Meinung

Lee Camp: Ein Mann könnte den Welthunger beenden – wird er aber nicht machen

Ich möchte nicht über Jeff Bezos sprechen. Aber um nicht über Jeff Bezos zu sprechen, muss ich über Jeff Bezos sprechen. Wir alle wissen, dass der Chef von Amazon der reichste Mann der Welt ist. Mit seinem Geld könnte er Millionen und Abermillionen Leben retten.
Lee Camp: Ein Mann könnte den Welthunger beenden – wird er aber nicht machenQuelle: Reuters

von Lee Camp

Jeff Bezos hat einen Nettovermögen von mehr als 150 Milliarden Dollar erreicht, indem er alles verscherbelt, was es je gegeben hat.... und zwar versandkostenfrei. (Es stellte sich also heraus: das Einzige, was die Menschheit bisher davon abhielt, ihr ganzes Geld nur einem Mann zu zahlen, waren wohl diese anderswo lästigen 4,99 US-Dollar Versandkosten.)

Aber an dieser Stelle möchte ich erst einmal innehalten. Selbst die Art und Weise, wie wir über Wirtschaft sprechen, wird von einer kapitalistischen "Kultur" diktiert, die uns lehren will, dass die Anhäufung von Geld die Antwort auf alles sei. Haben Sie bemerkt, dass ich schrieb, Bezos hätte einen Nettowert von 150 Milliarden Dollar "erreicht", und das dies die normale Art zu sein scheint, so etwas zu formulieren? Wie auch immer. Würde man denn sagen: "Jeffrey Dahmer hat es geschafft, die Herzen von 10 verschiedenen Menschen zu essen?" Nein, das würde seltsam klingen. Doch 150 Milliarden Dollar zu "besitzen", ist fast genau solche Art Soziopathie. Und dennoch verwenden wir eine Terminologie, als ob das etwas GROßARTIGES wäre!

Aber - wie gesagt - in dieser Kolumne geht es eigentlich gar nicht um Jeff Bezos. Es geht in Wirklichkeit um sauberes Wasser.

Sauberes Wasser ist eines der wichtigsten Dinge für alle und jeden (nach Nacho-Käse). Doch Millionen auf der ganzen Welt haben kein sauberes Wasser und kämpfen darum, es zu bekommen. Ein Bericht der Vereinten Nationen "schätzt, dass 300 Millionen Menschen auf dem Kontinent [Afrika], mehr als ein Drittel der Bevölkerung, keine sichere Versorgung [mit sauberem Wasser] haben". Etwa 2,5 Milliarden Menschen haben keine angemessene sanitäre Versorgung. Die CDC gibt an, dass täglich 2.200 Kinder an Durchfallerkrankungen sterben - meist aufgrund von verunreinigtem Wasser.

Insgesamt sterben jedes Jahr Millionen von Menschen in Ermangelung von sauberem Wasser. Also: Wie viel würde es kosten, das zu ändern? Ganz einfach: Es würde etwa 10 Milliarden Dollar pro Jahr kosten, um sauberes Wasser in die ganze Welt zu bringen.

Jeff Bezos könnte selbst (wenn Amazon jetzt sein Geschäft beenden würde) die Welt noch für die nächsten 15 Jahre mit sauberem Wasser versorgen.

Er könnte Millionen und Abermillionen Leben retten. Aber anstatt das zu tun, wird er sich weiterhin bereichern, indem er Sex-Spielzeuge in einer Box mit einem Smiley darauf ausliefern lässt.

Aber es geht hier nicht um Jeff Bezos. Es geht um den Hunger in der Welt. Laut UNICEF sterben jeden Tag 22.000 Kinder an den Folgen von Armut, während die Vereinten Nationen im Jahr 2015 schätzten, dass es 30 Milliarden Dollar pro Jahr kosten würde, den Welthunger zu beenden. Stell Dir vor – keine einzige hungrige Seele! Und jetzt der große Schock: Wenn die Menschen keinen Hunger haben, gibt es weniger Verbrechen, weniger Hass, bessere Entscheidungen und so weiter. Hunger korreliert mit allen Arten von irgendwelchem Scheißzeug, was bedeutet, dass wir alle davon profitieren, wenn es keinen Hunger gibt. Denken Sie darüber nach; Sie haben wahrscheinlich Arbeitskollegen, die das Mittagessen verpassen und dann anfangen, Unmut im Büro zu verbreiten. Dann musst Du sagen: "Leslie, ich denke, wenn du nur einen einzigen Taco essen würdest, würdest du aufhören, ständig rumzufluchen." Stellen Sie sich Leslie nun im globalen Maßstab vor.

Jeff Bezos selbst könnte sofort den Welthunger für fünf Jahre lang in Folge beenden. Wenn er sich mit den Brüdern Koch zusammentäte, könnten sie es acht bis zehn Jahre lang schaffen.

Aber Bezos würde das nicht tun. Stattdessen wird er einfach Milliarden von Menschen dazu bringen, ihr eigenes Zuhause mit Amazon Echo-Spionagesysteme zu verwanzen - wenn sie es sich leisten können.

In dieser Kolumne geht es nicht um Jeff Bezos. Es geht um Flint, um die Stadt Flint in Michigan.

Erinnern Sie sich, wie verärgert wir über die Probleme mit dem Wasser in Flint waren? Es wurde mit Blei vergiftet. Das zerstörte das Leben von Menschen, die bereits vorher arm waren. Dann kamen die Behörden zu dem Schluss, dass die Reparatur 216 Millionen Dollar kosten würde, und alle waren entsetzt. Das ist ein irrsinniger Geldbetrag. Wie könnte sich IRGENDEINE Stadt so etwas leisten?!

