Meinung

Propaganda als reißerisches Fotospektakel: Der "brennende Mann" aus Venezuela

Das Welt-Presse-Foto des Jahres stammt aus Venezuela und zeigt einen in Flammen stehenden militanten Demonstranten. Nicht nur ist das Foto selbst plakativ und reißerisch - auch die Berichte darüber stellen einmal mehr die Realitäten in Venezuela auf den Kopf.
Propaganda als reißerisches Fotospektakel: Der "brennende Mann" aus VenezuelaQuelle: AFP

Von Thomas Schwarz

Es sei ein "klassisches Foto mit Energie und Dynamik", sagte die Jury-Vorsitzende des Wettbewerbs "World Press Photo", Magdalena Herrera, zum Sieger-Bild des Fotografen Ronaldo Schemidt, das am Donnerstagabend in Amsterdam prämiert wurde. Das Foto zeigt einen in Flammen stehenden militanten Demonstranten, der sich für seinen gewalttätigen Kampf gegen die sozialistische Regierung Venezuelas in die gewohnt legere Mischung aus T-Shirt und Gasmaske geworfen hat.

Angesichts eines brennenden Menschen von "Energie und Dynamik" zu sprechen, zeugt schon von einer gehörigen Portion Zynismus. Von politischer Intelligenz zeugen auch die weiteren Einlassungen Herreras nicht: "Er repräsentiert nicht nur sich selbst und sich selbst brennend, sondern auch die Idee von einem brennenden Venezuela." 

Westliche Journalisten lieben die Militanz - in fremden Ländern

Zwei Dinge sagen die Wahl des Bildes und die dadurch inspirierten verzerrenden Berichte zu den "regierungskritischen Protesten" in Venezuela über den Zeitgeist in vielen westlichen Medien. Zum einen zeigt es, dass die in den eigenen Medien entfachte Faszination westlicher Redakteure für gewalttätigen und antidemokratischen Straßenprotest seit dem Maidan-Putsch nicht abgenommen hat. Noch immer feiern westliche Journalisten diese Form der brutalen Umsturzversuche als legitime, irgendwie "demokratische" Protestform der jeweiligen "Zivilgesellschaft". Aber nur, solange diese Militanten die Ordnung in fremden Ländern mit nicht genehmen Regierungen anzünden wollen. Denn wehe, in Deutschland stellte sich jemand der Polizei mit Zwille, Molotowcocktail und Gasmaske in den Weg.

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Zum anderen zeigen die zum Bild gelieferten Phrasen zur Situation in Venezuela den medialen Unwillen, die dortige Situation neutral darzustellen. Denn eigentlich müsste dieses Bild dienen, die "Proteste" in Venezuela als das zu entlarven, was sie sind: Ein für Beteiligte und Unbeteiligte lebensgefährlicher und illegitimer Versuch einer Minderheit, ein Wahlergebnis mit roher Gewalt zu "korrigieren". 

Statt dessen führen schon die Bildunterschriften zum Foto in die Irre. Der "Demonstrant" sei während heftiger Zusammenstöße "mit der Polizei" während "Protesten" gegen Präsident Nicolas Maduro "in Flammen geraten", schreibt die Nachrichtenagentur AFP, bei der der Fotograf angestellt ist. Mutmaßlich - oder besser: höchstwahrscheinlich - hat jedoch weder die Polizei noch Maduro mit dem Schicksal des jungen brennenden Mannes etwas zu tun.

Ursache und Wirkung der Gewalt

Wenn man das Land in Brand steckt, dann ist die Gefahr, dass die Flammen übergreifen, groß. Eine naheliegende Erklärung für das ehrlich bedauernswerte Unglück des Fotografierten ist, dass beim Bau von Molotowcocktails der im Foto-Text erwähnte Tank eines Motorrads explodierte. Auf anderen Fotos aus der Reihe sieht man maskierte und mit Eisenstangen bewaffnete Militante um das Motorrad herumstehen - Polizisten oder gar Polizeigewalt sind zumindest auf diesen Ausschnitten nicht zu erkennen.

Eine Regierung medial nicht gegen solch brutale Umsturzversuche in Schutz zu nehmen, ist schon heuchlerisch genug. Der Gipfel ist aber, jener Regierung noch die aus der gegnerischen Militanz resultierenden Unfälle anzulasten. Jede Verletzung eines Menschen ist zu bedauern. Wenn sie aber zu verzerrender Propaganda genutzt wird, darf und muss auf Ursache und Wirkung hingewiesen werden.

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