Werte und Wirklichkeit in der deutschen Außenpolitik

Pflastersteine auf dem Weg zur Hegemonie. Verdeckte Politik des deutschen Kapitals, seiner Parteien und Regierungen. Wohin steuert die deutsche Außenpolitik seit dem Mauerfall? Wenn es nach unserem Gastautor geht, in eine unheilvolle Zukunft.
Werte und Wirklichkeit in der deutschen Außenpolitik     Quelle: Reuters © Fabrizio Bensch

Prof. Dr. habil. Anton Latzo

Deutsche Politiker unterschiedlicher Couleur und Ideologen verschiedenster Strömungen sind immer wieder bestrebt, Theorien zu produzieren, zu erneuern und zu verbreiten, die darauf hinauslaufen, der Politik des Kapitals – besonders der Außenpolitik – einen "höheren Sinn" zu geben und ihren wahren Charakter zu verdecken. Alle zusammen und jeder Einzelne predigen Werte, "menschliche" Werte, westliche Werte, "unsere" Werte und wollen damit Wert – Mehrwert, Profit, Macht, Expansion – verdeckt produzieren. Das Problem: Daraus entsteht Nährwert für Kriege!

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Adressaten dieser Manipulationen sind sowohl die eigene Bevölkerung als auch die anderen Staaten, in Europa besonders Russland und die ost- und mitteleuropäischen Staaten. Dabei ist nicht zu übersehen, dass die Propaganda im Laufe der Zeit durchaus variiert wird. Entsprechend dem inneren und internationalen Kräfteverhältnis und den konkreten Bedingungen für die Realisierung der imperialistischen Ambitionen, betrieb man bekanntlich "Containment", eine Politik der Stärke, dann "Wandel durch Annäherung" in den 1960er-Jahren, und betreibt man in der Gegenwart "Regime-Change".

Neue Bedingungen – neue Ausrichtung

Für die Zeit nach der Einverleibung der DDR in den territorialen, politischen und gesellschaftlichen Bestand der Bundesrepublik Deutschland formulierte Klaus Kinkel – von 1979 bis Oktober 1998 nacheinander Chef des Geheimdienstes BND, Minister der Justiz, Außenminister und Vizekanzler – die politischen Ziele der Bundesrepublik in der neuen Situation wie folgt: "Zwei Aufgaben gilt es parallel zu meistern: Im Inneren müssen wir wieder zu einem Volk werden, nach außen gilt es etwas zu vollbringen, woran wir zweimal zuvor gescheitert sind (zwei Weltkriege! - A.L.): im Einklang mit unseren Nachbarn zu einer Rolle zu finden, die unseren Wünschen und unserem Potenzial entspricht. Die Rückkehr zur Normalität (Hervorhebungen – A.L.) im Inneren wie nach außen entspricht einem tiefen Wunsch unserer Bevölkerung seit Kriegsende. Sie ist jetzt auch notwendig, wenn wir in der Völkergemeinschaft respektiert bleiben wollen. (…) Unsere Bürger haben begriffen, dass diese Zeit unseres Ausnahmezustandes vorbei ist." (Klaus Kinkel, FAZ, 19. März 1993)                                           

Weltmacht – das alte Ziel

Damit wird mit seltener Offenheit an das Grundanliegen der Außenpolitik des imperialistischen Deutschland angeknüpft. Am Anfang der Herausbildung des deutschen Imperialismus stand die Bildung des Deutschen Reiches durch "Blut und Eisen" (Bismarck).

Kurz nach der "friedlichen" Einverleibung der DDR und der erneut eingeleiteten Alleinherrschaft des Kapitals in Deutschland erklärte Bundeskanzler Helmut Kohl programmatisch: "Deutschland hat mit seiner Geschichte abgeschlossen, es kann sich künftig offen zu seiner Rolle als Weltmacht bekennen und soll diese ausweiten." (Helmut Kohl, erste Regierungserklärung vor dem Bundestag als "gesamtdeutscher" Kanzler am 30. Januar 1991)

Was das heißt, erklärte in einem späteren Interview Maggie Thatcher aufgrund eigener Erfahrung: "Es ist doch klar, ihr Deutschen wollt nicht Deutschland in Europa verankern. Ihr wollt den Rest Europas in Deutschland verankern." (Spiegel, vom 25.10.1993)

Unmittelbar nach 1990 intensivierte die deutsche Regierung ihre Aktivitäten der Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Staaten in Osteuropa und Russland und verstärkte ihre Anstrengungen zur Umgestaltung der EU.

