Meinung

Atomabkommen mit dem Iran wohl endgültig gescheitert

Nach dem einseitigen Ausstieg der Vereinigten Staaten aus dem zwischen den UN-Vetomächten, der EU und dem Iran im Jahr 2015 geschlossenen Atomabkommen existiert dieses fast nur noch auf dem Papier. Nun könnte die EU und insbesondere Polen für das endgültige Aus sorgen.
Atomabkommen mit dem Iran wohl endgültig gescheitertQuelle: AFP © Hans Punz

von Zlatko Percinic

Als "Deal des Jahrhunderts" von Befürwortern und Gegnern des Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) – oder auch einfach Atomabkommen – mit dem Iran gefeiert bzw. von Israel verurteilt, konnte sich vor allem die Europäische Union endlich als ein diplomatisches Schwergewicht auf dem internationalen Parkett profilieren. Ein jahrzehntelanger Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Islamischen Republik Iran, der auch die Beziehungen der europäischen Länder zum Iran beeinflusst hatte, konnte durch Verhandlungen erfolgreich entschärft werden. Die an dem Verhandlungsprozess beteiligten Länder (China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland, USA + Iran) erhöhten das Profil der EU als Verhandlungspartner enorm.

Doch die Freude an diesem "Deal des Jahrhunderts" sollte nur von kurzer Dauer sein. Mit der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika wurde ein Mann ins Weiße Haus gewählt, der das Abkommen von Anfang an als "desaströs" bezeichnet hatte. Im Wahlkampf versprach er, dass das Abkommen mit dem Iran eines der ersten wäre, die er "neu verhandeln" werde, sollte er ins Amt gewählt werden. "Sie (die Iraner/Anm.) lachen über die Dummheit dieses Nukleardeals, den wir machen. Wir sollten die Sanktionen verdoppeln und verdreifachen und sie dazu bringen, zu uns zu kommen", sagte Trump kurz nach der Vertragsunterzeichnung des Abkommens in der österreichischen Hauptstadt Wien.

Damit stand er nicht allein da. Für einen einseitigen Ausstieg der USA aus dem Iran-Abkommen gab es genügend Stimmen und Unterstützung im Land, die sich mit einer Annäherung zwischen Washington und Teheran nicht abfinden konnten oder wollten. Und dass der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Beifall klatschte, als Trump dann schließlich sein Wahlversprechen umsetzte und am 8. Mai 2018 den Ausstieg seines Landes bekanntgab, ist sicherlich alles andere als überraschend. Netanjahu wurde sogar vor laufender Kamera dabei erwischt, wie er damit prahlte, dass er es war, der den US-Präsidenten von diesem Schritt überzeugt hatte.

Abgesehen davon, dass der einseitige US-Ausstieg gegen die UN-Resolution 2231 verstößt, ging Washington dazu über, die Europäer und die restlichen Vertragspartner dazu zu zwingen, keine Geschäfte mehr mit dem Iran zu machen. Insbesondere durften die Länder kein iranisches Öl mehr beziehen, wenn sie nicht mit US-Sanktionen belegt werden wollten.

Um diese US-amerikanischen Erpressungsversuche zu unterlaufen, versuchte die EU Einigkeit und Stärke zu demonstrieren, und schlug ein eigenes Instrument vor, um den Zahlungsverkehr bei Geschäften mit dem Iran abzuwickeln: eine Zweckgesellschaft oder auch "Special Purpose Vehicle". Eigentlich hätte diese Zweckgesellschaft bereits bis zum 4. November 2018 stehen sollen, wie es aus EU-Kreisen hieß. An diesem Tag setzte Washington erneut das knallharte Sanktionsregime gegen den Iran in Kraft.

Seitdem sind wieder über zwei Monate vergangen, ohne dass sich diesbezüglich etwas getan hätte. Man ist in der EU offensichtlich nicht in der Lage, ein Gastland für diese Zweckgesellschaft zu finden, welches sehr wahrscheinlich zum Ziel von US-Drohungen werden würde. Stattdessen verhängte Brüssel selbst am 9. Januar wegen angeblicher Anschlagspläne in Europa neue Sanktionen gegen den Iran.

Dazu kommt, dass der dem Iran-Abkommen zugrunde liegende Geist, nicht nur die Limitierung des iranischen Atomprogramms, sondern auch der Wiederaufbau von besseren wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen zwischen den jeweiligen Ländern, immer weiter korrodiert. Seit dem Ausstieg Washingtons sind es vor allem Großbritannien und Frankreich, jene beiden Länder mit den größten Problemen innerhalb der EU, die mit scharfer Rhetorik gegen Teheran aufgefallen sind. Und nun gesellt sich auch Polen als drittes EU-Land dazu, das sich aktiv gegen die eigentlich von der EU geführten Linie stellt.

Wie US-Außenminister Mike Pompeo bei seiner Reise durch sieben Länder (geplant waren acht Länder, doch aufgrund eines Todesfalles in der Familie brach Pompeo die Reise ab) des Mittleren Ostens überraschend ankündigte, wird Polen vom 13. bis 14. Februar in Warschau eine internationale Konferenz abhalten. Die von den USA initiierte Konferenz zur "Promotion von Frieden und Sicherheit im Mittleren Osten" ist eine nicht wirklich verdeckte anti-iranische Veranstaltung mit dem Ziel, eine internationale Koalition gegen Teheran zu bilden. Dass ausgerechnet EU-Mitglied Polen als Gastgeber dieser Konferenz auftritt, bringt Brüssel in schwere Bedrängnis.

Offiziell hält die EU an dem Abkommen mit dem Iran fest. Doch aufgrund der ausbleibenden Fortschritte mit der Zweckgesellschaft und der aggressiveren Rhetorik aus London und Paris, immerhin zwei Vertragsparteien des Abkommens, wächst in Teheran der Zweifel darüber, ob die EU überhaupt liefern kann. Ali Schamkani, ein einflussreiches Mitglied des iranischen Nationalen Sicherheitsrates, machte in einem Interview klar, dass "Europas Möglichkeit zur Umsetzung ihrer Verpflichtungen unserem Land gegenüber zum Ende gekommen ist" und man sich deshalb die Frage stellen muss, ob Teheran an dem Abkommen weiter festhalten sollte.

In Brüssel sollte dieses Interview als ein Alarmzeichen gewertet werden, da Schamkani ein Moderater ist und das Abkommen stets vor den Hardlinern verteidigt hatte. Wenn er aber nun signalisiert, dass die Zeit für die EU abgelaufen ist, dann sind das schlechte Aussichten für den "Iran-Deal". Hinzu kommt, dass Brüssel keine Ahnung hat, wie es auf die Konferenz in Warschau reagieren soll. Soll man eine offizielle EU-Delegation nach Polen schicken oder sollen die EU-Mitgliedsländer selbst entscheiden, ob sie ihre Vertreter hinschicken? Dieser politische Hickhack offenbart nur einmal mehr, dass Brüssel nicht imstande ist, eine gemeinsame Linie zu fahren. Sollte das Atomabkommen mit dem Iran schließlich daran scheitern, dass die EU nicht in der Lage war, ein wichtiges und komplexes Abkommen auch gegen eine unzuverlässige USA aufrecht zu erhalten, hat die Europäische Union ihr gesamtes diplomatisches Kapital verloren, das sie erst 2015 gewonnen hatte.

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