Meinung

Trump und die Verfassung(en) des Westens

Jetzt also eine Hausdurchsuchung bei einem ehemaligen US-Präsidenten. Und mit fast religiösem Eifer wird vorgebetet, wie nötig und sinnvoll das war. Dabei ist das nicht nur ein juristisch zweifelhaftes Vorgehen. Da wird – wieder einmal – die Axt an Verfassungsgrundsätze gelegt.
Trump und die Verfassung(en) des WestensQuelle: AFP © STRINGER / AFP

von Dagmar Henn

Erinnert sich noch jemand an den Film "Rosenkrieg" mit Kathleen Turner und Michael Douglas? Da ging es um ein Paar, das in Scheidung lebt und im Streit um den gemeinsamen Besitz diesen und sich selbst zerstört. Irgendwie hat der Westen momentan etwas von einem dieser Ehepartner. Während lauthals die Verteidigung der "westlichen Werte" beschworen wird, für die man der Ukraine gegen Russland beistehen müsse, werden eben diese Werte Stück für Stück zertrümmert. Als unbeachteter Kollateralschaden eines hassgetriebenen Wütens.

Wobei, das Haus bleibt in diesem Film stehen. Der kollektive Westen gräbt gerade eher an den Fundamenten. Mit einem Presslufthammer, mindestens. Selbst wenn man nicht an diese Werte glaubt, hat es etwas Unheimliches, solche Handlungen zu beobachten. Wie einen katholischen Bischof, der Messwein auf den Boden gießt.

Der letzte Akt solcher Art war die Durchsuchung des Wohnsitzes von Donald Trump durch das FBI. Die deutsche Presse reagierte erwartbar darauf, nicht anders, als sie all die Jahre seiner Präsidentschaft über reagiert hatte, treu auf Seiten der demokratischen Regierung. Nur die Republikaner "empören sich"(Süddeutsche), die ZEIT erklärt zu Trump gar "Ohne Handschellen wird man ihn wohl nicht mehr los", und die FAZ schreibt über "Trumps Mär von der politischen Verfolgung." Ein Skandal wird höchstens in angeblich von Trump die Toilette hinuntergespülten Dokumenten gesehen, nicht in der Durchsuchung.

Das Ziel, Trump irgendwie zu schaden, scheint alle Mittel zu rechtfertigen, da sind die deutschen Medien nur eine Verlängerung des US-amerikanischen Mainstreams. Aber auch hier geht es wie bei Großbritannien bei den Sanktionen gegen einen eigenen Staatsbürger nicht nur um eine konkrete Handlung, sondern gleichzeitig um eine symbolische.

Diese symbolische Ebene ist, so eigenartig das für manche vielleicht klingen mag, in der Politik allgegenwärtig. Ich rede jetzt nicht von Symbolpolitik, wie sie die Grünen gerne betreiben, bei der drei, vier Personen für fünf Minuten Protest mimen oder geschlechtslose Toiletten als großer Erfolg verkauft werden. Ich rede von jener Symbolik, die sich in den täglichen Abläufen einer protokollarischen Hierarchie verbirgt, die man eigentlich wahrnehmen muss, wenn man irgendwo als Vertreter nicht nur seiner selbst auftritt (eines von vielen Dingen, die einer Annalena Baerbock völlig abgehen).

Ihre Bestandteile finden sich irgendwo auf der Linie von lächerlich bis sakral. Wie überall sonst auch, können symbolische Handlungen in der Politik falsch und verlogen sein, aber auch anrührend und echt. Ihre Grundlage liegt im kollektiven Wesen des Menschen; jedes Kollektiv entwickelt Symbole und Rituale der Selbstvergewisserung, das kann man schon an Fußballvereinen beobachten. Politische Symbolik bezieht sich auf die größten Kollektive, die die Menschheit kennt.

Der Grund, warum Auftritte von Außenministerin Annalena Baerbock im Sommerkleidchen eine Art symbolischer Dissonanz erzeugen, ist der, dass die Unterscheidung zwischen privater und "dienstlicher" Kleidung in der Politik das Symbol dafür ist, dass ein Auftritt eben nicht als private Person erfolgt, die ihren persönlichen Neigungen und Abneigungen folgen kann, sondern im Auftrag eines größeren Kollektivs. Die formelle Kleidung signalisiert unter anderem den Respekt gegenüber den nicht anwesenden Mitgliedern dieses Kollektivs, und private, "lockere" Kleidung signalisiert, dass dieser Respekt nicht vorhanden ist und die auftretende Person ihr Handeln als aus sich selbst heraus legitimiert betrachtet, als Spielfeld der privaten Neigung.

