Meinung

Der Fall Skripal und die Dämonisierung Russlands - Teil 2

Russland steht nicht erst seit heute den Hegemoniebestrebungen der Länder der "Anglosphäre" im Weg. Die von den Briten losgetretene Skripal-Kampagne ist ein weiterer Versuch westlicher Staaten, Russland international zu isolieren.
Der Fall Skripal und die Dämonisierung Russlands - Teil 2Quelle: www.globallookpress.com © Global Look Press

von Zlatko Percinic

Und was hat das jetzt alles mit Russland zu tun, fragen Sie sich? Betrachtet man auf der Landkarte, wo die letzten Interventionen aus "humanitären" Gründen oder gewaltsame Oktroyierung der "Demokratie" erfolgte, lässt das auf den ersten Blick nicht auf Russland schließen. Erst mit dem Putsch in der Ukraine rückte Russland als mögliches Ziel ins Blickfeld, auch wenn natürlich vordergründig behauptet wird, dass die EU nichts weiter tue, als den Willen der ukrainischen Bevölkerung zu respektieren.

Schaut man etwas genauer hin, lassen sich die Linien in manchen Fällen sehr gut erkennen, die nach Russland führen. Blickt man aber etwas weiter zurück in die Geschichte und betrachtet die Entwicklung seitdem durch die Linse der Anglosphäre, dann ergibt das alles plötzlich Sinn.

Während der Herrschaft der Zaren in Russland war es in allererster Linie die britische Elite, die durch ihren Rassismus den Zaren, das russische Volk und schließlich das ganze Land selbst als äußerst rückständig und den eigenen Plänen im Wege stehend betrachtete. Immer wieder versuchte London, auch militärisch gegen die Russen vorzugehen, schaffte es aber selten in der Geschichte ihrer kriegerischen Auseinandersetzungen, Russland ernsthafte Niederlagen zu bereiten. Das lag hauptsächlich daran, dass Großbritannien zwar eine Supermacht, in allererster Linie aber eine Seemacht war. Russlands Stärke lag hingegen auf dem Land.

Während des Ersten Weltkriegs stand Russland zwar auf der Seite der Alliierten, aber die Folgen des Krieges führten 1917 zur Februarrevolution, die das Ende der Zarenherrschaft einläutete, sowie etwas später zur Oktoberrevolution. Die Bolschewiki schwangen sich unter der Führung von Wladimir Lenin an die Macht, den die Deutschen eigens aus dem schweizerischen Exil heimlich nach Petrograd (heutiges Sankt Petersburg) brachten, um in Russland für Chaos zu sorgen. Den anschließenden Bürgerkrieg in Russland zwischen den "Roten" und den "Weißen" feuerten die Westmächte mit der Unterstützung der "Weißen" nur weiter an, was zu zusätzlichem unnötigem Leid für die Bevölkerung führte.

Russland im Fokus der Anglosphäre

Der Sieg der Bolschewiki über die vom Westen unterstützten "Weißen" bedeutete gleichzeitig auch einen Sieg über den Westen, was zur Bildung des ersten "kollektiven" Hasses der Anglosphäre gegenüber Russland führte. Natürlich wurde es nicht so kommuniziert, sondern stattdessen massiv die Angst vor dem "Kommunismus" geschürt. Dabei spielte ihnen natürlich Lenin selbst in die Hände, der die "kommunistische Revolution" propagierte und eisern verfolgte.

Als 1933 in Deutschland die Macht an Adolf Hitler übergeben wurde, wurde dieser vom Westen unterstützt. Er sollte das europäische Gegengewicht zum russischen Kommunismus bilden, um bloß keine amerikanischen Truppen zu binden, da sich die USA in einer schweren Wirtschaftskrise befanden. In den USA war es primär die Geschäftswelt, die den Faschismus in Europa durch ihre Investitionen und Finanzierungen förderte. Erst durch den Kriegsbeginn wurden die meisten dieser Verbindungen gekappt, aber eben nicht alle.

Während des Zweiten Weltkriegs waren es wohl Dutzende Länder, die in den Krieg involviert waren. Aber im europäischen Krieg zwischen den Achsenmächten und den Alliierten waren es in allererster Linie die Sowjets, die sich Nazi-Deutschland entgegenstemmten. Sie waren es schließlich auch, die die Entscheidung auf den Kriegsschauplätzen herbeigeführt haben, mit Unterstützung der alliierten Truppen und vor allen Dingen mit ihrer Luftwaffe.

Diese Fakten spiegeln sich auch in der Opferbilanz wieder: ca. 20 Millionen Todesopfer in der Sowjetunion, gegenüber 400.000 Todesopfern bei den amerikanischen und 326.000 Todesopfern bei den britischen Truppen.