Die Aktivitäten der deutschen Regierung in und gegenüber den Staaten in Osteuropa wurden von einem Heer von Beratern, Stiftungen, deutschen und internationalen NGOs, Wirtschaftsverbänden, staatlichen Organisationen (wie Treuhandanstalt und Gauck-Behörde) flankiert, die direkt bei den Regierungen, den Ministerien, in der Wirtschaft, aber auch in der "Zivilgesellschaft" tätig wurden. Die Felder ihrer Aktivitäten erfassten die Umgestaltung des politischen Systems und der Parteienlandschaft, des Rechtssystems und der Wirtschaft, der Medien und Kultur, die Institutionalisierung des Antikommunismus in Gesellschaft, Staat, Wirtschaft und im geistig-kulturellem Leben.

Die Inhalte der Argumentationen zur Restauration der kapitalistischen Gesellschaft und des privatkapitalistischen Eigentums sowie der dabei getroffenen Maßnahmen waren durch Antikommunismus einerseits und durch die Propagierung von Werten der Wohlstand verheißenden kapitalistischen Gesellschaft andererseits dominiert.

Mit den 1990er-Jahren wird auch die Bundeswehr als Instrument zur Durchsetzung politischer Ziele im Ausland eingesetzt. Ihr erster Einsatz findet 1990 statt. Inzwischen ist es zur Gewohnheit geworden.

Mit der folgenden Teilnahme Deutschlands an der NATO-Aggression gegen Jugoslawien ist deutsches Militär wieder aktiv an Kriegshandlungen gegen einen europäischen Staat beteiligt. Deutschland führte wieder Krieg! (Schon 1991 hat die BRD zur Zerschlagung Jugoslawiens beigetragen, indem sie durch die Anerkennung Kroatiens und Sloweniens als selbständige Staaten die Auflösung der Föderation betrieb.) Der Ausgang des Krieges wurde vom damaligen Außenminister Joschka Fischer als "großer Tag für die Durchsetzung von Gerechtigkeit in Europa" gefeiert. US-Präsident Bill Clinton sprach von einem "Sieg für eine sichere Welt, für unsere demokratischen Werte".

Wieder wurden die "Werte", die "Gerechtigkeit" ins Feld geführt, um zu verschleiern, dass in Wirklichkeit eine militärische Aggression stattgefunden hatte, dass nicht nur die Souveränität und territoriale Integrität eines Staates verletzt worden ist, sondern auch die UNO-Charta und nicht zuletzt das eigene Grundgesetz!

Vor allem werden "Werte" missbraucht, um bewusst eine Moralisierung zu betreiben, die die Anwendung von Gewalt, den Tatbestand der Aggression verdecken soll. Es stellt sich aber die Frage: Um wessen Moral handelt es sich? Denn: Sie predigen Moral und führen Kriege! Für wen? Warum?

Der damalige SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder brüstet sich, er habe die "Enttabuisierung des Militärischen" vollbracht. Das bedeutet in Wirklichkeit: Deutschland beansprucht wieder das "Recht", militärische Mittel einzusetzen, um politische und ökonomische Ziele durchzusetzen! Die Nachkriegsordnung ist zu Grabe getragen! Die auf der Grundlage der Erkenntnisse aus der Vorbereitung zweier Weltkriege durch den deutschen Imperialismus gezogenen Lehren, die sich unter anderen in der Position "Nie wieder Krieg von deutschem Boden" widerspiegelten, wurden ad acta gelegt. Es wurde aber auch deutlich, wozu der Imperialismus fähig und bereit ist, um seine "Werte" durchzusetzen! Und das nennt man Friedenspolitik!

In Wirklichkeit müssen wir feststellen, dass die Regierenden im Interesse des deutschen Kapitals humanistisches Gedankengut missbrauchen, um ihre selbst herbeigeführten Kriege zu rechtfertigen. Gerhard Schröder hat Jahre danach bekanntlich selbst eingestanden, dass die Entscheidung für den Krieg gegen Jugoslawien völkerrechtswidrig war. Aber der Bezug auf Werte zur Begründung beziehungsweise Rechtfertigung kriegerischer Handlungen blieb bis heute erhalten!

