Meinung

Paris und Berlin eröffnen neue Phase in den Beziehungen zwischen EU und Russland

Die EU und Russland: Von der Konfrontation wieder zu einer allmählichen Annäherung? Fast alle EU-Staaten scheinen einen Neustart in den Beziehungen zu Russland anzustreben. Motiviert wird dies vor allem durch eine zunehmende Entfremdung mit den USA.
Paris und Berlin eröffnen neue Phase in den Beziehungen zwischen EU und RusslandQuelle: AFP

von Dr. Gasanov

Es scheint, dass die Beziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union in eine neue Phase treten könnten, von einer Konfrontation zu einer allmählichen Annäherung. Sie befinden sich etwa auf dem Niveau, auf dem sich derzeit die amerikanisch-türkischen Beziehungen befinden.

Das sogenannte „ukrainische Problem“, die "Annexion" der Krim und die Unabhängigkeit des Donbass, bleibt der Hauptfaktor für die bestehende Krise und die Sanktionen. Aber der “Trump-Faktor” verändert schrittweise die Spielregeln. Die Europäische Union, die sich von Washington zunächst  im Kampf gegen die "Aggression" unterstützt sah, betrachtet die Beziehungen diesbezüglich mittlerweile als gestört oder gar bedroht.

Ende August haben die Regierungen Frankreichs und Deutschlands wichtige Erklärungen darüber abgegeben, wie sich Europa zwischen den USA und Russland positionieren sollte.

Die EU sollte auf die Sanktionen der USA gegen Russland, die Türkei, China und den Iran "reagieren", sagte der deutsche Außenminister Heiko Maas. Und außerdem hat der französische Präsident Emmanuel Macron die Notwendigkeit einer "Erneuerung der Beziehungen zu Russland" erklärt.

"Wir sind an einer strategischen Partnerschaft, auch im Verteidigungsbereich, mit unseren nächsten Nachbarn interessiert", sagte Macron bei einem Treffen mit seinem finnischen Amtskollegen.

So beabsichtigen Paris und Berlin, Europa von "amerikanischer Abhängigkeit" im Bereich der Verteidigung und Sicherheit zu befreien, die für die EU nachteiligen amerikanischen Wirtschaftsmaßnahmen gegen Drittstaaten zu bekämpfen und vor allem die Beziehungen zu Russland neu zu beleben.

Der Sanktions- und Zollkrieg der USA - der erste vom Kongress initiiert, der zweite von Donald Trump - führt zu Milliardenverlusten für europäische Unternehmen. Die gewaltigen Energieprojekte der EU mit dem Iran - "South Pars" und mit Russland - "Nord Stream-2" sind entweder gescheitert oder kurz davor. Erst kürzlich kündigten zwei Teilnehmer des Projekts  “Nord Stream-2”, die französische  Engie und die deutsche Uniper, einen möglichen Rückzug aus dem Projekt an. Verluste aus US-Sanktionen würden ihnen mehr finanziellen Schaden zufügen, als sich jetzt einfach noch vom Projekt dieser zweiten Gaspipeline unter der Ostsee zu verabschieden.

Die Ziele der USA sind klar. Es ist nützlich für sie, Nord Stream-2 zu durchkreuzen, die Erweiterung der russischen Gasexporte nach Europa zu stoppen und den Zutritt des Iran zum europäischen Markt zu verhindern. Parallel dazu wird der finanzielle Druck auf die Türkei erhöht, womöglich um Recep Erdogan zu stürzen und so den "Turkish Stream" zu bremsen. Alles allein deswegen, um amerikanisches Flüssiggas (LNG) auf den europäischen und chinesischen Markt zu bringen und russisches Gas von dort zu verdrängen. Der Einflussfaktor Gas widerspiegelt sich auch in der Ukrainekrise. Kürzlich hat Trumps Berater John Bolton die Gasproduktion in der Ukraine mit Unterstützung amerikanischer Firmen angekündigt.

Angesichts der Verluste und Schäden durch die jüngsten Aktionen der USA müssen die EU und Russland zweckmäßigerweise gegenseitige Zugeständnisse machen, sollten den "Trump-Faktor" nutzbringend einsetzen. In der Ukraine könnte zum Beispiel die Präsenz von russischen und europäischen Friedenstruppen an der Kontaktlinie: die Russen von der Donbass-Seite, die EU von der ukrainischen Seite, ein akzeptabler Kompromiss werden. Der Status des Donbass sollte ein Gegenstand in der nächsten Phase der Verhandlungen sein, in deren Verlauf es zweckmäßig und notwendig wäre, die gegenseitigen Sanktionen Schritt für Schritt abzuschaffen. Und die Frage der Krim sollte ausgeklammert bleiben.

Der zweite kontroverse Punkt in den russisch-europäischen Beziehungen ist Syrien, der ist jedoch vielleicht weniger bedeutsam als die Ukraine. Macron hat kürzlich mit Luftangriffen gedroht, falls Baschar al-Assad bei der Offensive gegen Islamisten in Idlib chemische Waffen verwendet. Die EU weigert sich auch, sich am Wiederaufbau in Syrien finanziell zu beteiligen. Aber auch hier ist ein Kompromiss möglich. Die Frage nach dem Verbleib von Präsident Assad muss ausgeklammert werden, bis der Krieg vorbei ist. Die EU könnte und sollte dem Astana-Format unter Beteiligung von Russland, dem Iran und der Türkei als einem NATO-Land  beitreten und zum Wiederaufbau in den Deeskalationszonen beitragen.  Andernfalls erwartet die EU eine komplette Niederlage und Verdrängung aus Syrien, worauf der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian zu Recht am 2. September hingewiesen hat.

Assad hat den Krieg gewonnen“, sagte Le Drian dem Radiosender France Inter.

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Das obige Szenario für eine Überwindung der Widersprüche in Bezug auf die Ukraine und auf Syrien erscheint zwar optimistisch. Die Verluste für alle Seiten, sowohl in finanzieller als auch in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht angesichts der Aktivitäten und Entscheidungen des Weißen Hauses und des Kongresses in den USA, sind jedoch ein ernsthaftes Argument, um von einer derzeitigen Pattsituation  durch die vorsichtige Wiederbelebung der Beziehungen zu einer neuen Partnerschaft zu gelangen.

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