibt in Sachsen trotz erheblicher Verluste stärkste Partei – vor einer deutlich erstarkten AfD.

Lobhudelei für die Verantwortlichen des Status quo

Oden der Lobhudelei auf jene Politiker, die uns die Suppe des Rechtsrucks doch erst eingebrockt haben, hält unter vielen anderen Medien der Tagesspiegel:

Genauso geht Politik: Hingehen, zuhören, mit den Leuten diskutieren, auch wenn einem deren Sprüche nicht passen. Und dann handeln. Michael Kretschmer hat geschafft, wovon CDU-Parteifreunde in anderen Ländern träumen: Er hat die AfD auf Abstand gehalten. Er hat für seine Partei und für den Staat Vertrauen zurückgewonnen. Er hat gezeigt, wozu ein überzeugter Demokrat in der Lage ist.

Dass der Tagesspiegel aber auch anders kann, zeigt er dagegen in dieser lohnenden Analyse des Wahlausgangs. Dass auch die Medien aus der zweiten Reihe das Modell "Volksparteien" unkritisch feiern, und wie weit sie dafür Forderungen nach politischem Wandel herunterschrauben, zeigt die Badische Zeitung, für die bereits die "Verhinderung" der AfD ein Grund zum Jubeln ist:  

Das Signal einer breiten Mehrheit der Wähler aber ist klar: Die vermeintliche Alternative für Deutschland soll unter allen Umständen von Macht und Regierung ferngehalten werden.

Die Linke erhält die erwartungsgemäße Quittung und stürzt ab

Eine der zentralen Fragen nach den Landtagswahlen ist, ob die Linke nun aus den vorher absehbaren Wahlniederlagen lernt – und etwa ihre Parteiführung (endlich) zur Verantwortung zieht. Neben dem politisch destruktiven und menschlich schäbigen Umgang von Teilen der Partei mit Fraktionschefin Sahra Wagenknecht war die Fokussierung der Linken auf eine hippe und urbane Wählerklientel ein schwerer Fehler. Wie sehr die Linkspartei an ihrer klassischen Klientel vorbei argumentiert, hat Wagenknecht aktuell auf Facebook beschrieben:

Die Linke muss wieder zu einer Alternative für all diejenigen werden, die von der herrschenden Politik seit Jahren im Stich gelassen werden. Für diejenigen, die zu Niedriglöhnen schuften, die unter fehlender sozialer Infrastruktur leiden und die Angst vor Altersarmut haben.

Wagenknecht nennt einige Gründe für das Entfremden zwischen Zielgruppe und Partei:

Wenn wir von diesen Menschen als grünliberale Lifestyle-Partei statt als ihre Stimme wahrgenommen werden, wenn sie das Gefühl bekommen, dass wir auf sie herabsehen, weil sie nicht den hippen Großstadt-Code beherrschen, dann ist es nur normal, dass sie sich von uns abwenden. Das dürfen wir nicht länger zulassen!

Der Irrweg der Hipster-Linken 

Der Charakter vieler jener von Teilen der Linken so umgarnten "Bobos, Hipster und Kosmopoliten" wird aktuell treffend auf Makroskop beschrieben: 

Achtung, es geht um eine Minderheit! Sie ist kulturhegemonial wirkmächtig und stellt sich selbst unter besonderen Artenschutz. (…) Oder anders gesagt, das Sein einer Minderheit bestimmt das Nichtsein der Übrigen. Sie bestimmt, wer dazugehört und wer nicht. Gleichzeitig will sie keine Diskriminierungen. Also schreibt sie sich ihrerseits wiederum den Kampf für die Rechte von allen möglichen Subminderheiten auf die Fahnen – seien sie noch so klein und alle Benachteiligungen, die heute ihren Weg in die Headlines der Massenmedien finden, vielleicht nur gefühlt. Diese Minderheit, ausgestattet mit der Deutungshoheit, ist die Fahnenträgerin der Identitätspolitik.

Dem RedaktionsNetzwerk Deutschland gegenüber betonte Wagenknecht auch eine Mitschuld der Linken am AfD-Erfolg:

Wir waren über viele Jahre die Stimme der Unzufriedenen. Indem wir uns von unseren früheren Wählern entfremdet haben, haben wir es der AfD leicht gemacht. Insofern sind wir für ihren Erfolg mitverantwortlich. (…) Die wachsende Distanz zu dieser Lebenswelt zeigt sich auch in unserem Umgang mit AfD-Wählern, die gern pauschal als Rassisten beschimpft werden, obwohl viele von ihnen früher links gewählt haben.

Migration und Linke 

Und Dietmar Bartsch, der Ko-Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, sagte zu den Konflikten in der Linken um die Migrationspolitik im Deutschlandfunk:

Aber dass wir suggerieren, möglichst viele Menschen sollen nach Deutschland kommen, das ist doch keine linke Position. Eine linke Position ist, dass jedes Kind da, wo es geboren wird, seine Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickeln kann. Deswegen muss es um Fluchtursachenbekämpfung gehen, und selbstverständlich ist die Migrationsfrage eine, die die Menschen im Osten bewegt hat.

Migrations-Mythen im ZDF

Wie verzerrend die von Bartsch thematisierte Migrationspolitik in den großen Medien behandelt wird, dazu hat das ZDF in dieser Woche ein besonders bemerkenswertes Beispiel geliefert. Das Doku-Drama "Stunden der Entscheidung: Angela Merkel und die Flüchtlinge" im ZDF "schneidert der Regierung Legenden auf den Leib, es ist eine Homestory für die Mächtigen" wie die NachDenkSeiten schreiben. Das Medium fährt fort: 

Der Beitrag vereint Distanzlosigkeit, Verzerrungen, Kitsch, Pathos und Heuchelei. Zudem kommt der ZDF-Film über die Entscheidung der Bundesregierung vom 4. September 2015, die in Ungarn festsitzenden Flüchtlinge aufzunehmen, praktisch ohne Kritik an den Mächtigen und den damals Verantwortlichen aus. Der aufreizende Grundton: 'Wir sind die Guten'. Dieser Grundton äußert sich in einer Verunklarung der juristischen Grundlagen ('Dublin III'), in Heuchelei gegenüber der ungarischen Regierung und in einer aufreizenden Distanzlosigkeit der Filmemacher gegenüber der damaligen Bundesregierung unter Angela Merkel. Zudem wird nur höchst unangemessen thematisiert, welche Kriege es waren, die die Menschen überhaupt haben flüchten lassen: Es waren zuallererst die westlichen Kriege gegen Afghanistan, Syrien und den Irak.

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