Meinung

Donald Trump - Der perfekte Sündenbock

US-Präsident Donald Trump schlägt über Twitter oft wild um sich - berechtigt oder unberechtigt - an die Adresse der Medien, gegen Politiker und Regierungen. Aber er ist auch selbst Ziel derartiger Anfeindungen. Für alles, was schief läuft, wird Trump verantwortlich gemacht.
Donald Trump - Der perfekte SündenbockQuelle: AFP © Saul Loeb

von Zlatko Percinic

Es ist diese noch nie dagewesene Art der Kommunikation eines US-Präsidenten, sich über Twitter ständig an die eigene Bevölkerung und die ganze Welt wenden zu wollen, die Trump natürlich auch selbst so angreifbar macht. Während früher jede Rede, jedes Statement und selbst die Körperhaltung bei öffentlichen Auftritten eines Präsidenten sorgfältig vorbereitet und einstudiert wurden, zwitschert der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ungefiltert seine Meinung Tag und Nacht in die Welt hinaus. Dass er auf diese Weise von einem Fettnäpfchen ins nächste tritt, weiß er wohl, denn es gibt genügend Berater um ihn herum, die ihm das Twittern abgewöhnen wollten. Im Buch von Bob Woodward (Furcht: Trump im Weißen Haus) heißt es, dass Trump den Kurznachrichtendienst Twitter als sein "Megafon" in die Welt betrachtet, da die Menschen ansonsten nicht zu hören bekämen, was er eigentlich zu sagen hat.

Ob es sich gehört, dass Regierungschefs über jegliche diplomatische Etikette springen und ihre persönlichen Anwandlungen der Welt mitteilen müssen, sei mal dahingestellt. Aber es bietet auf jeden Fall Angriffsfläche für alle, die mit dieser Meinung nicht einverstanden sind. 140 Zeichen von Regierungsvertretern können enormen Schaden verursachen und ihr eigenes Land oder andere in Bedrängnis bringen. Worte von Staatslenkern können gefährlich sein, und das ist nicht erst seit Donald Trump so.

Das Problem dabei ist, dass sich mittlerweile viele vollends darauf konzentrieren, was gerade getwittert oder auf Facebook gepostet wird, und in dieser Scheinwelt die unbequeme Realität völlig ausklammern. Das gilt ganz besonders für die Vereinigten Staaten, wo sich die Elite - auch ohne Trump - für "außergewöhnlich" und "einzigartig" auf der Welt hält. Schon die christlichen Puritaner, die aufgrund ihres religiösen Extremismus das englische Königreich verließen, um in der "Neuen Welt" ihre Vision der biblischen "Stadt auf dem Hügel" errichten zu können, hielten sich für das "auserwählte Volk". Dieser US-amerikanische Exzeptionalismus ist also keine Erfindung der Moderne, sondern saß bereits auf der Überfahrt mit in der Mayflower.

Dieses Gefühl der Überlegenheit gegenüber allen anderen Nationen wuchs im 20. Jahrhundert beständig, ganz besonders nach der Auflösung der Sowjetunion, als die USA die einzig verbliebene Supermacht auf der Erde waren. Es schien fast so, als ob ihnen nun einfach alle zu Füßen lägen, weit und breit kein Herausforderer mehr. Europa war nur noch ein Schatten seiner historischen Dominanz – was in vielerlei Hinsicht auch heute noch gilt. Der chinesische Drache schlummerte noch in der Verbotenen Stadt, aber umgeben von unerschlossenen natürlichen und menschlichen Ressourcen. Die amerikanische Einzigartigkeit blendete sogar den Monica Lewinsky-Skandal einfach aus, den viele in den USA und weltweit mit einer Mischung aus Ekel und Sensationsgier verfolgten, wie so viele Skandale in God's Own Country.

Und es war diese außergewöhnliche Arroganz der Eliten, denen die "Transformation" des amerikanischen Jahrhunderts zu langsam voranschritt und die deshalb auf ein "katastrophales und katalysierendes Ereignis wie ein neues Pearl Harbor" warteten. Exakt ein Jahr, nachdem diese Worte in dem Pamphlet "Rebuilding Americas Defenses" des Project For a New American Century (PNAC) erschienen waren, hatten die Autoren ihren großen Moment, als in den sonnigen Morgenstunden am 11. September 2001 zwei Flugzeuge in die Zwillingstürme des World Trade Center in New York krachten. Einige Mitglieder des PNAC saßen zu diesem Zeitpunkt in der Regierung von George W. Bush. Und einer von ihnen, John Bolton, ist heute gar nationaler Sicherheitsberater von US-Präsident Trump.

Der 11. September 2001 beschleunigte tatsächlich Transformationen der USA enorm, nur vielleicht nicht so, wie man sich das vorgestellt und auf dem Papier geplant hatte. Voller Rachegelüste stürzte sich Washington enthusiastisch in einen "Krieg gegen den Terror", probehalber zunächst in Afghanistan, wo die US-Armee noch heute, über 17 Jahre später, von einem Sieg träumt. Im Jahr 2002 sahen die Planer im Pentagon und im Weißen Haus solches Debakel allerdings offenbar nicht kommen, ahnten noch nicht, dass auch diese "einzigartige" Supermacht auf dem berüchtigten "Friedhof der Imperien" ihren Meister finden würde. Stattdessen wollte der "Meister der Schneeflocken", Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, unbedingt auch noch "seinen" Krieg gegen den Irak haben. Trotz aller gegenteiliger Indizien und Beweise, dass nämlich Saddam Hussein über keine Massenvernichtungswaffen verfügte, wurde dem Irak das unablässig unterstellt, pochte Rumsfeld auf diesen Krieg. "Die USA können es sich nicht leisten, auf schlüssige Beweise zu warten", meinte er und verglich das damalige Zögern in Europa, sich in seinen Kriegszug einzureihen, mit der englischen und französischen Politik der Beschwichtigung gegenüber den Nazis.

