Russlands Spiele und die Qualitätsmedien (XIV) – Спасибо! You were just GREAT!

Fußballweltmeisterschaft – und das auch noch in Russland! Diese explosive Mischung, kurz "Putins Spiele" genannt, versetzt die deutschen Qualitätsmedien in strudelnde Erregung. – Ein kontinuierlicher genauerer Blick auf Berichterstattung und Kommentare.
Russlands Spiele und die Qualitätsmedien (XIV) – Спасибо! You were just GREAT!Quelle: Reuters © Kai Pfaffenbach

von Leo Ensel

Liebe Qualitätsmedien, die WM in Russland ist zu Ende und es wird Zeit, mich bei Ihnen zu bedanken!

Reden wir nicht groß drum rum: Ihnen verdanke ich es in erster Linie, dass ich während der WM einen richtig dicken Batzen Geld einsacken konnte! Den Kapriolen der Dialektik können wir uns ja alle nicht entziehen: Sie leben von der Russland-, will sagen: Putin-Kritik – und ich von der Kritik der Russlandkritik! Und niemand von uns ist die heilige Mutter Theresia des Russlandjournalismus. Alle machen wir es für Geld. Zusammen bilden wir eine Symbiose, ein großartiges buntes Russlandbiotop. Bleiben Sie uns, bleiben Sie mir daher bitte erhalten, Sie werden gebraucht! Es gibt ja auch noch einen Journalismus jenseits der Weltmeisterschaft.

Alle von Ihnen haben zum Gesamtkunstwerk der WM-Berichterstattung beigetragen, aber es gibt einige herausragende Köpfe, denen ich hier meinen Dank persönlich abstatten möchte.

Die Geschichten vom Herrn K.

Da ist zunächst ein bienenfleißiger talentierter junger Mann, dessen hinreißende "Geschichten vom Herrn K." während der letzten vier Wochen eine besonders reichhaltige Fundgrube für meine Kolumnen darstellten. Er war ein emsiger Sammler. Die geforderte tägliche Stecknadel in den bunten russischen WM-Luftballon hat er stets zuverlässig und vermutlich zur vollen Zufriedenheit seines Auftraggebers geliefert. Nie versäumte er es, eine meist fragwürdige 200-Zeichen-Meldung zu einer 2.000-Zeichen-Kurzkolumne aufzublasen. Obendrein hatte er niemals Angst vorm Tagesdreck: Jeden Furz, der noch auf der Halbinsel Kamtschatka im Fernsten Osten gelassen wurde, nahm er dankbar in Empfang, um damit gegen die gesamte WM in Russland anzustinken!

Immer wieder beeindruckte mich seine höchst originelle Art, zu argumentieren. Stets schaffte er es, auch noch das Disparateste zusammenzuhäkeln! Unvergessen, wie er zwei WM-Siege der russischen Sbornaja mit drei Pleiten in der russischen Premjer Liga verrechnete. Genial, wie es ihm gelang, den kroatischen Nationalspieler Domagoj Vida, der nach dem Viertelfinalsieg seiner Mannschaft über Russland mehrfach "Ruhm der Ukraine!" in die Kameras gerufen hatte und dafür von der FIFA verwarnt worden war, auch noch zum Opferlamm zu stilisieren. Diese imposante Inversion der Fakten hatte schon fast Trumpsches Format!

Herrn K.s Kolumnen werden, da bin ich mir sicher, in einem künftigen Wälzer "Wissenschaft der Logik" das Kapitel "Kreative Privatlogik" als Musterbeispiele zieren! Durch Sie habe ich gelernt, dass es mittlerweile nicht nur alternative Fakten, sondern auch eine "alternative Logik" gibt. Machen Sie weiter, aber – bitte! – optimieren Sie von Sankt Petersburg aus noch etwas Ihre Kenntnisse in russischer Geografie!

Weiter gehts. Frau Hebel, Sie haben es vorausgeahnt: Punktgenau zum Start der WM kannten Sie bereits den Weltmeister! Ich bewundere Ihre visionäre Kraft. Aber, unter uns: Wer ist es denn jetzt? Putin oder Frankreich? Wollen Sie uns das bei Gelegenheit noch mitteilen?

Aber abgesehen davon – welch wundersame Verwandlung, liebe Frau Hebel, hat sich mit Ihnen im letzten Monat ereignet! Von der Hooligan-Versteherin zur weitgehend sachlichen Porträtistin der vielfältigen Gesichter Russlands. Was ist geschehen? Hat der Zauber des russischen Sommermärchens auf Sie abgefärbt? Oder liegt es daran, dass Herr K. jetzt die Rolle des täglichen Bad Cop übernommen hat? Sie wirken jedenfalls wie befreit! Bitte weiter so. Es gibt - Sie haben es ja gerade erfahren - in den Weiten Russlands eine Menge Themen jenseits von Hooligan-Verstehertum und Putin-Bashing!