Viele politische Positionen sind in unterschiedlichem Maß Teil dieser Symbolik. Die Position des US-Präsidenten ist mit Sicherheit unter den am Stärksten symbolisch aufgeladenen. Schließlich ist die US-Verfassung sehr alt, die Rolle des Präsidenten wurde im 18. Jahrhundert definiert und hat noch deutliche Anklänge an das Königtum und dessen symbolische Stellung. Wobei die britischen Könige des 18. Jahrhunderts schon jene nach der Enthauptung von Charles I. waren, also gewissermaßen Könige minderer, eingeschränkter Macht.

Apropos Köpfen von Königen – auch hier ist die symbolische Ebene mindestens so wichtig wie die machtpolitische; es ist ein Akt, der sich nicht reproduzieren lässt, denn was immer danach als politisches System entsteht, wird dem vorhergehenden nicht mehr gleichen. Die Person lässt sich ersetzen. Aber das Wissen um die Überwindbarkeit der Macht bleibt.

Es gibt viele juristisch zweifelhafte Aspekte an der Durchsuchung des Anwesens des ehemaligen US-Präsidenten. Das beginnt mit der Frage, warum nicht erst einmal ein Brief geschickt wurde, um nach gewissen Akten zu fragen, wie das als normale Umgangsform üblich ist. Wenn man vom Nachbarn einen ausgeliehenen Schraubenschlüssel wiederhaben will, tritt man auch nicht gleich die Tür ein. Danach wäre es immer noch möglich gewesen, auf Herausgabe der Akten zu klagen.

Und natürlich hat es einen unangenehmen Beigeschmack, wenn der Richter, der den Durchsuchungsbeschluss abzeichnete, vor Antritt dieses Amtes ausgerechnet der private Anwalt von Jeffrey Epstein war, damit also Teil des Clinton-Zirkels, wie randständig auch immer.

Es gibt kein Gesetz, werden jetzt die Parteigänger der US-Demokraten sagen, das es verbietet, gegen einen Ex-Präsidenten rechtlich vorzugehen. Das stimmt. Aber das Recht hat zwei Enden, zwei Bereiche, in denen es nicht greift. Am unteren Ende stehen Handlungen, die so selbstverständlich sind, dass sie keiner rechtlichen Definition bedürfen. Am oberen Ende Handlungen, die so unvorstellbar sind, dass eine rechtliche Definition keinen Sinn macht. Es gibt kein Einwanderungsrecht für Außerirdische, und kein Gesetz, das es dem Papst verbietet, bei Vollmond nackt auf dem Petersplatz zu tanzen.

In den fast 250 Jahren, die die Verfassung der USA inzwischen in Kraft ist, gab es erst eine Hausdurchsuchung bei einem ehemaligen Präsidenten. Das ist die bei Trump, vor wenigen Tagen. Es gab bisher 45 Präsidenten. Viele davon hatten Akten bei sich zu Hause. Das weiß man schon alleine deshalb, weil diese üblicherweise nach ihrem Tod in einer Bibliothek aufbewahrt werden, die ihren Namen trägt. Die Vernichtung von Akten ist ein Problem, weil die Archivierungspflicht in den USA sehr weitgehend ist; aber bei einer Hausdurchsuchung lässt sich nur ein Vorhandensein von Akten feststellen, aber nicht eine Vernichtung.

Und grundsätzlich gibt es gegenüber einem Präsidenten in einer präsidialen Verfassung wie der US-amerikanischen kein Geheimnis. Aus seiner Amtszeit gibt es keine Information, die zu erhalten er keinen Anspruch hat. Erst nach Ablauf der Amtszeit, und nur bezogen auf Ereignisse und Akten, die danach entstanden sind, gäbe es irgendeinen Ansatz zur Kritik.

Es sieht eher wie eine kleinliche, umgekehrte Reinszenierung der Vorwürfe gegenüber Hillary Clinton aus, die tatsächlich nicht nur Kommunikation aus dem Außenministerium über den privaten Rechner laufen ließ, sondern solche Kommunikation zusätzlich auch noch löschte. Wobei die Position eines Präsidenten eben noch einmal eine andere ist als einer Außenministerin.