Das Resultat im Irak war wieder das gleiche wie in Afghanistan: Das Regime von Saddam Hussein wurde ebenso schnell wie jenes der Taliban gestürzt, nebenbei ein ganzes Land zerstört, doch den dadurch entfesselten Widerstand konnte die US-Armee nicht mehr so einfach wegbomben. Am Ende hat Washington weder im Irak noch in Afghanistan die langfristigen Ziele erreicht. Schlimmer noch: niemand sah kommen, dass diese Kriege, statt - wie geplant - die amerikanische Macht zu zementieren, am Ende den Niedergang der globalen Hegemonie der Vereinigten Staaten eingeläutet haben. Während sich die USA mit diesen Kriegen beschäftigten und hunderte von Milliarden an US-Dollars buchstäblich in den Sand steckten, drehten sich die Zeiger der Zeit natürlich weiter. Und mit ihr erwachten sowohl der chinesische Drache als auch der russische Bär. Seine Schockstarre nach der Auflösung der Sowjetunion war verflogen.

Dass man in Washington selbst nach über 17 Jahren die Augen vor der Realität in Afghanistan verschließt, zeigt die Weigerung oder Unfähigkeit der Entscheidungsträger und deren Unterstützer zu akzeptieren, dass die US-amerikanische Nation eben nicht "außergewöhnlich" unter all den "einzigartigen" Nationen dieser Erde ist. Solche Attribute verführen leicht zum Wunschglauben, dass man ähnlich den Titanen unverwundbar sei, dass man unermesslich mächtig sei und Niederlagen deswegen vollkommen im Bereich des Unvorstellbaren lägen.

Als Donald Trump mit seinem Versprechen "Make America Great Again" zum Präsidenten gewählt wurde, wollten ihm seine Anhänger das einfach mal glauben. Im Grunde ein ähnliches Phänomen wie bei der Wahl von Barack Obama, als nicht nur die Amerikaner selbst, sondern viele auf der Welt unbedingt daran glauben wollten, dass er es einfach nur noch besser machen könnte als sein Vorgänger George W. Bush: "Yes, we can." Um diesem unbeirrbaren Glauben einen passenden Ausdruck zu verleihen, übergab man ihm als Vorschusslorbeeren gleich noch den Friedensnobelpreis. Hätte man nur vier Jahre oder gar bis zum Ende seiner achtjährigen Amtszeit über solch ehrenvolle Anwartschaft nachgedacht, wäre es vermutlich nicht dazu gekommen.

Über die persönlichen Qualitäten von Donald Trump als Präsident eines der nach wie vor mächtigsten Länder der Welt kann man sicherlich leidenschaftlich streiten. Fakt ist aber, dass er eine neue politische Dynamik entfacht hat. Ob das am Ende gut oder schlecht ist, bleibt abzuwarten. Der weitere Verlauf der Geschichte wird diese Frage eines Tages beantworten. Doch mit seinem eigenwilligen Führungsstil und seinen unentwegten Angriffen auf die sogenannten Mainstreammedien hat er sich - allerdings nicht nur dort - mächtige Feinde geschaffen. Die New York Times veröffentlichte erst jüngst einen Meinungsartikel (Das Volk gegen Donald Trump) von David Leonhardt, der sich unumwunden für die Absetzung von Trump ausspricht.

In diesem Artikel offenbart Leonhardt aber das eigentliche Problem der USA. Er kritisiert Trump (und die Rechten), dass die Interessen der USA zum Wohle persönlicher Vorteile verraten werden. Als Beispiel nennt er den nun angekündigten Truppenabzug aus Syrien. Welchen Vorteil die USA durch eine illegale Besatzung in irgendeinem Land haben, erklärt David Leonhardt dabei natürlich nicht. Das spielt auch gar keine Rolle, wenn wir von den Vereinigten Staaten von Amerika als der "einzigartigen" und "außergewöhnlichen" Nation sprechen. Die dürfen das. Amerika darf ein Land besetzen, egal ob mit oder gegen Bitten der jeweiligen Regierung, ganz einfach, weil es Amerika ist. Das zeigt einmal mehr, dass es eingedenk des Exzeptionalismus letztlich egal ist, wer gerade im Weißen Haus regiert und ob der zu den "Demokraten" oder den "Republikanern" zählt. Sie sind die zwei Seiten derselben Medaille.

Wenn also Trump einen unerhörten Schritt macht, etwa einen Truppenabzug aus Syrien oder Afghanistan ankündigt, die NATO als "obsolet" bezeichnet oder bessere Beziehungen zu Russland haben möchte, dann wird das von hinreichend vielen seiner Gegner umgehend als ein Angriff gegen die Einzigartigkeit der USA gewertet. Durch seinen durchaus kritikwürdigen Stil, seine rassistischen Äußerungen und Handlungen und vor allem wegen seiner Unterstützung für den rechten Rand der Gesellschaft bietet der US-Präsident eine breite Angriffsfläche für eine ganze Reihe wenigstens dafür dankbarer Kritiker aus allen möglichen Richtungen. Damit gefährdet auch er unverändert den eigentlich dringend notwendigen Kurs, die USA zu einer ganz "normalen" Nation innerhalb der Weltgemeinschaft in einer multipolaren Weltordnung zu machen.

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