Meinung

Ukraine verliert im Westen immer mehr Sympathisanten

Trotz der geschickt inszenierten Opferrolle im Konflikt mit Russland kann die Ukraine nicht mehr mit der bedingungslosen Unterstützung des Westens rechnen. Insbesondere werden Differenzen mit der europäischen Politik sichtbar. Diese Entwicklung ist selbstverschuldet.
Ukraine verliert im Westen immer mehr SympathisantenQuelle: www.globallookpress.com

von Wladislaw Sankin

In den letzten Wochen haben ukrainische außenpolitische Vertreter in Bezug auf ihre westlichen Partner sehr oft das Wort "Verrat" in den Mund genommen. So war die Kritik an EU-Sanktionen gegen Russland vonseiten der Ministerpräsidenten einiger östlicher Bundesländer laut dem ukrainischen Botschafter Andrej Melnyk "Verrat am ukrainischen Volk". In einem Interview sagte er: Wer Sanktionen in Frage stelle, sei an den "Gräueltaten des Kremls" mitschuldig.

Botschafter Melnyk fiel auch früher schon mit Drohungen gegen deutsche Politiker und Musiker wegen ihrer Krim-Reisen auf. Die berüchtigte öffentliche Pranger-Wand "Mirotworez" wird regelmäßig auch mit den Namen deutscher Journalisten und Politikern gefüllt. Zuletzt gelangten Sahra Wageknecht und Gregor Gysi wegen ihrer angeblichen "antiukrainischen Propaganda" auf die Webseite.

Die Abstimmung im Europarat über die Rückkehr der russischen Delegation verwandelte sich dank der ukrainischen Abgeordneten in ein endloses Theater mit wüsten Beschimpfungen der Russen und Drohungen, das Gremium zu verlassen. Dies ist nun auch geschehen. Nach der Weigerung des Leiters der ukrainischen Delegation Wladimir Ariew am Dienstag, mit "Kriminellen" in einem Raum zu sitzen, hatte die Ukraine zwei Tage später ihre Arbeit in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) ganz beendet.

Der bekannte ukrainische Journalist Maxim Kuchar, Ex-Chefredakteur des Magazins Forbes Ukraina, brachte das Unbehagen gegen die Deutschen und Franzosen – die Hauptförderer der russischen Rückkehr in den Europarat – in einem Facebook-Eintrag radikal auf den Punkt:

Schickt nicht mehr Geraschenko (Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates PACE – Anm. d. Red.) und [Außenminister] Klimkin, sondern die Langstreckenbomber. Entschuldigung, wenn wir keine fünf Regimente der Langstreckenbomber haben, die in einer Nacht Berlin, Paris und Moskau in Schutt und Asche legen können, warum sollten die Einwohner dieser Stadt uns berücksichtigen?

In einem anderen Post schrieb er, dass nur totale Militarisierung mit einer Armada aus Panzern, Haubitzen, Schiffen und Nuklearwaffen – auf Paris, Berlin und Moskau gerichtet – "unsere Rechte, Freiheit und Demokratie" gewährleisten könne.

Diese Rhetorik hat trotz ihrer "Abgedrehtheit" etwas Wahres an sich: Sie drückt die Verzweiflung der ukrainischen Eliten aus, denn diese können in ihrer Außenpolitik nicht mehr auf eine bedingungslose Unterstützung aus den wichtigsten europäischen Hauptstädten zählen. Die häufigen Reisen ukrainischer Top-Politiker nach Berlin, Brüssel und Paris sind zu ritualisierten PR-Events verkommen, die am nächsten Tag wieder vergessen werden. Unterm Strich bleibt, dass man den wiederholten ukrainischen Forderungen nach immer schärferen antirussischen Sanktionen in Europa nicht mehr nachgibt.

Russische Experten und Politiker bewerten die Rückkehr ihrer Delegation als diplomatischen Sieg und sogar als Anfang der Anerkennung der Übernahme der Krim. Sie sehen die Sanktionsspirale nun am Anfang ihres Zurückdrehens. Auch wenn die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer bei jeder Gelegenheit die Wirtschaftssanktionen verteidigt und ohne jeden Beweis vom "russischen Einmarsch" in der Ostukraine spricht. Der Fall des Europarats zeigt: Das jahrelange faktenfreie Nachplappern einer Behauptung macht sie doch nicht zur Realität.

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Auf die Schimpftiraden seines ukrainischen Kollegen angesprochen, sagte der russische Botschafter in Deutschland Sergej Netschajew auf journalistische Anfrage hin, es sei unvernünftig und kurzsichtig, durch gegenseitige Beschimpfungen alle Brücken hinter sich abzureißen.

Wir beobachten, dass man in Deutschland die Haltung zu Russland ändert. Die Forderung nach Normalisierung der bilateralen Beziehungen und dem Ausbau einer vielschichtigen Kooperation mit Russland, die den Interessen der Bundesrepublik Rechnung tragen würde, wird immer lauter, und das auf allen Ebenen", so Netschajew.

Das Verhalten der ukrainischen Eliten auf dem internationalen Parkett nach dem Maidan-Staatsstreich kann man in Bezug auf Russland mit einer kurzen Formel beschreiben – "Wir oder die". Nach Einschätzung von Konstantin Bondarenko, dem Vorsitzenden der Stiftung "Ukrainische Politik", ist diese Haltung die Folge einer richtungsweisenden Entscheidung, die die damalige ukrainische politische Elite vor über 20 Jahren getroffen hat – sie hat auf Washington und den damals noch geeinten Westen statt auf Moskau gesetzt, "obwohl Moskau auch gute Angebote gemacht hat".

Dies habe damit zu tun gehabt, dass das Fortbestehen der Russischen Föderation für kurzfristig gehalten wurde, daher setzte man auf die vermeintlich Stärkeren. Die politische Klasse der Ukraine konnte jedoch lange Zeit zwischen den zwei Machtzentren balancieren. Nach dem Maidan verschrieb sie sich in radikaler Weise nur einem Machtzentrum und schnitt die Unnachsichtigen mit Gewalt vom politischen Leben ab.

Nun ist das Verhältnis zu Europa zunehmend zerrüttet. Die EU sei derzeit mit eigenen Problemen beschäftigt, es blieben nur die USA. Aber auch in Washington wird die Ukraine zum Spielball bestimmter Lobbygruppen und Parteien im Kampf gegeneinander. Es sind nun in Europa kaum bekannte zweitrangige US-Beamte, die in der Ukraine das Sagen haben. Die USA betrachten die Ukraine immer noch als Aktiva gegen Russland, aber nicht mehr an erster Stelle, sagt Bondarenko.

Die ukrainische Elite hat vergessen, dass diese Rolle – des verlängerten Arms Washingtons in Europa – schon an Polen vergeben ist", so der Experte.  

Einen Plan B für den Fall, dass Russland auf der internationalen Bühne nicht schwächer, sondern stärker wird und die "westlichen Partner" nicht das machen, was man in Kiew von ihnen erwartet, hat die Ukraine derzeit nicht.

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