Meinung

Mietendeckel, Vermögenssteuer, Landtagswahlen: Ein Wochenrückblick auf den medialen Abgrund

Der geplante Mietendeckel in Berlin, die Pläne der SPD zur Vermögenssteuer und die Landtagswahlen in Sachen und Brandenburg: Vor allem diese Themen boten den Mainstreammedien in dieser Woche Anlass für Einflussnahme durch verzerrende Berichterstattung.
Mietendeckel, Vermögenssteuer, Landtagswahlen: Ein Wochenrückblick auf den medialen AbgrundQuelle: www.globallookpress.com

von Thomas Schwarz 

Die dominierende Botschaft in den großen Medien vor den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen am heutigen Sonntag war die Propagierung des "Weiter so!" und einer ersehnten "Rettung der Volksparteien": Eine mögliche Niederlage jener "Volksparteien" wurde einmal mehr mit dem Untergang der Zivilisation gleichgesetzt – nur wurde dabei unterschlagen: Die Erfolge der AfD sind Symptom und nicht Ursache der Spaltungen in Deutschland. Ursächlich verantwortlich für das schwindende Vertrauen vieler Bürger in die Durchsetzungsfähigkeit des Staates (und damit auch für den Rechtsruck) ist die wirtschaftsliberale und bürger- wie staatsfeindliche Politik von CDU und SPD, also die Handlungen der "Volksparteien". Die Wahl jener Parteien zu empfehlen, um die durch diese Parteien hervorgerufenen Symptome zu lindern, ist ein offensichtliches Paradoxon. 

Dennoch schien diese Strategie in der vergangenen Woche zu verfangen, wie in Umfragen (etwa hier oder da) zu erfahren war. Und so konnte der Spiegel verkünden, dass die ehemaligen Volksparteien "plötzlich wieder vorn" seien. In anderen Publikationen wurde gar eine "Wunderheilung der Volksparteien" konstatiert. Die NachDenkSeiten haben diesen Vorgang folgendermaßen kommentiert: 

Niemand kann sich den Erfolg der AfD wünschen. Aber könnte man als Gegensatz dazu denn einen Sieg etwa der sächsischen CDU tatsächlich als Triumph 'der Demokratie' verbuchen? Schließlich hat diese Partei, wie gesagt, durch unsoziale, wirtschaftsliberale und staatsfeindliche Politik erst die Voraussetzungen für den Rechtsruck geschaffen. Ähnliche Versuche von gesellschaftlichen Brandstiftern, sich hinterher als die Feuerwehr darzustellen, konnten bereits vor der EU-Wahl beobachtet werden. 

Wenn die Demokratie vor den Demokraten gerettet werden muss 

Dass man angesichts dieser irreführenden Meinungsmache und einer Koalition aus etablierten Journalisten und Politikern "die Demokratie vor den Demokraten" retten müsse, schreibt einleuchtend Makroskop anlässlich der Stimmungsmache vor den Landtagswahlen: 

Der politische Betrieb rettet die Demokratie. Vor dem Rechtsruck, der AfD und rückständigen Ansichten. Nur nicht vor ihr selbst. Doch eigentlich geht es bei diesem Rettungsvorhaben nicht um die Demokratie, sondern um die Rettung des »Weiter-so«-Kurses. (…) Mittlerweile wird der Kampf gegen die AfD aber viel existenzialistischer geführt. Es geht nicht mehr bloß um programmatische Kämpfe innerhalb der Parteiendemokratie, sondern um die Rettung der Demokratie höchstselbst. Unter diesem Motto vereinigen sich "die Demokraten", wie sie sich gemeinhin relativ unhinterfragt nennen dürfen, um im Kampf gegen die AfD nicht einfach nur eine tatsächlich problematische Partei zu schwächen. Das wäre, und das haben auch die Medien längst begriffen, zu profan. So ist die Verteidigung der Demokratie Programm in Dauerschleife.

Die wütende Abwehr der Vermögenssteuer 

Ein anderes Thema, auf das die großen Medien in dieser Woche ihren Fokus legten, war die wütende Abwehr der Wiedereinführung der Vermögenssteuer, wie etwa die NachDenkSeiten beschreiben, die einige "Argumente" der gegnerischen Medien zusammenfassen:

Die finanziell Bevorteilten in die Pflicht zu nehmen, sei natürlich angebracht, aber so einfach sei das alles nicht: ein Gesamtkonzept müsse her, am besten eine 'internationale Lösung' – das Konzept sei also nett gemeint, aber unausgegoren, unprofessionell und als reine Wahlkampffinte zu deuten.