Es geht nicht darum, die Leistungen der Alliierten im Zweiten Weltkrieg zu schmälern, sondern es geht darum, die Realität, die heute massiv verzerrt wird, geradezurücken.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begannen die westlichen Alliierten sofort nach der Konferenz von Jalta auf der Halbinsel Krim, die teilweise in Ruinen liegende Sowjetunion als Gefahr darzustellen, deretwegen die NATO gegründet wurde.

Bereits 1945 entwickelten die USA einen Plan – Operation Plan Totality –, der zur Verteidigung der US-Streitkräfte in Zentraleuropa die Auslöschung von 20 sowjetischen Städten mit Atombomben vorsah, und Winston Churchill wollte am 1. Juli 1945 endlich seinen Hass auf die Kommunisten in Russland mit der Operation Unthinkable in die Tat umsetzen (Angriff auf die Sowjetunion mit 117 Divisionen). 

Bis zum Niedergang der Sowjetunion um 1989 ging diese Zeit als Kalter Krieg in die Geschichte ein und führte zu diversen Stellvertreterkriegen zwischen den zwei dominierenden Weltmächten USA und UdSSR. Mit dem Niedergang der Sowjetunion begrub man auch den sowjetischen Kommunismus, was zu Recht weltweit gefeiert wurde.

Doch für die Anglosphäre, und dabei insbesondere für die USA, sollte dieser Zeitpunkt einen Wendepunkt bedeuten, weil man plötzlich und völlig ohne jegliche Vorbereitung nicht nur den größten Feind verloren hat, sondern etwas überspitzt gesagt auch den Existenzgrund der Supermacht USA. 

Paul Wolfowitz, ein jüdisch-amerikanischer Neocon, der unter der Regierung von George W. Bush stellvertretender Verteidigungsminister wurde, entwarf 1992 die sogenannte „Wolfowitz-Doktrin“, die bis heute ihre Gültigkeit besitzt. Der erste Entwurf war gleichzeitig auch der ehrlichste, da die offizielle Version, dem Zeitgeist der 1990er-Jahre entsprechend, keine scharfe Position zu Russland beziehen sollte. Deshalb gebe ich hier den ersten Entwurf von 1992 wieder, der von allen Neocons, die es in die Regierung George W. Bushs geschafft haben, gutgeheißen wurde, aber von der Clinton-Regierung als zu scharf formuliert verworfen wurde: 

Unser erstes Ziel muss sein, das Wiederauftreten eines neuen Rivalen auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion oder woanders zu verhindern, der eine Gefahr darstellen könnte, wie es die Sowjetunion getan hat. Dies ist eine der neuen regionalen Verteidigungsstrategie zugrunde liegende Berücksichtigung, die alles erfordert, um eine feindliche Macht daran zu hindern, eine Region zu dominieren, deren Ressourcen unter konsolidierter Kontrolle genügen würden, um eine globale Macht generieren zu können.

Genau darum geht es überall. Ob das der Mittlere Osten ist, Afrika, Zentralasien, Eurasien oder Südostasien: Es geht um die Kontrolle der Ressourcen durch die USA. Als Russland in den 1990er-Jahren unter dem als Trunkenbold berüchtigten Präsidenten Boris Jelzin zum Schatten seiner selbst verkam, stellte das an Ressourcen reiche Land natürlich keinerlei Gefahr dar. Im Gegenteil, die Oligarchie wurde insbesondere von der Anglosphäre gefördert, um extreme Reichtümer anzuhäufen.

Als aber Wladimir Putin an die Macht kam und anfing, die Oligarchie zu bekämpfen und ein neues Russland aufzubauen, welches zwangsläufig nicht dem Russland entsprach, dass sich die Anglosphäre vorgestellt hatte, zog er relativ schnell den ersten Hass auf sich auf. Aufgrund dessen, dass sich die USA und Großbritannien in den Kriegen in Afghanistan und Irak verrannt haben und dort ihr Geld in den Sand steckten, musste die in ihrem Stolz gekränkte Anglosphäre hilflos zuschauen, wie Putin in kürzester Zeit ein ganz anderes Russland aufgebaut hatte, als man es noch 2001 in Erinnerung hatte, bevor man in den Krieg nach Afghanistan zog.

Bereits 2007 offenbarte der ehemalige NATO-Kommandeur Wesley Clark, dass die USA in sieben Ländern die vorherrschenden Regime stürzen wollen. Auch Syrien und der Iran waren auf dieser Liste. 

