Meinung

Britischer Parlamentarier: Merkels prorussische Politik führt zum Niedergang der deutschen Kultur

Der britische Parlamentsabgeordnete Thomas Tugendhat wirft der deutschen Bundeskanzlerin in der Financial Times vor, eine prorussische Politik zu betreiben und damit einen Beitrag zur "Zerlegung" nicht nur Deutschlands, sondern des gesamten Westens durch Russland zu leisten.
Britischer Parlamentarier: Merkels prorussische Politik führt zum Niedergang der deutschen KulturQuelle: AFP © Daniel LEAL-OLIVAS

von Zlatko Percinic

Es ist ein merkwürdiger Vorwurf, den Thomas Tugendhat in der Financial Times gegenüber Deutschland geäußert hat. Dass ausgerechnet ein Brite mit jüdisch-österreichischen Wurzeln Bundeskanzlerin Angela Merkel vorwirft, durch ihre Politik zum Niedergang der deutschen Kultur beizutragen, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Und Tugendhat ist jetzt nicht gerade eine unbekannte Person auf der Insel. Als Sohn von Michael Tugendhat, der Richter am Obersten Gericht von England und Wales ist, und Neffe von Baron Christopher Tugendhat wuchs Thomas in einer elitären Gesellschaft auf. Seine Frau Alissia ist Französin und stammt ebenfalls aus einer prominenten Juristenfamilie. Ihr Vater ist Diplomat und Vorsitzender der OSZE-Mediation für den Ukrainekonflikt.

Abgesehen davon ist Thomas Tugendhat seit 2015 Mitglied des britischen Parlaments und gilt als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge von Premierministerin Theresa May. Er ist auch Vorsitzender des außenpolitischen Komitees des Parlaments, das die Arbeit des Außenministeriums überwacht. Also ein durchaus einflussreicher Politiker der jüngeren Generation, der Ambitionen auf das Amt des Premier-, Außen- oder Verteidigungsministers hegt.

Und dieser junge "aufsteigende Star" der britischen Konservativen Partei (oder auch Tories genannt) sieht in Russland ganz offensichtlich eine Bedrohung für ganz Europa. In seiner Rolle als Vorsitzender des außenpolitischen Komitees ist er in der Lage, die öffentliche Debatte und damit in gewisser Weise zwar vielleicht nicht die Politik Großbritanniens zu beeinflussen, aber doch die Stimmung anzuheizen. Und das tut er immer wieder. Als der britisch-russische Doppelagent Sergej Skripal und seine Tochter Julia in Salisbury mit einem hochtoxischen Nervengift in Berührung kamen und der Schuldige sofort im Kreml verortet wurde, meinte Tugendhat, dass, "wenn es nicht ein Akt des Krieges war (…), dann sicherlich ein kriegsähnlicher Akt der Russischen Föderation".

In diesem Geiste verfasste er auch seinen Meinungsartikel bei der Financial Times. Darin wirft er Russland vor, durch die Energiepolitik eine "absichtliche und vorsichtige Zerlegung des Westens" zu betreiben. Wenn die Gaspipeline Nord Stream 2 gebaut werde, würde Russland die Sicherheitsstruktur Osteuropas ins Wanken bringen und Staaten wie Polen, Ungarn, die Tschechische Republik, die Slowakei und die Ukraine gefährden, indem Moskau "eines nach dem anderen zerreißen" würde. Der Grund für diese Annahme ist laut dem britischen Parlamentarier, dass die Sicherheit dieser Gastransitländer im beiderseitigen Interesse liege, und wenn die Notwendigkeit dieser Sicherheit erst einmal wegfalle, diese Länder eben für Moskau leichte Beute darstellten.

Dass diese vermeintliche Strategie Russlands tatsächlich funktioniert, will Tugendhat auch daran erkennen, dass die österreichische Außenministerin Karin Kneissl den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu ihrer Hochzeit eingeladen hatte. Von einem "Unterwerfungsakt" ist in einem Artikel der Welt die Rede. Genauso sieht man die Dinge wohl auch in London. Aber auch das kurzfristig anberaumte Treffen zwischen Angela Merkel und Putin in Berlin wird wohl als Zeichen dafür gewertet, dass die Ordnung in Europa seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr länger gültig ist.

"Und weshalb erlaubt Berlin, dass es vom eigenen Hinterland aus in Scheiben geschnitten wird?", fragt Tugendhat und liefert auch gleich eine Antwort:

Es gibt in Deutschland einen langjährigen und romantischen Bezug zu Russland, insbesondere in linken Kreisen. An Willy Brandts Ostpolitik wird immer noch liebevoll gedacht und der ehemalige Kanzler Gerhard Schröder ist ein enger Bekannter von Putin. Auch die deutsche Industrie profitiert vom Handel mit Russland.

Damit zeigt der Vorsitzende des parlamentarischen außenpolitischen Komitees Großbritanniens ein großes Maß an Chuzpe. Er impliziert, dass die Außenhandelsbeziehungen zwischen Deutschland und Russland etwas Schlechtes sei, während sein Land krampfhaft versucht, den Zugang zum EU-Markt nicht zu verlieren, und dabei auch im Jahr 2017 Waren im Wert von 515 Milliarden US-Dollar nach Russland exportiert hat. Aber auch die Begründung, Deutschland habe einen "langjährigen und romantischen Bezug" zu Russland, ist doch ziemlich weit hergeholt. Willy Brands Ostpolitik basierte nicht auf irgendeinem romantischen Bezug zu Moskau, sondern auf einer realpolitischen Einschätzung der Lage und auch auf der Antwort auf die Frage, was das Beste für die nationale Sicherheit Deutschlands sei. Und dabei stand ein Konflikt mit Russland bzw. der Sowjetunion ganz sicher nicht auf der Wunschliste.

Aber dann aus der derzeitigen Russlandpolitik Angela Merkels, die alles andere als prorussisch ist, eine Analogie zum Niedergang der Wikinger zu spinnen und damit den Niedergang der deutschen Kultur heraufzubeschwören, ist dann doch zu viel des Guten. Vielleicht sollten sich Tom Tugendhat und seine ähnlich denkenden Kollegen darauf besinnen, was die Gründe für den Niedergang des britischen Imperiums waren, und daraus Lehren für die Zukunft ziehen.

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