Meinung

Großer Profiteur des Ukraine-Krieges: Die Rüstungsindustrie

Während die meisten Wirtschaftszweige in Deutschland und Europa wegen des Ukraine-Krieges unter steigenden Energiepreisen und Lieferengpässen leiden und mit Umsatzeinbußen rechnen müssen, erwartet die Rüstungsindustrie riesige Gewinne.
Großer Profiteur des Ukraine-Krieges: Die RüstungsindustrieQuelle: www.globallookpress.com © imago stock & people

von Désirée Stella Lambert 

Die Eskalation im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hat in der benachbarten Europäischen Union zu einem raschen Kurswechsel in der jeweiligen Verteidigungs- und Rüstungspolitik geführt. Statt der vorherigen Doktrin zur Zurückhaltung zu folgen, kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Anfang März ein Sondervermögen in Höhe von rund 100 Milliarden Euro für den Verteidigungsetat und weitere Investitionen im militärischen Bereich an. 

Es verwundert nicht, dass nahezu zeitgleich zu dieser Ankündigung die Aktien von Rüstungsunternehmen rasante Kursanstiege verzeichneten. Des einen Leid, des anderen Freud. Und während die Kämpfe in der Ukraine zum Leid der dortigen, bereits zuvor gebeutelten Bevölkerung weitergehen, steht der Sieger der ukrainischen Tragödie – wie zuvor bei den unzähligen Nahostkriegen auch schon – bereits fest: Es ist nicht Russland und auch nicht die Ukraine, sondern der militärisch-industrielle Komplex. 

Unter anderem konnten der deutsche Rüstungselektroniker Hensoldt und die Rheinmetall AG in den vergangenen Tagen je eine Aktienwertsteigerung von rund 90 Prozent verzeichnen. Auch der französische Rüstungs- und Raumfahrtkonzern Thales, sowie das britische Rüstungsunternehmen BAE Systems gehen zurzeit als Gewinner an der Börse hervor.

Doch ging es der deutschen Rüstungsindustrie bereits vor dem Eingreifen Russlands in der Ukraine vor knapp drei Wochen finanziell recht gut. Insbesondere die im Nahen Osten herrschende instabile Sicherheitslage veranlasste die Bundesregierung im Jahr 2021 dazu, Rüstungsexporte im Wert von 9,35 Milliarden Euro zu genehmigen, wovon mehr als vier Milliarden Euro allein auf Ägypten entfielen. "Dank" weltweit schwelender Konflikte war das seit 1902 bestehende Nürnberger Familienunternehmen Diehl Defence in der Lage, im Jahr 2020 einen Umsatz von knapp einer halben Milliarde Euro zu generieren und somit den zweitbesten Jahresabschluss der immerhin über hundertjährigen Firmengeschichte zu verbuchen.

Unerwartete Profiteure 

Der Krieg in der Ukraine und das damit in Deutschland einhergegangene politische Umlenken in der Verteidigungspolitik offenbart bei genauerem Hinsehen jedoch noch einen anderen, durchaus unerwarteten Profiteur der steigenden Rüstungsaktienkurse: die Bundesrepublik Deutschland selbst. So hält diese neben ihren Anteilen am Luftfahrt- und Rüstungsunternehmen Airbus auch eine Sperrminorität von 25,1 Prozent am Rüstungsunternehmen Hensoldt.

Um die Firma bei ihrem Börsengang im Jahr 2020 vor "unfreundlichen Mächten" zu schützen, stieg der Bund über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) als Anteilseigner bei Hensoldt ein. Aufgrund ihrer wegweisenden Innovationen der Sensorik, der Verschlüsselungstechniken und der Radarsysteme für die elektronische Kampfführung ist das Unternehmen heiß begehrt. 