Damit zog Putin den geballten Hass der Anglosphäre auf sich und ist seitdem ununterbrochen Zielscheibe für die übelsten Beschimpfungen und Verdächtigungen, bis sich die Möglichkeit auftat, nach 2004 (Orangene Revolution) erneut in der Ukraine aktiv zu werden. Was wir seitdem erleben, ist eine regelrechte Hetzjagd gegen Russland. Im Jahr 2014 verabschiedete der US-Kongress eine Resolution, mit welcher Präsident Obama aufgefordert wurde, endlich Waffen (über die hinaus, die bereits geliefert wurden) in die Ukraine zu liefern. Des Weiteren findet sich aber in dieser Resolution eine Geschichtsfälschung, mit welcher die Leistungen und Opfer der Sowjets im Krieg gegen Hitler geleugnet werden:

Das Versäumnis, die Aggression der russischen Föderation gegen die Ukraine, (…) [und] die unilaterale Absicht, die international anerkannten Grenze der Ukraine neu zu ziehen, untergräbt die Basis der internationalen Ordnung, die nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Vereinigten Staaten und ihre Alliierten errichtet und mit hohen Kosten verteidigt wurde.

Die internationale Ordnung wurde also gemäß dieser Resolution des US-Kongresses unter hohen Kosten durch die USA und ihre Verbündeten errichtet und verteidigt. Das ist ein Schlag und Verachtung allerhöchster Güte gegenüber den Millionen von Todesopfern in der Sowjetunion, die sich der Kriegsmaschinerie Nazi-Deutschlands entgegenstemmten und ihr Land verteidigten. Nicht weniger zeigte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Verachtung, als sie 2015 ihre Teilnahme an der 70. Gedenkfeier zum Tag des Sieges in Moskau absagte und damit den russischen Präsidenten und das ganze Land brüskierte. 

Der Fall Skripal: "Keine plausible alternative Erklärung"

Nicht weniger brüskierte die erst frisch zusammengesetzte neue deutsche Regierung Moskau, als man ungeachtet aller Logik nach der Vergiftung des ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal und seiner Tochter in Salisbury/Großbritannien in den britischen Chor der Schuldzuweisungen einstimmte. Aus Solidarität mit London, hieß es offiziell aus Berlin, weil es "keine plausible alternative Erklärung" gebe und somit "höchstwahrscheinlich" Russland hinter dem Anschlag stecke. 

Schon die Tatsache, dass nur acht Tage nach dem Anschlag - oder war es doch einfach nur eine Fischvergiftung, wie es die Cousine der Tochter sagt? - die britische Ministerpräsidentin Theresa May Russland beschuldigte, die Skripals mit "militärischem Nervengift" vergiftet zu haben, hätte sämtliche Alarmsirenen schrillen lassen müssen. Wenn Nowitschok wirklich ein so seltenes Nervengift ist, wie es die Briten und mit ihnen dann später solidarisch einige andere Länder nachplapperten, wie konnte es dann so schnell ermittelt werden? Professor Alastair Hay von der Leeds UniversityMitglied des Beratungsgremiums der OPCW, suggeriert in seinem wichtigen Artikel, dass das britische Defence Science and Technology Laboratory (oder auch einfach als Porton Down bekannt) ebenfalls im Besitz von Nowitschok sei, weil es so schnell identifiziert und den Skripals die richtige Behandlung zuteil wurde. Und wie es der Zufall so will, wurde nur wenige Tage vor dem Anschlag auf die Skripals die jährliche ABC-Übung der britischen Streitkräfte durchgeführt, im Zusammenspiel mit demselben Labor. Und dass Porton Down nur einen Steinwurf von Salisbury entfernt ist, wird vermutlich ein weiterer Zufall sein.

Als dann später herauskam, dass auch andere Länder das Gift Nowitschok herstellen können, dass selbst eine erneute Blutprobe der Skripals dieses Nervengift nicht zweifelsfrei nachweisen konnte, macht aus dem ganzen Fall und vor allem der irrationalen Haltung einiger europäischer Regierungen die reinste Farce. Die Ausweisung russischer Diplomaten, ein weiterer "solidarischer" Schritt unserer Regierungen, wurde dann auch beispielsweise von Kanada benutzt, um über unbequeme Wahrheiten hinwegzugehen. 

Dieses Geflecht aus Lügen und falschen Be- und Anschuldigungen, insbesondere durch die britische Regierung, hat eine Qualität erreicht, die fatal an die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg erinnert. Wie Schlafwandler folgen unsere Regierungen diesem äußerst gefährlichen Pfad, den London für uns eingeschlagen hat. Und das alles nur, um das Feindbild Russland aufrechtzuerhalten.  

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