Meinung

Friedensstifter Erdoğan? Da lachen sogar Satanowskis Filzpantoffeln

Das russisch-türkische Verhältnis ist traditionell ein schwieriges. Durch die Sanktionen des Westens ist Russland zuletzt in Abhängigkeiten von der Türkei geraten. Das stößt nicht uneingeschränkt auf Begeisterung. Einen der Standpunkte in der polarisierten Debatte fasst Jewgeni Satanowski prägnant zusammen.
Friedensstifter Erdoğan? Da lachen sogar Satanowskis FilzpantoffelnQuelle: Sputnik © Vyacheslav Prokofyev

Von Jewgeni Satanowski

In der Presse wurde die Frage gestellt, ob es sich bei dem Bericht über die Lieferung türkischer Streumunition an die Ukraine um eine "Desinformation zur Untergrabung der türkischen Friedensbemühungen" handeln könnte. Eine Quelle in der Präsidialverwaltung habe dies angedeutet. "Friedensbemühungen" der Türkei in der Ukraine? Was für eine Art von "Friedensbemühungen" sollen es sein?! Wahrscheinlich ist damit gemeint, dass in Istanbul russische Beamte verschiedener Ressorts und ein Oligarch, der aus unerfindlichen Gründen immer noch als "russisch" gilt, obwohl das einzig Russische an ihm die Herkunft seines Milliardenvermögens ist, eine Neuauflage des "Chassawjurt-Friedens" oder eines "Getreide-Deals" aushandeln?

Ausgetrickst haben sie uns mit dem Getreidegeschäft, ausgetrickst wie einen Trottel. Ausgetrickst, vorgeführt, um den Finger gewickelt. Das hat der russische Präsident neulich mehr als deutlich eingeräumt. Profitiert haben von dieser superschlauen Kombination außer Selenskij und Erdoğan nur diejenigen, die vermittelt hatten. Dass der UN-Generalsekretär als eine Art Hochzeitsgeneral anwesend war, macht aus dem anrüchigen Geschäft keine "Friedensbemühung". Die Bürokratie (im Präsidialamt) sollte besser aufpassen, was sie sagt. Es ist Krieg, viele Menschen sind an der Front, der Alphabetisierungsgrad im Land ist trotz aller Bildungsreformen immer noch hoch, lesen können Russen. Was, wenn jemand von diesen "Friedensbemühungen" erfährt und den redseligen Bürokraten unsanft zur Rede stellt?

An der militärischen Sonderoperation beteiligen sich Leute unterschiedlichen Kalibers. Da sind Kadyrow und seine Spezialeinheiten, und Prigoschin samt seiner "Wagner"-Einheiten. Dort kennt man keine "Friedensbemühungen". Dort ist ein Krieg im Gange. Blutig, brutal, ohne Regeln. Unsere Kriegsgefangenen werden gefoltert und getötet. Zivilisten werden ohne Gerichtsverfahren, mit und ohne Grund hingerichtet. Artillerie und Raketen werden auf das Kernkraftwerk Saporoschje sowie friedliche Dörfer und Städte im Donbass abgefeuert.

Oder sind mit den "Friedensbemühungen" etwa die türkischen Lieferungen von Munition und Waffen im Wert von Milliarden von Dollar an die Ukraine gemeint? Die türkischen Kampf- und Aufklärungsdrohnen? Der Bau von Kriegsschiffen für die Ukraine in der Türkei? Vielleicht handelt es sich bei den "Friedensbemühungen" der Türken um die Entsendung von Kämpfern in die Reihen der ukrainischen Armee, die gegen Russland kämpfen? Oder um die Unterstützung krimtatarischer Islamisten, die Sabotageakte auf der russischen Krim organisieren?

Nun, für die Türken ist die Hälfte der Ukraine, einschließlich der Krim, die ehemalige und künftige Türkei, angefangen bei Odessa und Otschakow. Es ist kein Zufall, dass Erdoğan mit Guterres im Schlepptau neulich zu Selenskij nach Lwow fuhr. Zu den "Friedensbemühungen" der Türkei gehören nicht nur Schiffe, die unter dem Deckmantel eines "Getreidegeschäfts" Waffen und Munition nach Odessa und Nikolajew bringen. Sie bringen dorthin ebenso Terroristen mit Sprengstoff, um von dort aus einen Terroranschlag auf die Krim-Brücke zu organisieren. Und dann gibt es da noch die Zusammenarbeit Ankaras mit Kiew im Rahmen des militärisch-industriellen Komplexes.

Vielleicht ist ja das unverhohlene Zurückdrängen Russlands aus den traditionellen Einflusssphären in Transkaukasien, Kasachstan und Zentralasien, unter Einsatz lokaler Islamisten und Nationalisten der härtesten Probe, eine "Friedensbemühung"? Oder die Untergrabung aller regionalen Integrationsprojekte Russlands zugunsten der Organisation der türkischen Staaten, die sich vor unseren Augen auf unsere Kosten in eine neue Osmanische Pforte verwandelt? Sie werden keinen Frieden bringen, sie können keinen Frieden bringen – dafür sind sie nicht gedacht. Sie bringen uns die Schwächung und Verwüstung unseres Landes, öffentlichen Ansehensverlust und die zunehmende Entrussifizierung des postsowjetischen Raums. Aber das merken die nicht, die über türkische "Friedensbemühungen" schwätzen.

Es wird Zeit, aufzuräumen in unseren Amtsstuben. Mit Schleifpapier...

Jewgeni Janowitsch Satanowski, Jahrgang 1959, ist ein renommierter Wirtschaftsprofessor und Experte für den Nahen und Mittleren Osten am Moskauer Forschungsinstitut für Israel und den Nahen Osten. 1995 war er Gründungsmitglied des Kongresses der Juden in Russland, dessen Präsident er zeitweilig war. Er publiziert über geopolitische, wirtschaftliche und militärische Themen und ist häufiger Gast in Talkshows des russischen Fernsehens. Wegen seiner pessimistischen Grundeinstellung zum Weltgeschehen bekam er den Spitznamen "Armageddonitsch". Seine Analysen und seine bissigen Kommentare kann man unter anderem auf seinem Telegram-Kanal lesen. 

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