Der "Raubzug bei den Reichen" 

Laut diesem Artikel lieferte ein Beispiel für den weit verbreiteten Medientenor gegen die guten SPD-Pläne für die Reichensteuer etwa das Handelsblatt: "Die SPD plant einen Raubzug bei den Reichen." Das Handelsblatt fährt fort: 

Die Pläne zur Vermögenssteuer der SPD zeigen: Die Partei schaltet in Panikmodus. Das undurchdachte Konzept bringt auch Olaf Scholz in die Bredouille. Eine schnöde Geldsammelaktion soll nun angeblich helfen, das Klima zu retten, Straßen zu bauen und Schulen zu renovieren. Statt einen schwungvollen Zukunftsplan für Deutschland in wirtschaftlich schwächeren Zeiten zu präsentieren, plant man einen Raubzug bei den Reichen.

Unterstützung findet die Zeitung auch bei der Welt, die schreibt: "Olaf Scholz rührt einen fatalen Mix für die Mittelschicht an": 

Auf den ersten Blick klingt das Vorhaben verführerisch: Nur 'Reiche und Superreiche' sollen besteuert werden, und man will sich am Vorbild der Schweiz orientieren. Bei näherem Hinsehen hat eine allgemeine Vermögensteuer jedoch schwere Mängel, und das ist der Grund, warum sie international kaum noch erhoben wird und selbst in Staaten wie Schweden und Frankreich abgeschafft wurde. 

Die "Neiddebatte" und der "Nutzen" der Ungleichheit 

Auch der Spiegel stößt in dieses Horn: "Bloß keine Neiddebatte!" Das Magazin fährt fort:

Die Diskussion über eine Besteuerung großer Vermögen hat gerade wieder Hochkonjunktur. Doch statt Neid zu schüren, sollten wir darüber reden, was Wirtschaft und Gesellschaft wirklich hilft. (…) Die Antwort ist, dass viel des privaten Vermögens in Deutschland bereits heute einen ganz essenziellen Beitrag zu Wirtschaft und Gesellschaft leistet. Es ist Vorsicht geboten bei einer Besteuerung von Vermögen, vor allem bei Unternehmen, die einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten.

Derweil bricht die FAZ ganz unverblümt eine Lanze für die Ungleichheit und behauptet : "Wie die SPD den Reichtum missversteht". Die FAZ fährt fort: 

Immerhin hat sich herumgesprochen, dass die Einkommen der Deutschen nicht so furchtbar ungleich verteilt sind. Jetzt geht es um die Vermögen. (…) Der folgende Satz klingt im ersten Moment paradox, er ist aber wahr: Eine hohe Vermögensungleichheit ist ein Indiz dafür, dass der Wohlfahrtsstaat in einem Land gut ausgebaut ist. (…) Es ist ja nicht so, dass die Geldscheine im Fließband auf den großen Haufen der Reichen geschüttet werden, wie es die SPD vergangene Woche noch in einer Karikatur gezeigt hat. Reichtum entsteht, indem verdientes Geld produktiv investiert statt für den Konsum verwendet wird. 

Die "Verzweiflung" der SPD 

Und auch kleinere Medien möchten nicht zurückstehen bei der Diffamierung des sozialen SPD-Vorstoßes. So nennt die Osnabrücker Zeitung den Plan zur Wiedereinführung der Vermögenssteuer eine "Verzweiflungstat" und führt aus: 

Die Verzweiflung bei den Sozialdemokraten muss groß sein, wenn sie kurz vor den Wahlen in Sachsen und Brandenburg die Vermögensteuer aus der Mottenkiste holen. Dabei weiß jeder, dass sie ein verfassungsrechtlich schwieriges und noch dazu extrem aufwendiges Instrument ist, weil unterschiedlichste Vermögenswerte erfasst und bewertet werden müssten.

Die Badische Zeitung setzt noch einen drauf:

Schon durch den Erhalt des 'Soli' für den wohlhabenderen Teil der Steuerzahler hat die SPD sich in der Neiddebatte versucht. Mit ihrem Steuerplan zündet sie Stufe 2.

