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Fehlschlag: Mossad-Agenten zünden Autobombe im Libanon und fliegen auf

Mitte Januar explodierte eine Autobombe im Libanon. Das Attentat richtete sich gegen einen Hamas-Funktionär. Inzwischen ermittelten die Behörden Mossad-Agenten als Urheber. Für den israelischen Geheimdienst könnte das noch ungemütliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Fehlschlag: Mossad-Agenten zünden Autobombe im Libanon und fliegen aufQuelle: Reuters © Reuters

von Jürgen Cain Külbel

Er hat fraglos Routine im Morden, der 38-jährige Ahmed Battiya. Der in Holland geborene Libanese ist so etwas wie ein Kidon, ein „Bayonett“, einer, der vom israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad auf Exekutionen programmiert wurde. Seit vielen Jahren, so behaupten libanesische Sicherheitsorgane, töte er kaltblütig für den berüchtigten Dienst.

Und so sollte es auch am Sonntag, den 14. Januar 2018 sein; in Sidon, der viertgrößten Stadt des Libanon, 40 Kilometer südlich der Hauptstadt Beirut. Ahmed Battiya leitet wieder einmal ein Mordkommando. Gegen 03.30 Uhr, Im Schutze der Nacht schleicht er sich gegen 03.30 Uhr im nördlich gelegenen Stadtteil al-Bustan al-Kabir mit seinen Killer-Komplizen an das Anschlagsziel heran: ein silberfarbener BMW, der in einem Carport nahe des Appartementhauses steht, in dem der von ihnen zu tötende Hamas-Funktionär Mohammad Abu Hamza Hamdan samt Familie lebt.

Mit geübtem Griff bringen die Meuchelmörder am Wagenboden, direkt unter dem Fahrersitz, einen 500 Gramm schweren, mit Kugellagern bestückten Sprengsatz an. Anschließend machen sie sich schleunigst wieder aus dem Staub. Vier Stunden später, in der Dämmerung, kehren sie jedoch zurück. Denn sie haben einen Auftrag: Warten! Und zwar so lange, bis Abu Hamdan das Wohnhaus verlässt und in sein Auto steigt, damit die heimtückische Exekution vollendet werden kann.

Um 10 Uhr vormittags ist es endlich soweit. Das Opfer verlässt das Wohnhaus, schreitet über den Hof zum Carport, öffnet die Fahrertür seines BMW. Doch anstatt sich hinein zu setzen und den Motor zu starten, bleibt es in der geöffneten Fahrertür stehen, beugt sich, macht den Arm lang und steckt den Zündschlüssel ins Schloss. Just in dem Moment kracht es fürchterlich: der Sprengsatz, der am Wagenboden direkt unter dem Fahrersitz befestigt war, wird zur Explosion gebracht.

Das Geräusch der Detonation ist überall in Sidon zu hören, über al-Bustan al-Kabir steigt dicker schwarzer Rauch in den Himmel. Einzig, weil er sich nicht in das präparierte Fahrzeug gesetzt hatte, überlebte Hamdan diesen Terrorakt.  Im Krankenhaus wird er später seinen Rettern erzählen, er wollte noch den Kofferraum öffnen, um ihn zu reinigen. Die Explosion indes war so wuchtig, dass sie das Fahrzeug vollständig zerstörte. Der Wagen brannte lichterloh aus und auch ein nah gelegenes Gebäude wurde beschädigt.

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Die libanesischen Sicherheitsorgane reagierten professionell auf die Explosion: Kurz nach dem Anschlag traf die Feuerwehr ein und löschte die Flammen. Sicherheitskräfte riegelten den Tatort ab, während Kräfte der Armee einen Sicherheitsriegel anlegten. Sprengstoffexperten untersuchten den Ort der Explosion, die „Abteilung für forensische Beweise“ sammelte die Videos örtlicher Überwachungskameras ein, alle am Tatort anwesenden Zeugen wurden vernommen.

Der libanesische Fernsehsender Al-Mayadeen berichtete recht zügig, Augenzeugen hätten eine israelische Drohne beobachtet, die während der Explosion am Himmel über Sidon kreiste. Offenbar zur Überwachung des Verbrechens, wohl auch zum Schutz der israelischen Agenten, die unmittelbar nach dem Anschlag den Tatort verließen und sich auf dem nahegelegenen Coastal Highway zurück Richtung Beirut rasten. Dort verstreuten sie sich dann. Ahmed Battiya, der Leiter des Kommandos, flog noch am Abend des 14. Januar vom Beiruter Flughafen Rafik Hariri ins sichere Amsterdam zurück.

Das Rote Kreuz bestätigte schnell, dass einzig Hamdan bei der Explosion verletzt wurde, obwohl seine Frau und eines seiner Kinder ihm zum Auto gefolgt waren. Der Familienvater erlitt glücklicherweise nur Verletzungen an beiden Beinen. Jihad Taha, der stellvertretende politische Vertreter der palästinensischen Hamas im Libanon, sagte: „Hamdan ist ein Mitglied der Bewegung, und er arbeitet im Beiruter Büro des politischen Vertreters der Hamas im Libanon, Dr. Ahmad Abdul Hadi.“

Ghassan Ayoub von der Palästinensischen Volkspartei machte gegenüber Arab News deutlich, dass Hamdan in Sidon überhaupt nicht politisch aktiv sei; vielmehr seien seine Aktivitäten auf Beirut beschränkt. Allerdings, so Ayoub, „zielte die Explosion darauf ab, das Ziel zu töten und nicht nur zu verletzen“. Hamdan, der im Libanon so gut wie unbekannt war, spielte jedoch laut Berichten der libanesisch-schiitischen Hisbollah in der Organisation der Hamas eine wichtige Rolle: Grund genug, von den Israelis beobachtet und auf deren Todesliste gesetzt zu werden.