Regierende benutzen den Bezug auf die Werte als ideelle sittliche Gesetze, um nicht die wahren Motive für ihre Handlungen erklären zu müssen.

Neue Macht. Neue Verantwortung

Auch in der Folgezeit entwickelt sich die deutsche Außenpolitik in der Hauptrichtung der Durchsetzung des Anspruchs Deutschlands auf den Status einer Weltmacht und der Militarisierung. Die Kluft zwischen dem friedenspolitischen Anspruch, von dem ständig gesprochen wird, und der im Zuge der von Kinkel geforderten "Rückkehr zur Normalität" wird immer größer.

Erneut ist es eine Große Koalition zwischen CDU/CSU und SPD, die die Grenzen für die Entwicklung der Außen- und Sicherheitspolitik der BRD in diesem Sinne erweitert.

In den Verteidigungspolitischen Richtlinien von 2003 (unter Minister Peter Struck, SPD) wurde der Begriff der "Verteidigung" bis zur Unkenntlichkeit ausgeweitet. Verteidigung trage zur Wahrung der Sicherheit der Bundesrepublik bei, "wo immer diese gefährdet ist". (Laut Struck gehört der Hindukusch in Afghanistan dazu.) Es geht also nicht mehr um die Verteidigung der Bundesrepublik (Grundgesetz), auch nicht um EU- oder NATO-Gebiet, sondern um globale Ziele, um "out of area", wie es verharmlosend und vernebelnd genannt wird.

Wegen des "umfassenden Ansatzes zeitgemäßer Sicherheits-und Verteidigungspolitik", wie es in Paragraph 57 der Verteidigungspolitischen Richtlinien von 2003 hieß, ließen sich die künftigen Einsätze der Bundeswehr nicht nur geographisch, sondern auch in ihrer Intensität nicht eingrenzen. Es kommt hinzu: Es heißt ausdrücklich, dass ab jetzt der politische Zweck Ziel, Ort, Dauer und Art eines Einsatzes der Bundeswehr bestimme. Und wer bestimmt diesen?

Triumvirat Politik, Wirtschaft, Militär

Im Jahre 2013 wurde von der Stiftung Wissenschaft und Politik und vom German Marshall Fund die vom Auswärtigen Amt finanzierte strategische Studie "Neue Macht – Neue Verantwortung" erarbeitet. Daran waren außer Fachleuten aus Wissenschaft und Politik auch Vertreter aller im Bundestag vertretenen Parteien, Vertreter aus der Wirtschaft, der Bundeswehr, von sogenannten Denkfabriken, Medien und NGOs beteiligt.

Im September 2013 wurde ein Dokument veröffentlicht, das feststellt: "Deutschlands gewachsene Kraft verleiht ihm heute neue Einflussmöglichkeiten. Auch das ist Anlass für eine Neuvermessung seiner internationalen Beziehungen." (Neue Macht – Neue Verantwortung, SWP/GMF September 2013, S. 30) Damit seien "deutsche Staatsziele" neu definiert worden (S. 5). "Deutschland wird künftig öfter und entschiedener führen" (S. 3) und "eigene Interessen und Werte deutlich artikulieren müssen" (S. 44). Deutschland wolle "die eigene Lebensweise erhalten und schützen" und müsse sich "folglich für eine friedliche und regelbasierte Weltordnung einsetzen; mit allen legitimen Mitteln, die Deutschland zur Verfügung stehen, einschließlich, wo und wenn nötig, den militärischen …". (S. 38)

Wenn gesagt wird, "die eigene Lebensweise erhalten und schützen", und das "wo und wenn nötig" mit militärischen Mitteln, so heißt das doch, dass es nicht (allein) um Schutz des eigenen Landes geht, sondern um Intervention im Ausland, wenn zum Beispiel ein anderes Volk eine andere Lebensweise wählen sollte. Wo bleibt da die Pflicht zur Achtung des Selbstbestimmungsrechts der Völker im allgemein verbindlichen demokratischen Völkerrecht?                                           