Aufruhr um den Mietendeckel: "Ein Aufschrei der Dummheit"

Noch vernichtender war das Urteil der großen (und vieler kleiner) Medien in der vergangenen Woche lediglich zu den Plänen für einen "Mietendeckel" zugunsten der Berliner. Dazu schreibt etwa die Süddeutsche Zeitung: "Radikale Eingriffe mögen zwar bei vielen Wählern populär sein, doch der Wohnungsbaumarkt ist kompliziert." Und die Neue Osnabrücker Zeitung warnt: "Der gesamte Berliner Immobilienmarkt stünde vor dem Kollaps, sollten die Kaltmieten wie geplant gedeckelt oder drastisch gekürzt werden, denn dann würden über Nacht Millionen-Werte vernichtet." Und der Deutschlandfunk prophezeit: "Kann nicht und wird nicht funktionieren". Der Sender fährt fort: 

Der jetzt bekannt gewordene Vorschlag für eine Deckelung der Mieten in Berlin wäre ein Rückfall in die sozialistische Wohnungswirtschaft der DDR. Zum Glück aber regiert die SED-Nachfolgepartei in Berlin nicht allein und wird dieser Stadt ihre realsozialistischen Einheitsmieten nicht verordnen können.

Der Journalist Marco Wenzel hat diese Meinungsmache folgendermaßen kommentiert:

Aufregung im Ländle, es rauscht im Blätterwald. Scheinbar drohen Enteignungen, Deutschland ist auf dem Weg zum Sozialismus! Gott sei bei uns. (…) Die Kritik geht in den Medien in etwa so: Wenn die Immobilienbesitzer nicht mehr genug Reibach bei der Vermietung ihrer Wohnungen machen, dann gibt das 'falsche Signale' an den Markt, dann fliehen die Investoren und dann werden die Menschen in Berlin bald kein Dach über dem Kopf mehr haben. Das hat man dann davon, wenn man in den 'Markt' eingreift.

Die Erpressung durch die Wohnungskonzerne

Bemerkenswert ist auch der Kontrast zwischen der Aufregung über die Berliner Pläne einerseits und der großen Toleranz der Medien gegenüber den darauf folgenden Erpressungen der Wohnungskonzerne andererseits. Über diesen Vorgang berichtet das Handelsblatt betont unaufgeregt, als sei dies eine akzeptable oder "normale" Reaktion:

Für Vonovia, den größten privaten Wohnungskonzern Deutschlands, ist die Sache klar: 'Sollte der Gesetzentwurf so kommen, dann könnte ein großer Teil der für Berlin geplanten Investitionen in andere Standorte umgeleitet werden', erklärt eine Sprecherin auf Handelsblatt-Anfrage. Man werde die Wohnungen, die sich im Bau befänden, fertigstellen. Über neue Projekte müsste dann gesondert diskutiert werden. Der Konzern besitzt rund 40.000 Wohnungen in der Hauptstadt. Mit der Absicht, Investitionen in Berlin zu senken oder gar zu stoppen, steht Vonovia nicht allein da. Laut einer Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen des Landesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Berlin-Brandenburg (BFW) wollen 72 Prozent der Unternehmen geplante Investitionen stoppen oder ganz aufgeben.

Die "Rückkehr der DDR" 

Diese bemerkenswerte Erpressung der Wohnungskonzerne wird nicht etwa als Skandal angeprangert, obwohl doch Eigentum angeblich auch verpflichtet. Ganz anders – wie gesagt – der Mietendeckel selber, der laut Medientenor mindestens "schlimmste DDR-Verhältnisse" wiederherstellen würde. Eine gute Zusammenstellung der ausufernden Propaganda gegen das Vorhaben hat Telepolis unter dem Titel "Bürgerliche Beißreflexe gegen den Mietendeckel in Berlin" zusammengestellt. Dort wird "Berlins rot-rot-grüner Bürgerschreck" von der FAZ "entlarvt", die Berliner Morgenpostbehauptet: "Mietendeckel: Die DDR zeigt, wohin Mietpreisbindung führt", das Handelsblatt weiß: "Vermieter empört über Mietendeckel-Entwurf - Immobilien-Branche spricht von Enteignung", die Welt hat erfahren: "Sogar die Genossen wundern sich über die 'Enteignungsfantasien'" und Der Spiegel wie Die Süddeutsche Zeitung wissen gleichermaßen, dass der Mietendeckel "ungerecht" ist. 

Oskar Lafontaine hat diesen Chor aus Journalisten und Politikern so knapp wie treffend als "Aufschrei der Dummheit" eingeordnet

Zwei Drittel der Berliner befürworten einen Mietendeckel, wenn die Mieten zu stark ansteigen. Das Bundesverfassungsgericht sagt, dass "preisrechtliche Vorschriften, die durch sozialpolitische Ziele legitimiert werden, verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen sind". Die Mietpreisexplosion in Berlin und anderen Städten muss gestoppt werden. 'Enteignung!', schreien Immobilienwirtschaft, die Medien und die Bataillone der Besitzenden in CDU, CSU, AfD und FDP. Es ist ein Aufschrei der Dummheit.

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