In libanesischen Medien herrschte indes Unklarheit, ob die Israelis möglicherweise das eigentliches Anschlagsziel verfehlt hätten; schließlich hätte der Bombenanschlag auch Hamdans Bruder Osama gelten können. Der stammt wie auch das Anschlagsopfer aus dem Gazastreifen und fungiert seit 30 Jahren als Vertreter der Hamas im Libanon.

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Israelisches Killer-Netzwerk aufgeflogen

Wie dem auch sei, die Geheimdienstapparate der libanesischen Polizei und des Militärs übernahmen die weiteren Ermittlungen und konnten wenige Tage nach dem Verbrechen vermöge einer Reihe komplexer technischer und informationstechnischer Ermittlungen Ahmed Battiya als denjenigen ermitteln, der das Kommando bis zur Vollendung des Attentats geführt hatte.

Am 20. Januar 2018 fasste der Analyst Hassan Illeik den Ermittlungsstand in einer Exklusivmeldung in der Beiruter Tageszeitung Al Akhbar so zusammen: „Israels Mossad-Spionageagentur hatte die Autobombenexplosion inszeniert. Das libanesische Armee-Geheimdienstdirektorat und die Informationsabteilung der Inneren Sicherheitskräfte (ISF) haben es geschafft, den Anführer jener Zelle zu identifizieren, die am 14. Januar den Mordversuch gegen Mohammed Hamdan durchgeführt hat: Es ist der 38-jährige Ahmed Battiya, der aus der Stadt Tripolis stammt, 85 Kilometer nördlich der Hauptstadt Beirut gelegen, jedoch in der niederländischen Hauptstadt Amsterdam lebt.

Battiya verfügte demnach im Libanon bislang über eine „saubere Sicherheitsbilanz“. Bei seinen Aufenthalten im Zedernstaat war er nie aufgefallen, entsprechend hatten die libanesischen Sicherheitsbehörden ihn nicht auf eine Verdachtsliste gesetzt. Der Mossad hat Battiya laut den Ermittlern schon vor längerer Zeit rekrutiert.  Er pflegte häufig zwischen dem Libanon und den Niederlanden hin und her zu reisen. Zuletzt landete er am 9. Januar 2018 auf dem Beiruter Rafiq-Hariri-Flughafen und mietete sich über ein Webportal für eine Woche ein Appartement an Beiruts Waterfront.

Am Tag der Ankunft besuchte er noch seine Familie in Tripolis, kehrte dann aber rasch in die Hauptstadt zurück. Mehrmals reiste Battiya in den nächsten Tagen von Beirut nach Sidon, um Hamdans Haus und seine Bewegungen zu überwachen. Schließlich beschloss die unter seiner Führung stehende Gruppe, das Attentat gegen das Hamas-Mitglied am 11. Januar 2018 durchzuführen. Wie die Ermittler im Nachhinein feststellten, wurde das Vorhaben jedoch ohne besonderen Grund wieder abgeblasen, ehe es dann drei Tage später umgesetzt wurde.

Israel in Erklärungsnöten

Der Rauch der Explosion war noch nicht verzogen, da machte die Hamas bereits den verhassten Nachbarstaat Israel verantwortlich: Der Vorfall trage „israelische Fingerabdrücke. Der zionistische Feind ist der einzige, der davon profitiert, Libanons Stabilität zu beschädigen“. Auch der Generalsekretär der schiitischen Hisbollah deute am 19. Januar 2018, also einen Tag vor Veröffentlichung der Exklusivmeldung auf Al Akhbar, während einer Fernsehansprache im Sender Al Manar in diese Richtung: „Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass Israel den Attentatsversuch gegen einen Hamas-Mann in Sidon verübt hat. Die Bombe, mit der ein Hamas-Mitglied in Sidon angegriffen wurde, ist ein gefährlicher Anfang, und es ist nicht möglich, darüber zu schweigen.“

Der israelische Geheimdienstminister Israel Katz schmetterte all die Anschuldigungen ab; im Armee-Radio verkündete er großschnäuzig, „wenn Israel beteiligt gewesen wäre, hätte es nicht mit einem Leichtverletzten geendet“. Und Israels Verteidigungsminister Avigdor Liberman, der einst vorschlug, „alle Palästinenser in Busse zu packen und im Roten Meer zu ertränken“, empfahl, die Sache auf die leichte Schulter zu nehmen: „Jeden Tag gibt es im Nahen Osten Dutzende von Explosionen, wo sie versuchen, diese mit Israel in Verbindung zu verbringen. Also sollten wir nicht zu ernst darauf reagieren.“

Zu dem Zeitpunkt wussten die israelischen Vertreterwohl noch nichts über den Verbleib ihres Mossad-Agenten. Sie hofften offenbar, er sei in Amsterdam untergekommen. Am 23. Januar 2018 berichtete das iranische PressTV trocken, „türkische Beamte haben der libanesischen Regierung einen Verdächtigen für die Autobombenexplosion in Sidon übergeben“. Die Auslieferung „habe stattgefunden, nachdem der libanesische Ministerpräsident Saad Hariri die türkischen Behörden zwecks Zusammenarbeit bei der Rücksendung des Verdächtigen kontaktiert habe“. Um welchen Verdächtigen es sich handelt, ist bislang nicht bekannt. PressTV spekuliert, es könne sich um den Haupttäter Ahmed Battiya handeln. Das wäre doch ein richtig dicker Fisch am Haken der libanesischen Geheimdienste. Zugleich wäre es ein ordentlicher Schlag in die Magengrube des Mossad. Dem Geheimdienst dürfte es überhaupt nicht gefallen, wenn Battiya aus dem Terror-Nähkästchen plaudert.

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