Dachte ich. Jedenfalls bis zum Samstag. Da musste ich nämlich betrübt feststellen, dass Sie doch wieder einen Rückfall erlitten haben! In Ihrem Porträt der Kosaken bei Rostow am Don konnten Sie sich den obligatorischen Putin-Bezug im Titel mal wieder nicht verkneifen. Hoffen wir, dass es nur ein Ausrutscher war!

Kognitive Konsonanz

Liebe Frau Bota von der Zeit, ich hoffe, Sie haben nach dieser schweren Moskauer Zeit zu Ihrem inneren Gleichgewicht, will sagen: Ihrer "kognitiven Konsonanz", zurückgefunden! Wenn ich Ihnen einen Tipp zur weiteren Rekonvaleszenz geben darf: Laden Sie doch mal Ihre russischen Kolleginnen in ein schönes Moskauer Mittelklasse-Restaurant zum Abendessen ein. Sehr empfehlen kann ich das "U Pirosmani" gegenüber dem Neujungfrauenkloster. Können Sie sich leisten! Und Ihre Kolleginnen mindestens alle zwei Monate auch. So gestärkt, werden Sie demnächst dann wieder guter Dinge in die Ostukraine reisen können.

By the way, Zeit Online: Herr Dobbert, die Fastenzeit ist zu Ende! Sie können mit Ihrer einsamen Fußballaskese aufhören. Aber, wie immer nach dem Fasten, bitte erst mal in kleinen Portionen wieder anfangen! Jeden Samstag Bundesliga reicht fürs Erste. Ist zwar deutlich vorhersagbarer als die WM, aber immerhin.

Sehr geehrte oberschlaue taz! Sie haben ganz mainstreamlike ebenfalls von "Putins Spielen" geschrieben und im selben Sinne berichtet, was ja auch nicht weiter überrascht: Sie sind halt der alternative Mainstream. Halten Sie sich weiterhin auf der richtigen Seite, da sind Sie immer richtig! Über Kontakte zu Amnesty, den Grünen und Heinrich Böll verfügen Sie ja en gros. – "Wer nichts ist und wer nichts kann/gibt mit seinen Werten an!“ Weiß auch nicht, was es bedeuten soll, dass dieses Liedchen aus uralten Zeiten mir nicht aus dem Sinn ging – die seltenen Male, die ich in Ihrem Blättchen blätterte...

Noch nicht mal falsch!

Und liebe ARD, wenn Sie nach der Sendung vom 10. Juli wütende Mails wegen angeblicher Hetze, Russophobie oder den Drohnen bekommen haben sollten – bitte nicht aufregen, ich sehe das völlig anders. Das, was die Kollegen von der Sportschau dort abließen, war in meinen Augen noch nicht einmal falsch! Weil es nämlich überhaupt nichts Identifizierbares aussagte! Die hitzigen Russlandanmerkungen von Bommes und Hitzlsperger waren schlicht vom selben Kaliber wie der Ausblick von Hannes Wolf auf die nächste WM in Katar: "Mal gucken, wie es dann ist. Ob der Fußball dann wieder gewinnt und man trotzdem dasitzt und es guckt!" Und dem kann man doch wirklich nur beipflichten – oder?

Dagegen waren die Filmbeiträge von Herrn Sohmer wirklich demagogische Meisterwerke – wenn ich auch stark bezweifele, dass er jemals das Niveau seines großen Vorbilds, dessen Name mit G. anfängt, auch nur annähernd erreichen wird! (So elegant, wie Heiner Geißler es vermutlich geschafft hätte, kann er Infantino und Putin eben doch nicht geißeln.) Herr Leufers freilich sollte noch fleißig üben, bevor er das nächste Mal wieder anderthalb Minuten in den Tagesthemen etwas gegen die FIFA, will sagen: Wladimir Putin, aufsagen darf.

Zum Schluss möchte ich nach langem Schweigen doch noch dem unbestrittenen Star der Szene, dem Griezmann der Russlandkritik, meine Aufwartung machen. Ich spreche natürlich von Herrn X., der am russischen Präsidenten so treu hängt wie ein enttäuschter Liebhaber an seinem Objekt. Lieber Herr X., Ihr originelles Putin-Würfelspiel, das Sie in deutschen Regionalzeitungen verbreiteten, wurde in dieser Serie nicht verrissen. Denn erstens hat Stefan Korinth das bereits kompetent erledigt und zweitens gibt es für mich Texte, die ich noch nicht mal ignoriere! Schuster sollten halt bei ihren Leisten bleiben. Gehen Sie doch zur Entspannung lieber mal ab und zu reiten!

Summa summarum: Liebe Qualitätsmedien, Sie sind nicht meine Feinde, Sie sind nicht meine Gegner, eigentlich noch nicht mal meine Kontrahenten, Konkurrenten schon gar nicht – für unser Verhältnis gilt dialektischerweise dasselbe, was der Kreml kürzlich über sein Verhältnis zu Donald Trump verlauten ließ: Sie sind meine Partner! In diesem Sinne:

Большое спасибо! You were just GREAT!!

Молодцы! (auf Deutsch: Prachtkerl*innen)

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