 

Das Geschäft mit dem Krieg 

Pünktlich zum Beginn des Ukraine-Krieges fanden sich am 1. und 2. März 2022 in Nürnberg behördliche Spezialisten zur "Fachmesse für Behörden mit Sicherheitsaufgaben" zu den Themen Law Enforcement, Tactical Solutions und Homeland Security zusammen. In diesem Jahr verzeichnete die Messe gar einen Austeller- und Besucherrekord.

Bei der alljährlich stattfindenden Enforce Tac treffen sich Polizeiführer, Grenzschützer, Terrorismusexperten, militärische Einkäufer sowie auch Geheimdienstler, um sich bei den Ausstellern vor Ort einen Überblick über die neusten Innovationen im Bereich der Sicherheits- und Wehrtechnik zu verschaffen und sich innerhalb einer diskreten Atmosphäre untereinander auszutauschen.  

So werden dort, der offiziellen Webseite des Veranstalters zufolge, "neben Waffen, Waffenzubehör, Kommunikations- und Optoelektronik sowie taktischer Ausrüstung und Spezialfahrzeugen", von den Ausstellern auch "Einsatzbekleidung wie Plattenträger, Schutzwesten, Körperschutz und Helme sowie Ausbildungs- und Trainingssysteme" präsentiert.

Angehörige von Sicherheitsbehörden konnten sich bei der diesjährigen Enforce Tac zudem während der dort stattfindenden Europäischen Polizeitrainer Konferenz (EPTK) nicht nur fachlich austauschen, sondern auch theoretische und praktische Ausbildungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen. Neben der EPTK beinhaltete das Rahmenprogramm auch die vom "UAV DACH" organisierte Fachkonferenz zum Thema "Drohnen als taktische Einsatzmittel", bei der die Messebesucher über die neuesten Einsatzmöglichkeiten unbemannter Luftfahrzeuge informiert wurden.

Beim "UAV DACH" handelt es sich um einen im Jahr 2000 gemeinsam vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Diehl Defence, RUAG und Airbus gegründeten Interessenverband, der sich für die zivile, gewerbliche unbemannte Luftfahrt einsetzt.  

Die Ereignisse in der Ukraine und die daraufhin erfolgte unerwartete Kehrtwende von Bundeskanzler Olaf Scholz bescherten der Rüstungsbranche nebst eines gewaltigen Nachfragezuwachses auch erhöhte Umsatz- und Gewinnerwartungen, was für den Besucher- und Ausstellerrekord der "Enforce Tac 2022" vermutlich ausschlaggebend war. Demnach rechnet Rheinmetall-Chef Armin Papperger in Folge der Geschehnisse in der Ukraine nunmehr mit einer Umsatzsteigerung von bis zu zwei Milliarden Euro. Gegenüber der dpa sagte der Manager Anfang März: 

"Mittelfristig sehen wir in Deutschland ein jährliches Potential von bis zu zwei Milliarden Euro an zusätzlichem Umsatz, wenn die entsprechenden Beauftragungen erfolgen."

So konnten es die dortigen Vertreter des zuvor stark umstrittenen Industriezweiges kaum fassen, unter der Regierung Scholz einen so enormen Richtungswechsel der deutschen Wehr- und Verteidigungspolitik zu erleben. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung (SZ) gestand der als Geschäftsführer für den Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) tätige, ehemalige Kampfjet-Pilot Andreas von Büren, dass ihn die Rede von Scholz sehr überraschte: "Ich saß wie bestimmt viele Menschen mit offenem Mund da, so erstaunt war ich." 

Job-Boom in der Rüstungsbranche

Die mehr als gute Auftragslage deutscher Rüstungsunternehmen spiegelt sich auch bei einem Blick in die aktuellen Stellenausschreibungen der Branche wider. In Deutschland ist der größte Personalbedarfszuwachs bei Konzernen und Firmen zu verzeichnen, die dem militärischen Bereich zuarbeiten.

