Meinung

Welch garstig Spiel – Wer auf steigende Preise hinweist, gilt schon als "Staatsfeind"

Für Herbert Reul (CDU), den Innenminister von Nordrhein-Westfalen, ist klar, was im Herbst auf uns zukommt: Verschwörungstheoretiker und Staatsfeinde kramen ihre gefährlichen Narrative heraus, um wie die Rattenfänger die armen Menschen einzufangen, die darauf hereinfallen. Wir sollten uns von dieser Deutung nicht einschüchtern lassen.
Welch garstig Spiel – Wer auf steigende Preise hinweist, gilt schon als "Staatsfeind"Quelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Petra Nowack

von Tom J. Wellbrock

Mit dieser Deutung steht Reul nicht allein da. Umso wichtiger, sich als Bürger davon nicht einschüchtern zu lassen. Neuerdings stellt es eine Verschwörungstheorie dar, wenn man auf die steigenden Preise hinweist. Und darüber hinaus verdeutlicht, dass diese Preissteigerungen nicht vom Himmel gefallen sind, sondern von der völlig aus dem Ruder geratenen Bundesregierung verantwortet werden. Das ist insofern interessant, als die Benennung von Fakten nun also auch ins Reich der Theorien verschoben wurde.

Dabei wäre es doch eher eine Verschwörungstheorie, wenn man sich Gedanken über die Ziele und die Beteiligten machen würde, die von dieser irrwitzigen Politik des Wirtschaftskrieges partout nicht abrücken wollen. Man hätte einiges zu tun, und die Thesen, die solchen Überlegungen entspringen könnten, würden – um es mit den Worten von Thomas de Maizière zu sagen – Teile der Bevölkerung verunsichern. Lohnend wären solche Verschwörungstheorien allemal, denn folgt man dem gesunden Menschenverstand und bedenkt, dass die Politik doch eigentlich gewählt wurde, um Schaden von der Bevölkerung abzuwenden und deren Wohlstand zu mehren, ergibt deren zerstörerisches Handeln noch viel weniger Sinn.

Wir "Staatsfeinde"

Es sind nicht die Preissteigerungen, die die Politik beunruhigen. Es sind vielmehr die, die auf die Verantwortlichkeit für diese hinweisen, sie werden als Dorn im Auge empfunden. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) agierte mit zwei Formen der Taktik. Noch vor zwei Wochen hatte sie erklärt:

"Demokratiefeinde warten nur darauf, Krisen zu missbrauchen, um Untergangsfantasien, Angst und Verunsicherung zu verbreiten."

Jörg Müller, Chef des Verfassungsschutzes Brandenburg, ging sogar noch weiter und erkannte eine Art Lustgewinn bei Demonstrierenden:

"Extremisten träumen von einem deutschen Wutwinter."

Müller fabulierte weiter, dass "Staatsfeinde" aus der "Querdenker-Szene" sogar darauf hofften, dass möglichst viele Menschen im Herbst und Winter hart von der Energiekrise getroffen würden,

"um die Stimmung aufzugreifen und Werbung für ihre staatsfeindlichen Bestrebungen zu machen".

Andreas Zick, Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Uni Bielefeld, stellt noch einen weiteren Zusammenhang her, der sich schon einmal als äußerst effektiv erwiesen hatte. Der vom ZDF kurzerhand als "Extremismusforscher" bezeichnete Professor ist der Meinung, dass die "Querdenker-Szene" nicht wirklich weg war, sondern daran gearbeitet habe, sich neu zu organisieren. Zick warnt:

"Nach der Hochphase in den Lockdowns erfolgt aktuell eine Reorganisation, die sich im Herbst bemerkbar machen wird."

Derlei Formulierungen klingen tatsächlich nach Staatsfeindlichkeit, sie vermitteln das Gefühl einer organisierten Gruppe, die nichts Gutes im Schilde führt und nicht durch Argumente, sondern Feindbilder besticht, die früher einmal Merkel, Lauterbach und Drosten hießen, jetzt aber ein "Update" erfahren haben. Heute seien es dann eben Habeck und alle, die irgendwie nach Eliten riechen, die zum Objekt der Begierde der organisierten "Querdenker" würden.

Aber Zick hatte noch nicht genug. Laut ZDF sehe er "extremistische Allianzen" am Werk, die "nationalistisch orientiert" und durchsetzt mit "Alltagshass" vor allem "ideologisch motivierte Alltagsaggressionen" zeigten. Klar, dass auch "politisch motivierte Straftaten aus der Anti-Corona-Szene" zunehmen würden.

Das ZDF steht hier stellvertretend für zahlreiche weitere Medien, Herbert Reul verkörpert die großflächig verbreitete Meinung vieler Politiker. Man muss das hier Beschriebene als Vorarbeit betrachten, denn jüngst hat sich die Strategie geändert.

Keine "Wutbürger" im Herbst

Innenministerin Faeser verfolgt aber – wie oben angedeutet – noch eine weitere Taktik. Nach den Warnungen vor "Staatsfeinden", die auch Reul aufgegriffen hatte, folgte die Entwarnung. An so etwas wie Wutbürger, Gelbwesten oder gar Volksaufstände glaube sie nicht. Wirklich radikal sei sowieso nur eine kleine Gruppe:

"Denen geht's im Zweifel gar nicht um die Corona-Maßnahmen oder um die Energiepreisentwicklung."

