Meinung

Feindbild Russland: Deutsches Kabarett als braver Verstärker des Mainstreams

Die letzte Ausgabe der "Heute-Show" bot einmal mehr ein Konzentrat der aktuell von Medien und Politik favorisierten Sichtweise. Nur noch wenige TV-Kabarettisten schwimmen gegen den Strom. Das Phänomen ist auch in anderen Sparten und Ländern zu beobachten.
Feindbild Russland: Deutsches Kabarett als braver Verstärker des Mainstreams © Screenshot: RT

von Thomas Schwarz 

Es gab Zeiten, da haben sich prominente deutsche TV-Kabarettisten in ihren Programmen deutlich von den Aussagen der großen Medien abgehoben. Diese Zeiten sind für viele exponierte Fernseh-Comedians vorbei: Heute passt etwa zwischen den Witzen in Oliver Welkes Heute Show (ZDF) und der Berichterstattung der Bild-Zeitung kein Blatt mehr. Das Gleiche gilt für viele Beiträge Jan Böhmermanns. Einer der vorerst letzten Horte des kritischen Kabaretts im deutschen Fernsehen ist damit die Satiresendung DieAnstalt im ZDF.

Ein Beispiel bietet der Fall Skripal: Auf den Medienkonsumenten sind dazu in den letzten Tagen die gewagte Erklärung der westlichen Regierungschefs, die tendenziösen Berichte in Tagesschau und Heute Journal, die manipulativen Äußerungen von Think-Tank-Lobbyisten, die infame Hetze britischer Politiker, die Kommentare in den "seriösen" Privatmedien und schließlich der Irrsinn der Bild-Zeitung eingeprasselt. Der TV-Zuschauer erwartet entsprechend in der Heute-Show eine entlarvende Analyse oder mindestens eine bissige Persiflage. Doch was bekommt er? Ein Konzentrat der oben aufgezählten Propaganda-Elemente in Form von abgestandenen Russen-Witzen und manipulativ geschnittenen Zitat-Fetzen: In Russland findet eigentlich keine richtige Wahl statt, Russlands Schuld im Giftgas-Fall ist plausibel und gehackt haben sie uns auch, die Russen.

Kabarett im Strom der Meinungsmacht

Anschließend entfaltet Carolin Kebekus in der Sendung noch ihren "Pussy-Terror" (Selbstbeschreibung), indem sie versucht, den Sender RT zu persiflieren. Dabei outet sie sich als echte Kennerin der russischen Mehrheitsverhältnisse, wenn sie sagt: "Nawalny, der einzige Kandidat, der Chancen hätte, darf nicht antreten." Nun ja.

Das Urgestein des westdeutschen Kabaretts, Dieter Hildebrandt, hat seinerzeit ebenfalls Mainstream-Themen behandelt. Aber er hat sie selbstverständlich aus einem anderen Winkel betrachtet als die geballte Meinungsmacht aus Politik und Presse. Nur das rechtfertigt doch eigentlich überhaupt das Label "Kabarett" und nur das gibt auch die Erlaubnis für Witze unter der Gürtellinie.

Damit ist man bei Jan Böhmermann, dessen üble Beleidigungen des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdoğan keineswegs gewagtes Kabarett waren. Seine grobe Tirade war eben keine mutige Intervention gegen den Zeitgeist. Es war nur die nochmalige Verstärkung eines von Teilen der Politik und Massenmedien längst etablierten, darum aber nicht weniger unreflektierten Feindbilds. "Satire", die sich des Beifalls von Politik und Medien so sicher sein kann, hat diese Bezeichnung nicht verdient.

Phänomen des pseudo-widerständigen Hofnarren

Das Phänomen des pseudo-widerständigen Hofnarren, der unter dem Deckmantel angeblicher Satire Herrschaftspositionen festigt, ist auch in anderen Kultursparten zu beobachten. So hat sich etwa der einst wichtige politische Grafiker Klaus Staeck während seiner Zeit als Präsident der Akademie der Künste voll in den Mainstream-Narrativ vom guten Westen, der gegen böse Autokraten streitet, eingegliedert. Von weiten Teilen der deutschen Literatur-, Theater- und Film-Prominenz ist kein Protest gegen den antirussischen Feindbildaufbau zu hören, teils sogar das Gegenteil. Von fragwürdigen, ja dubiosen Aktivisten wie dem unsäglichen "Zentrum für politische Schönheit" ganz zu schweigen. Es scheint, als sei die Philosophie der Pseudofreiheit, der eigenen moralischen Überlegenheit und des Rechts auf Intervention in der deutschen Kulturlandschaft auf besonders fruchtbaren Boden gefallen.

Und auch in anderen Ländern ist die einst widerständige Branche der politischen Kabarettisten im Mainstream aufgegangen, etwa in den USA: Waren Steven Colbert, Jon Stewart oder der Brite John Oliver einst die letzten Stimmen der Vernunft im hoffnungslos emotionalisierten US-TV, so haben sie sich heute voll in den dominierenden unreflektierten Anti-Trump-Hollywood-Klamauk eingereiht. Dass sie damit eindeutig Position in einem dubiosen Eliten-Krieg beziehen, in dem es keinen moralischen Favoriten gibt, das scheinen sie entweder nicht zu merken oder es stört sie nicht. Kein Wunder: Schließlich werden sie - wie auch Welke und vor allem Böhmermann - in den großen Medien dafür als mutige Streiter gefeiert.

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