Jeff Bezos könnte 694 Mal dafür bezahlen, um die Wasserversorgung von Flint zu reparieren.

Er könnte es 690 Mal bezahlen und hat immer noch 864 Millionen Dollar übrig, um für eine Gruppe von Leuten zu bezahlen, die verkleidet wie Marionetten um ihn herumtanzen und Glitzer auf seinen glänzenden kahlen Kopf für den Rest seines verf***ten Lebens streuen. (Also sag nicht, dass es ihn nicht beglücken würde.)

Aber in dieser Kolumne geht es nicht um Jeff Bezos. Es geht um Obdachlosigkeit.

In den USA, einem der reichsten Länder der Welt, gibt es 554.000 Obdachlose. Was würde es kosten, jedem dieser um ihr Dasein ringenden Menschen eine eigene Wohnung zu geben? Neueste Zahlen zeigen, dass die billigsten Wohnungen in Amerika in Wichita (Kansas) angemietet werden können. In Wichita kostet eine Wohnung 632 US-Dollar pro Monat. (In San Francisco entspricht das etwa der monatlichen Stromrechnung für eine Hundehütte.) So summieren sich 632 Dollar pro Monat auf 7.584 Dollar pro Jahr. Die Gesamtkosten, um jedem amerikanischen Obdachlosen eine Wohnung in Wichita zu überlassen, belaufen sich somit auf 4,2 Milliarden Dollar.

Jeff Bezos konnte jedem Obdachlosen der USA für die nächsten 36 Jahre eine eigene Wohnung geben.

Wir reden hier von einem Mann! Aber Jeff Bezos würde das nie tun. Er würde eher jemandem eine Tasche mit 3.000 lebenden Marienkäfern (englisch: ladybugs) zuschieben, der bei Amazon tatsächlich nach "Lady Bugs" aus dem Rodney Dangerfield-Film sucht (der anscheinend als Kinderfilm gedacht war, aber jetzt als Ratgeber wirkt, wie man ein #MeToo-Raubtier wird).

Aber in dieser Kolumne geht es nicht um Jeff Bezos. Es geht um Bildung.

Wenn Leute zur Hochschule gehen und diese am Ende auch ohne einen immensen Schuldenberg wieder verlassen könnten, würde das oft ihr ganzes Leben ändern. Sie könnten bessere Jobs annehmen, sich gesünder ernähren, für eine Familie sorgen. "Laut der American Association of Community Colleges", so sagt diese Quelle, "betragen die durchschnittlichen Kosten für Unterricht und Gebühren für Community College-Studenten in den USA 3.347 $ pro Jahr...". Es dauert in der Regel zwei Jahre, um das Community College zu absolvieren, so dass die Kosten für nur zwei Jahre Ausbildung 6.694 Dollar betragen.

Jeff Bezos könnte die gesamte Community College-Ausbildung von 22,4 Millionen Studenten bezahlen.

Das ist mehr als die gesamte Zahl der Studenten, die in diesem Jahr in unserem Land eingeschrieben sind. Natürlich müssten Sie für Ihre eigenen Bierbongs, Poster von John Belushi im "College"-Pullover, Makkaroni auf dem Boden und Schwangerschaftstests selbst bezahlen. (Aber ich kenne einen Kerl, der dir einen selbstgemachten Schwangerschaftstest für 35 Cent besorgen kann. Er wird aus Alkali-Batterien und Sägemehl hergestellt, aber erkennt ein verdammtes Baby aus einer Meile Entfernung.)

In dieser Rubrik geht es jedoch nicht um Jeff Bezos. Es geht um das System, das Bezos entwickelt hat.

Wenn Sie Bezos morgen aus Amazon kicken und sein ganzes Geld absaugen würden, würde er durch einen anderen, ebenso kranken Hamsterer mit ungeheurem Reichtum ersetzt werden. Das liegt nämlich daran, dass wir ein todkrankes Wirtschaftssystem haben. Betrachten Sie das Ganze einmal aus dieser Perspektive: die Ziele unserer Wirtschaft (und jeder anderen Wirtschaft), so der Gründer der Zeitgeist-Bewegung Peter Joseph (und ich stimme dem zu) sollten sein:

  • Streben nach Überfluss (alle Grundbedürfnisse der Menschen sind erfüllt)
  • Nachhaltigkeit (so kann das System für immer weiterlaufen)
  • Befreiung der Menschheit von schwerer und gefährlicher Arbeit (niemand muss Arbeit verrichten, die er hasst oder die ihn tötet).
  • Anpassung an neue Technologien und Variablen

Das wäre sinnvoll - wir sollten ein nachhaltiges System anstreben, in dem niemand stirbt oder unglücklich ist. Und hier steckt das Problem: der ungezügelte Kapitalismus erhebt nicht einmal den Anspruch, all das anstreben zu wollen. Das Leitbild unserer Wirtschaft ist im Grunde genommen, ".... die Ineffizienz - um des Geldumlaufs, des Wirtschaftswachstums und des Machterhalts willen - zu erhalten."

Profit geht über alles andere. Es spielt keine Rolle, wie viele Menschen in einem Amazon-Lager für einen Cent arbeiten oder sterben. Das. Interessiert. Niemanden.

Es ist also nicht so, dass der Kapitalismus in diesem neuen goldenen Zeitalter versagt. Vielmehr gelingt dem Kapitalismus, was er schon immer tun wollte und sollte: Das ganze Geld in wenigen Händen zu konzentrieren und alle anderen dafür schamlos auszunutzen.

Darum geht es in dieser Kolumne.

Dieser Artikel erschien im Original bei truthdig auf Englisch.

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