Die Völkerrechtsnorm des Selbstbestimmungsrechts der Völker ist ja nicht nur Ausdruck objektiver gesellschaftlicher Prozesse sowie Ergebnis der Vereinbarung zwischen souveränen Staaten. Sie ist ein Prinzip zur Gestaltung der internationalen Beziehungen, ein Prinzip, dessen Gewährleistung von großer Bedeutung für die Entwicklung friedlicher und freundschaftlicher Beziehungen zwischen den Staaten und Völkern ist. Dieses steht in engstem Zusammenhang und allseitiger Wechselwirkung mit den anderen auf Sicherung des Friedens und Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit gerichteten Grundprinzipien. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Selbstbestimmungsrecht und der völkerrechtlichen Gewährleistung der Menschenrechte, zwischen Selbstbestimmungsrecht und dem Recht der Völker auf freie Entscheidung über ihre gesellschaftliche Ordnung, auf ökonomische Unabhängigkeit oder Bildung eines selbständigen Staates und auf freie Entscheidung über die politische Ordnung.

Das Dokument liefert die politische Begründung für eine Außenpolitik, die, durch "Werte" abgedeckt, in Wirklichkeit die Erfordernisse des friedlichen Zusammenlebens der Völker und Staaten verletzt. Deutschland hat im Laufe des 20. Jahrhunderts schon zweimal diese Grundprinzipien verletzt (siehe Kinkel). Die Ergebnisse sind bekannt!

Das Konzept "Neue Macht – Neue Verantwortung" ist politischer Konsens der herrschenden gesellschaftlichen Kräfte in der Bundesrepublik und zu einer konzeptionellen Grundlage der Außenpolitik des Staates geworden. Schon im Koalitionsvertrag der Großen Koalition von 2013 wird versichert, dass sich Deutschland auf diese Weise seiner internationalen Verantwortung stellt. "Wir wollen die globale Ordnung aktiv mitgestalten. Dabei lassen wir uns von den Interessen und Werten unseres Landes leiten", heißt es Koalitionsvertrag (S. 117). Ist es Zufall, dass einerseits die "globale Ordnung" gestaltet werden soll und andererseits dabei die Charta der Vereinten Nationen keine Erwähnung findet, dass dabei allein von "Interessen und Werten unseres Landes" ausgegangen wird?

Antworten darauf lieferte der damalige Bundespräsident Joachim Gauck in seiner Rede zu "Deutschlands Rolle in der Welt" auf der Münchner Sicherheitskonferenz am 31. Januar 2014. Als er auf die rhetorische Frage, ob Deutschland in der Außenpolitik seinem Gewicht entsprechend reagiere, antwortet, dass eine "Weltordnung" angestrebt werde, "die Deutschland erlaubt, Interessen mit grundlegenden Werten zu verbinden. Aus all dem leitet sich Deutschlands wichtigstes außenpolitisches Interesse im 21. Jahrhundert ab: dieses Ordnungsgefüge, dieses System zu erhalten und zukunftsfähig zu machen". "Die Beschwörung des Altbekannten wird künftig nicht ausreichen! (…) Die Bundesrepublik sollte sich als guter Partner früher, entschiedener und substanzieller einbringen. (…) Manchmal kann auch der Einsatz von Soldaten erforderlich sein. (…) Das Prinzip der staatlichen Souveränität und der Grundsatz der Nichteinmischung dürfen gewalttätige Regime nicht unantastbar machen."

Joachim Gauck formulierte aber nicht nur Elitevorstellungen von der neuen Rolle Deutschlands in der Welt. Er griff die Aussagen der sozial und politisch breit zusammengesetzten Projektgruppe "Neue Macht – Neue Verantwortung" teilweise wörtlich auf. Das Konzept hat den Zuspruch des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). In seinen "10 Thesen zur Globalisierung", die im Mai 2013 veröffentlicht wurden, spricht dieser davon, dass "die weltweite wirtschaftliche Verflechtung (…) zu den wichtigsten wirtschaftlichen Erfolgsstrategien Deutschlands (gehört)". "Internationale Wirtschafts- und Finanzkrisen und zunehmender Protektionismus haben allerdings deutlich gezeigt, dass die Globalisierung aktiv gestaltet werden muss." Der BDI fordert "eine freiheitliche internationale Ordnungspolitik". "Die weltweite Zunahme von Direktinvestitionen sowie der Handel mit Waren und Dienstleistungen machen eine globale Ordnungspolitik unverzichtbar." Er fordert direkt zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder auf, wenn formuliert wird: "Die sicherheitspolitische Rückendeckung von Handel und Investitionen muss einhergehen mit dem Aufbau von Institutionen und Rechtstaatlichkeitin anderen Ländern."