Der Rüstungsriese Rheinmetall beispielsweise rechnet seit der verkündeten Erhöhung des Verteidigungsetats damit, 1.000 bis 3.000 zusätzliche Mitarbeiter für neue Aufträge durch die Bundeswehr-Aufrüstung zu benötigen. Auch der Kleinwaffen-Hersteller Heckler & Koch, Hensoldt und auch Diehl Defence stellen sich demnach auf ein größeres Geschäft und einen damit einhergehenden erhöhten Personalbedarf ein. 

Die nukleare Teilhabe und das Verteidigungssondervermögen

Ein weiterer Profiteur des eskalierenden Ukraine-Krieges wird vermutlich auch das US-Unternehmen Lockheed Martin sein. Denn die Bundesregierung sucht bereits seit geraumer Zeit nach einem Nachfolger für den in die Jahre gekommen Tornado-Jet des taktischen 33. Luftwaffengeschwaders der Bundeswehr. Im Rahmen des NATO-Konzepts der nuklearen Teilhabe soll dieser nämlich im Falle eines entsprechenden Ernstfalls die amerikanischen, im rheinland-pfälzischen Büchel gelagerten Atombomben transportieren und über dem anvisierten Zielort abwerfen. So dürfte ein Teil der geplanten Finanzspritze in den Kauf neuer F-35 Atombomber von Lockheed Martin fließen. Über die Anschaffung will die Koalition bis Ende März entscheiden. 

Neben der Anschaffung neuer Atombomber könnte und wird ein Teil der 100 Milliarden Euro Militärfinanzspritze der Bundesregierung vermutlich auch der zurzeit stattfindenden Modernisierung in Deutschland gelagerter US-Atombomben des Typs B61-4 zugutekommen. Diese werden mit Zustimmung des Bundestages seit 2020 modernisiert und sollen bis 2025 nach und nach erneut in Dienst gestellt werden, heißt es in einem Manager Magazin-Bericht vom Februar. Somit wird auch dieser Industriezweig von den durch den Ukraine-Krieg erfolgten Eskalationen zwischen der NATO und Russland profitieren.  

Gewinnmöglichkeiten für Investoren 

Doch auch Groß- und Kleinanleger werden nun nach und nach in den Genuss eines gesicherten Geldflusses in Folge der steigenden Rüstungsausgaben der Bundesregierung und den dadurch erhöhten Renditeerwartungen diverser Rüstungsunternehmen und deren Zulieferern kommen. Der Geldfluss scheint gesichert und befindet sich dank der steigenden Anzahl von Waffenlieferungen an die Ukraine nunmehr sogar im Wachstum.

Denn sämtliche sich an den Waffenlieferungen beteiligende NATO-Länder müssen nun in Folge ihrer Ukraine-Unterstützung die eigenen Waffenbestände ergänzen. Eine gesicherte Investition, in die eine mögliche NATO-Beteiligung an dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine überhaupt noch gar nicht eingerechnet ist. Eine schier unendliche Eskalationsspirale, die nur einen Sieger kennt: die Rüstungsindustrie und deren Investoren.

In diesem Zusammenhang warnte Polizeigewerkschaftschef Rainer Wendt erst am Sonntag in der Bild, dass der sich aufheizende Konflikt zwischen der NATO und Russland wegen des russischen Eingreifens in der Ukraine zu Anschlägen auf NATO-Militärstützpunkte in Deutschland führen könne. "Sabotageakte auf NATO-Basen in Deutschland müssen von uns unbedingt verhindert werden", sagte Wendt und deutete damit ein Hochfahren der dortigen Sicherheitsvorkehrungen an. Dies wird vermutlich wiederum mit neuen Investitionen und Mehrausgaben im Bereich gefahrenreduzierender Präventionsmaßnahmen für diese Liegenschaften einhergehen. 

So zeigt sich erneut: Als Sieger des Ukraine-Krieges, seiner Kriegsrhetorik und den nunmehr täglich erfolgenden, sich gegenseitig übertreffenden Warnungen vor potenziellen zukünftigen Ereignissen in diesem Zusammenhang geht nur die Rüstungsindustrie samt all ihrer Investoren hervor. 

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
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Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.