Meinung

"Alles Nazis" - Deutscher Mainstream bläst mit perfiden Methoden zum Angriff auf den Sozialstaat

Innerhalb weniger Tage sind diverse Artikel erschienen, die derselben perfiden Argumentation folgen: Offene Grenzen vertragen sich nicht mit dem Sozialstaat - also weg mit dem Sozialstaat! Links- und Rechtsliberale haben endlich einen gemeinsamen Feind.
"Alles Nazis" - Deutscher Mainstream bläst mit perfiden Methoden zum Angriff auf den SozialstaatQuelle: Reuters

von Florian Warweg

Eingeleitet wurde die mediale Kampagne à la "Sozialstaat ist voll Nazi" von Spiegel-Online-Kolumnist Jakob Augstein in seiner Kolumne "Ein deutscher Traum".

Schon im Untertitel heißt es:

Durch Einwanderung könnte Deutschland zum neuen, besseren Amerika werden. Wir müssten uns nur von lieben Gewohnheiten verabschieden - zum Beispiel vom Sozialstaat, wie wir ihn kennen.

Wer jetzt denkt, gut, dass ist nur der überzogene Anreißer, den belehrt Multimillionär Augstein schnell eines Besseren. Weiter heißt es im Artikel:

"[…] Für das Einwanderungsland Deutschland ist das eine Schicksalsfrage. Auf der politischen Rechten ist sie schnell beantwortet. Weil man dort keine Einwanderung will, finden sich plötzlich ungeahnte Verteidiger des Sozialstaats.

Aber man kann das Argument auch umdrehen und den Rechten recht geben: Weil sich die Einwanderung nicht mit dem bisherigen Sozialstaat verträgt, entscheiden wir uns für die Einwanderung und für einen anderen Sozialstaat. Das lässt sich moralisch begründen: Wenn der Preis für unseren Sozialstaat die Toten im Mittelmeer sind, ist er es nicht wert. Wenn der Preis die Versklavten in den libyschen Lagern sind, ist der Preis zu hoch.

Der bessere Grund ist eine andere Idee von Deutschland: ein neuer 'Schmelztiegel', in dem Menschen aus Europa, dem Nahen Osten und Afrika gemeinsam eine neue Nation erschaffen."

Mit keinem Wort geht das (pseudo)-linke Feigenblatt des neoliberal durchwobenen Spiegel in seinem Traum eines Deutschlands mit offenen Grenzen, aber ohne Sozialstaat, auf die Fluchtursachen ein: die vom Westen und den verbündeten absolutistischen Golfmonarchien finanzierte Destabilisierung Syriens, das Zerbomben eines funktionieren libyschen Staates zurück in die Stammes-Anarchie und die damit einhergehende Waffenschwemme in der Region, mit fatalen Folgen insbesondere für Westafrika, Stichwort Mali.

Wie schon Jens Berger auf den NachDenkSeiten treffend darlegte, träumt Augstein seinen "deutschen Traum" in einer Wohlstandsblase, an der auch in der Bundesrepublik nur wenige teilhaben, und verkennt dabei, dass niemand freiwillig flieht und es von extremer Egozentrik zeugt, wenn man die Flucht anderer Menschen zu seinem eigenen linksliberalen Traum verklärt.

Wenn man aus progressiver Sicht einen Traum haben kann, dann doch wohl den, dass kein Mensch mehr gezwungen ist, aus politischen oder ökonomischen Gründen seine Heimat zu verlassen", so Berger in seiner Replik.

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Augstein wird in seiner mit linken Floskeln übertünchten neoliberalen Fantasie aber noch deutlicher. In einem an seine Kolumne anschließenden Videogespräch mit seinem Kolumnen-Kollegen Fleischhauer schiebt er nach, dass "man sich nichts vormachen" solle, es ginge "natürlich um einen Abbau der Standards". Die Reste des bundesdeutschen Sozialstaats nennt er in diesem Gespräch bezeichnender Weise "Luxusaltenheim Deutschland, in dem betreutes Wohnen für alle gilt" – das "wird dann [nach der Öffnung der Grenzen für alle] natürlich nicht mehr funktionieren", so Augstein weiter, um dann abzuschließen: "Aber dieses Luxusaltenheim Deutschland muss ohnehin bald die Pforten schließen, da niemand da ist, der es bezahlt", so der Kolumnist und Verleger mit einem sorgenfreien Kontostand.

Wenige Tage später greift die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) das Thema mit dem ebenso vielsagenden Titel "Nationalsoziale Alternative" auf. Wie für Augstein sind auch beim erklärten Transatlantiker Rainer Hank das Vorbild die USA. Hier jedoch verbunden mit einem ganz besonderen Maß an Geschichtsvergessenheit und Zynismus:

Man kann offene Grenzen haben oder einen üppigen Wohlfahrtsstaat, aber keinesfalls beides zusammen, das war dem Chicagoer Ökonomen Milton Friedman schon 1978 bewusst. Amerika hat sich für viel Einwanderung entschieden, nimmt dafür aber weniger Sozialstaat in Kauf.

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Der FAS-Ressortleiter Wirtschaft, versucht tatsächlich zu argumentieren, die USA hätten bewusst auf den Aufbau eines Sozialstaates verzichtet, mit dem Ziel, so möglichst viel Einwanderung zu ermöglichen. Wer sich auch nur oberflächlich mit der historischen und gesellschaftlichen Entwicklung der Vereinigten Staaten beschäftigt hat, weiß, dass das weitestgehende Fehlen eines sozialstaatlichen Modells in den USA ganz andere Gründe hatte. Die vom Autor behaupteten "offenen Grenzen" sind reiner Zynismus angesichts der Tausenden toten Zentralamerikaner, die beim Versuch, die Grenzanlagen zwischen Mexiko und den USA zu überwinden, ihr Leben ließen.

Noch perfider werden seine Ausführungen, wenn er versucht, die angekündigte linke Sammlungsbewegung um Sahra Wagenknecht mit direkten Nazi-Vergleichen zu diffamieren. Weil Wagenknecht die von Hank bevorzugte US-Fixierung ablehnt und lieber den Sozialstaat bewahren als die Grenzen für alle öffnen will, fährt der FAS-Ressortleiter schweres verbales Geschütz auf:

Ihre Wurzeln hat sie [die linke Sammelbewegung Wagenknechts] in Deutschland im sogenannten Tat-Kreis der Dreißigerjahre und beim linken Flügel der NSDAP, die sich das Ziel eines deutschen Sozialismus auf die Fahnen geschrieben haben.

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Fazit: Wer nicht einsieht, dass der neoliberale globale Kapitalismus das einzig Wahre ist, ist entweder dogmatischer Linkspopulist oder Faschist.

Willkommen in der totalitär-neoliberalen Welt der Hanks und Augsteins …

... aber es gibt Hoffnung:

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