Ergänzend dazu wurde vom BDI-Präsidenten Dieter Kempf auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2018 auch darauf hingewiesen, dass sowohl die geopolitischen Veränderungen in Asien und die Politik Russlands als auch der Rückzug der USA eine Bedrohung für das regelbasierte System darstellten. In einem ebenfalls 2013 erschienenen "Grundsatzpapier Sicherheit für das Industrieland Deutschland" fordert der BDI "ein gemeinsames Sicherheitsverständnis und gemeinsame klare Zielvorstellungen von Politik und Industrie" (S. 6). "Sicherheitspolitik hat zwingend auch eine industriepolitische Komponente. Diese gilt es bei der Definition nationaler sicherheitspolitischer Interessen zu berücksichtigen." (S. 17)

Übereinstimmung besteht auch zwischen dem Strategiedokument "Neue Macht – Neue Verantwortung" und dem im Juli 2016 von der Bundesregierung verabschiedeten "Weißbuch der Bundeswehr", dem Leitfaden für sicherheitspolitische Entscheidungen und Handlungen Deutschlands. Auch das Weißbuch wird von dem Standpunkt bestimmt, dass Deutschland angesichts seiner wirtschaftlichen, politischen und militärischen Bedeutung "die globale Ordnung aktiv mitgestalten" sollte. Demnach wird eine Weltmachtpolitik angestrebt, wozu auch der militärische Faktor zur Durchsetzung eigener politischer Ziele im Ausland massiv verstärkt werden soll.

In beiden Dokumenten wird fast gleichlautend von den Interessen und Werten der Bundesrepublik gesprochen. Aber: In beiden Dokumenten fehlt auch das Bekenntnis zum Frieden als grundlegendes Interesse! Gleichzeitig ist festzustellen, dass im vorherigen Weißbuch aus dem Jahr 2006 Russland noch als Partner eingestuft wurde. Jetzt ist es kein Partner mehr, sondern ein Rivale. Auch damit wird die Verdrängung der Elemente der Kooperation durch zunehmende Konfrontation dokumentiert. Von den führenden Militärs und den entsprechenden Strukturen wird diese Orientierung der Außenpolitik, wie sie in "Neue Macht – Neue Verantwortung" vorgegeben wird, aktiv mitgestaltet.

Der gegenwärtige außenpolitische Kurs wird also nicht nur von einer politischen Elite getragen. Dahinter stehen die Ziele und Interessen des deutschen und mit ihm verbundenen internationalen Kapitals. Das Triumvirat aus Wirtschaft, Politik und Militär ist wieder bestimmend für die außenpolitische Ausrichtung des deutschen Staates! Es geht darum, eine "neue Weltordnung" zu schaffen, in der Deutschland als Weltmacht agieren und sein Potenzial als wirtschaftliche, politische und militärische Großmacht bestimmend und weltweit zur Geltung bringen kann. Die "deutsche Frage" ist wieder aufgetaucht!

Der ehemalige Außenminister und jetzige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat auf der Münchener Sicherheitskonferenz als Credo der Außenpolitik der damaligen Großen Koalition formuliert: "Deutschland ist eigentlich zu groß, um Weltpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren". Zwar sagte Steinmeier: "Der Einsatz von Militär ist ein äußerstes Mittel." Aber sagte damit auch, Militär ist (wieder) ein Mittel!  Im Koalitionsvertrag 2018 heißt es: "Die Bundeswehr bleibt, wie im Weißbuch 2016 dargelegt, ein unverzichtbarer Bestandteil deutscher Sicherheitspolitik." Das ist konzeptionelle Grundlage auch für die Koalitionsvereinbarung der jetzigen Regierung der Großen Koalition.

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