Man müsse halt, wenn man protestiere, aufpassen, nicht den Radikalen auf den Leim zu gehen, die "aus der ganz rechten Ecke" kämen. Diese Minderheit erhalte eben leider eine große Aufmerksamkeit, die die schweigende Mehrheit nicht bekommt.

Damit kann man die "pädagogische Maßnahme" als vorerst beendet erklären. Die Feindbilder wurden mit aller Macht konstruiert und einsortiert, sie sind rechtsradikal, staatsfeindlich und nicht an Fakten interessiert. Die schweigende Mehrheit soll bloß die Finger von ihnen lassen. Da "Querdenker" aber schon jetzt für die kommenden Proteste verantwortlich gemacht werden, ist es – man kann sich des Eindrucks nicht erwehren – besser, gleich zu Hause zu bleiben. Schließlich bekommen die Rechtsradikalen und ihre Freunde die größte Aufmerksamkeit, da steckt man als braver, protestierender Bürger ganz schnell in der Klemme.

Es wird ein heißer medialer Herbst

Je näher der Herbst rückt, desto mehr wird sich die Presse radikalisieren. Nikolaus Blome zeigt schon einmal, wo der Hammer hängt, indem er Bürger (vornehmlich jene aus dem Osten Deutschlands) als "Pöbel" bezeichnet:

"Zum dritten Mal in sieben Jahren stellt sich die Frage, wie man diese Menschen erreicht, die alle menschliche Mäßigung fahren lassen. Flüchtlinge, Corona und nun Inflation oder 'Wutwinter'."

Hintergrund seines Textes ist die Veranstaltung in Neuruppin, auf der Kanzler Scholz massiv ausgebuht wurde. "Bürger", so Blome weiter, sei kein geschützter Begriff, und man müsse über die Grenze nachdenken, bei deren Überschreitung man das mit der Ansprache besser gleich ganz sein lassen sollte. Und weiter:

"(...) es gibt eben auch eine Grenze, jenseits derer sind bestimmte Bürger nicht mehr besorgt, sondern bescheuert, und es wäre an der Zeit, das einmal laut auszusprechen. Ich jedenfalls bin nicht bereit, mir von einer letztlich recht kleinen Gruppe diktieren zu lassen, in welchen gesamtgesellschaftlichen Modus wir zu schalten haben. Nicht schon wieder."

In diesem Satz steckt so viel Verachtung, dass einem übel wird. Und die Vielfalt an üblen Beschimpfungen kennen wir ja schon aus der Zeit der Corona-Proteste. Doch wer mit dem Gedanken spielt, gegen den wirtschaftspolitischen Wahnsinn der Bundesregierung auf die Straße zu gehen, muss mit genau solchen Angriffen rechnen. Blome drückt die Menschenverachtung aus, die von deutschen Medien ausgeht, und er wird kein Einzelfall bleiben, sondern sich in die Reihe derer gesellen, die schon warmlaufen, um die Angst vor steigenden Preisen und die existenziellen Sorgen unzähliger Menschen zu diffamieren.

Machen wir uns also nichts vor: Der Herbst wird trotz Kälte heiß, und Politik und Medien werden keine Gelegenheit auslassen, um die Menschen, die zu Recht besorgt sind, zu diskreditieren. Das wird vermutlich auch mittels Polizei und womöglich sogar Bundeswehr geschehen, denn Nancy Faeser hatte ja bereits gesagt, man sei auf alles vorbereitet, inklusive einer neu gegründeten Bundeswehreinheit, deren Aufgabe unter anderem der Kampf gegen Corona sei. Unwahrscheinlich, dass sie damit Gesprächskreise und Diskussionsrunden meinte.

Für die Menschen im Land kann jetzt nur gelten, sich ein dickes Fell zuzulegen. Die Beleidigungen werden erheblich sein, die Wahrscheinlichkeit von staatlicher Gewalt ist groß. Doch wir befinden uns in einer Zeitenwende, ja tatsächlich. In einer Wende, die über den weiteren gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Weg des Landes entscheidet. Die Bundesregierung scheint nicht ansatzweise bereit zu sein umzusteuern, sie geht den destruktiven Weg weiter, der uns alle in eine völlig neue und beängstigende Situation bringen wird.

Es kann also nur der Bürger sein, der der sogenannten repräsentativen Demokratie deutlich macht, dass sie ihn nicht repräsentiert. Und der Bürger muss wissen, dass auf den herbeigeführten Schaden durch die Politik der Kampf um die Deutungshoheit folgen wird. Dieser wird mit Zähnen und Klauen geführt, und die Einsortierung in die Schublade von "Staatsfeinden", "Verschwörungstheoretikern" und "Rechtsradikalen" gehört ganz selbstverständlich zum Repertoire der Mächtigen.

Am Ende aber bleibt der Bürger ein Bürger, egal, mit welchen Beleidigungsetiketten man ihn beklebt.

Tom J. Wellbrock ist Autor und Texter. Er betreibt den Blog Neulandrebellen.

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