Das mag vorübergehend einigen ihrer Fans ein gewisses Hoch verschaffen. Aber was geschieht mit der Rolle des Präsidenten in den USA? Nachdem bereits so getan wird, als sei der unverkennbar geistig bereits sehr eingeschränkte Joe Biden eine angebrachte Besetzung in einer fundamentalen Krise? Oder, anders herum formuliert, was bleibt noch übrig von diesem Amt und seiner Stellung in der US-amerikanischen Gesellschaft, in der jedes Kind die komplette Liste der Präsidenten heruntersagen kann, wenn die nächsten zwei Jahre so weitergehen?

Und dabei geht es nicht um Außenpolitik. Es geht um die Menge der Überzeugungen, die die Lager in der Gesellschaft noch miteinander teilen. Die sie vielleicht noch nicht einmal davon abhalten, einander an die Kehle zu gehen, aber Grundlage dafür sein könnten, damit wieder aufzuhören und weiter in einem Land miteinander zu leben.

Diesen eigenartigen Zug, Grundsätze preiszugeben, die für ihn selbst noch wichtig sein könnten, zeigte der Westen bereits in ersten Ansätzen im Sommer 2014, als in Kiew ein Angriff auf die dortige russische Botschaft erfolgte und der UN-Sicherheitsrat diesen Angriff nicht verurteilte. Das war ein im Grunde banales Ereignis, das routinemäßig mit einer Formulierung des Bedauerns abgefertigt hätte werden können; in den Jahrzehnten davor war es mitnichten ein Ausdruck besonderer Sympathie, dies zu tun, sondern schlicht die Wahrnehmung der Tatsache, dass die Sicherheit von Botschaften ein gemeinsames Interesse darstellt.

Im selben Sommer nahm es dann das Internationale Komitee vom Roten Kreuz widerspruchslos hin, dass die ukrainischen Truppen eine Versorgung des Donbass mit humanitärer Hilfe blockierten. Ein klarer Verstoß gegen das Kriegsvölkerrecht, aber weil das IKRK nicht dagegen protestierte, blieb er unsichtbar. Der Preis dafür war nur ein enormer Vertrauensverlust auf der anderen Seite; für eine Organisation, deren Ursprung in einer Versorgung von Kriegsopfern ohne Betracht ihrer Zugehörigkeit liegt, keine Lappalie.

So ging es mit einer internationalen Organisation nach der anderen; als wolle man jede Struktur, die einen Schritt in Richtung Frieden mit dem auserwählten Gegner ermöglicht, gezielt in Stücke schlagen. Aber inzwischen ist dieser Prozess tief in die eigene Politik eingedrungen. Es werden nicht mehr nur die Vasen zertrümmert, es wird mit dem Presslufthammer an den tragenden Wänden gearbeitet und am Fundament gegraben.

Es ist keine Zerstörung von unten, die üblicherweise von einem Modell begleitet wird, wie die Dinge besser zu regeln wären. Es ist eine Zerstörung von oben, eine Macht, die sich selbst der Legitimität beraubt (es ist nicht möglich, gegen Ex-Präsident Trump vorzugehen, ohne den Präsidenten Biden zu schwächen, so wie es nicht möglich ist, gegen einen Ex-Kanzler Schröder vorzugehen, ohne den Kanzler Scholz zu schädigen); die auf ihre Schwäche mit wütenden Anklagen gegen jede abweichende Meinung reagiert, ohne an dieser Schwäche etwas ändern zu können, die im Gegenteil immer weitere schwächende Schritte unternimmt.

Bei aller Bemühung, die rationalen Triebkräfte hinter diesem Verhalten zu erkennen und zu benennen, es bleibt ein unheimliches, absurdes Theater. Die Magna Carta? Die Stellung des US-Präsidenten? Ins Feuer damit. Das, was unauffällig auf internationaler Bühne begonnen hat, was dann mit Zensur und Einschränkung des Meinungskorridors fortgesetzt wurde, ist inzwischen bei den Verfassungsgrundlagen angekommen, und in einem Staat des Westens nach dem anderen geschieht dasselbe. Ins Feuer damit.

Dabei verschwinden weder die Bevölkerungen noch die Staaten des Westens, wenn dieser seine Machtstellung verliert. Den meisten gewöhnlichen Bürgern wäre das ohne den erzwungenen Showdown in der Ukraine und den Sanktionszirkus vermutlich nicht einmal sonderlich aufgefallen; nur die eigenen Politiker nötigen sie, an diesem Untergangstheater teilzunehmen, und sorgen nach Kräften dafür, dass nichts mehr übrig bleibt.

Währenddessen rufen sie wie Monthy Pythons Schwarzer Ritter: "Das ist doch nur eine Fleischwunde!"

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