Meinung

Der US-Botschafter Grenell in Berlin - Ein diplomatischer Hammerschlag

US-Botschafter Grenell hat durch sein Interview mit dem rechtspopulistischen Portal "Breitbart" einen beispiellosen Sturm in Politik und Medien entfacht.  Die Empörung war gerechtfertigt, die Kritik notwendig. Ein Kommentar von Ex-Botschafter Frank Elbe.
Der US-Botschafter Grenell in Berlin - Ein diplomatischer HammerschlagQuelle: Reuters

von Botschafter a.D. Frank Elbe

 

Die Empörung über den neuen US-Botschafter war gerechtfertigt - dennoch scheint mir, dass der Aufschrei sich mehr auf die Person des Botschafters konzentriert als auf seine politische Absicht. Natürlich ist es skandalös, wenn ein Diplomat sich in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einmischt. Man darf ihn belehren, welche Grenzen ihm durch die Wiener Konvention über diplomatische Beziehungen auferlegt sind. Man darf ihn auch sonst kräftig in den Senkel stellen.

Aber es sollte etwas sehr Wesentliches nicht übersehen werden: die Auseinandersetzung mit seiner Botschaft und die Klärung, in welchem Umfang Washington seine Ausführungen deckt.

Botschafter Grenell ist in seinem Interview überdeutlich: Die Wahl Trumps  habe "die Menschen befähigt zu sagen, dass wir es einfach nicht zulassen können, dass die politische Klasse bei Wahlen entscheidet, wer diese gewinnt und wer kandidiert", und er wolle "unbedingt andere Konservative in ganz Europa stärken".

Was meint er damit? Will er Europa in eine gigantische Teeparty verwandeln? Grenell sollte sehr schnell lernen: Die USA üben keine Lehnsherrschaft über Europa aus.

Und wir sind nicht ihre Vasallen. Aber wie denken die USA über die Zukunft ihrer Beziehungen zu Europa?

Wir sind seit Jahrzehnten loyale, selbstbewusste und souveräne Partner der USA. Wir haben gemeinsam mit den Vereinigten Staaten vor 30 Jahren die größte Wende in Europa vollbracht, nämlich die Beendigung des Kalten Krieges – ohne nur einen einzigen Schuss abzufeuern. Wir haben konsequent, beharrlich und erfolgreich die politischen Prinzipien der NATO eingehalten: Es ist das höchste Ziel der atlantischen Allianz, einen Zustand des Friedens in Europa zu schaffen.

Den Charta von Paris 1990 eröffnete die Chance zu einer fundamentalen Neuordnung Europas. Vor uns lag die Aussicht auf eine umspannende Zusammenarbeit in einem Gebiet von Vancouver bis Wladiwostok. Entsprechend war auch die Euphorie und Erwartung, selbst in den USA. Francis Fukuyama sprach sogar vom Ende der Geschichte.

Der diplomatische Ausfall Grenells macht deutlich, dass eine politische Diskussion mit Washington überfällig ist. Sie hat der Frage zu gelten, ob die USA diesen Weg überhaupt noch gehen wollen.

Mir scheint, dass die USA zu keinem Zeitpunkt über diese Entwicklung glücklich waren. Sie waren nie ein großer Freund des KSZE-Prozesses. Sie beäugten die Entwicklung der Europäischen Union kritisch. Die wirtschaftliche Stärke Deutschlands war ihnen ein Dorn im Auge.

Schon 1996 – das war übrigens der Zeitpunkt der größten wirtschaftlichen Schwäche Russlands – kokettierte Zbigniew Brzezinski, der außenpolitische Vordenker von Präsident Clinton, damit, die geopolitischen Ziele der US neu zu definieren. In seinem Buch "Die einzige Weltmacht" empfahl er, dass die USA – nach dem Zerfall der Sowjetunion – als einzige Weltmacht den eurasischen Kontinent unter ihrer Kontrolle halten, und keinen Herausforderer aufkommen lassen, der Eurasien beherrschen und so eine Bedrohung für Amerika darstellen würde.

Was der amerikanische Botschafter sagt, ist nun der letzte Hammerschlag einer geopolitischen Strategie, die nicht im Interesse Europas liegt. Es bringt wenig, sich über einen Botschafter aufzuregen. Jetzt muss Europa politisch Tacheles mit Amerika reden, wohin die Reise gehen soll. Stehen wir überhaupt noch auf dem Boden einer gemeinsamen Strategie? Was sind die Absichten der USA ?

Bundestagspräsident Schäuble hat dazu aufgefordert, eine Weltordnung anzustreben, in der sich alle wiederfinden können. Das ist eine sehr kluge Formulierung. Wer sich hier versagen will, begibt sich ins Abseits. In den zurückliegenden Monaten haben die USA an Ansehen eingebüßt. Die Achtung vor ihrer politischen, wirtschaftlichen und militärischen Stärke beginnt zu zerbröseln.  Das ist eine besorgniserregende Entwicklung. Sie liegt nicht im Interesse von Europa, Russland, China und anderen wichtigen Spielern auf dem globalen Schachbrett. Die USA sollten ihre Stärken in ein globales System einbringen, das Frieden und Sicherheit schafft. "America first" ist kein Weg des Heils. Er fördert die globale Spaltung. Er führt die USA zwangsläufig in die Isolierung.

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