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Wie oft sagten die USA schon: "Glaubt uns" – und dann stellte sich alles als Lüge heraus?

Zwei angesehene Mitglieder der amerikanischen Presse wurden an ein und demselben Tag beschuldigt, Sympathisanten Russlands und des IS zu sein, nachdem sie von der Biden-Regierung Klarstellungen und Beweise erbeten hatten. Bemühungen der US-Medien, objektiv zu bleiben, werden jetzt offenbar als Akt der Illoyalität gegenüber den USA gebrandmarkt.
Wie oft sagten die USA schon: "Glaubt uns" – und dann stellte sich alles als Lüge heraus?Quelle: AFP © Timothy A. CLARY / AFP

Ein Kommentar von Rachel Marsden

Der erste Vorfall ereignete sich während einer Pressekonferenz des Weißen Hauses, bei der die Pressesprecherin, Jen Psaki, über die jüngste Liquidierung eines IS-Kommandeurs in der syrischen Provinz Idlib sprach, Abu Ibrahim al-Hashimi al-Qurayshi. Laut einer Nacherzählung der Ereignisse durch Präsident Joe Biden im Fernsehen sprengte sich die Zielperson selber in die Luft und riss einige Familienmitglieder und weitere ISIS-Kämpfer mit in den Tod, als sie von amerikanischen Spezialtruppen eingekreist wurden. Aber warum sollte er das tun, lautete eine der Fragen. Weil er "wohl ein Feigling" war, erwiderte Biden.

"Ich weiß, dass die USA die Erklärung abgaben, dass der IS-Kommandeur eine Selbstmordbombe gezündet hat. Aber werden die USA dafür irgendwelche Beweise liefern? Weil es vielleicht Menschen gibt, die sich gegenüber den Darstellungen der Ereignisse und über das, was mit den Zivilisten passiert ist, skeptisch sind", fragte Ayesha Rascoe, Korrespondentin von National Public Radio (NPR) im Weißen Haus.

Jen Psaki antwortete mit der Frage: "Skeptisch gegenüber der Einschätzung des US-Militärs, wie der IS-Kommandeur ausschaltet wurde? Wollen Sie damit sagen, dass das US-Militär keine wahrheitsgetreuen Informationen liefert? Liefert denn der IS wahrheitsgetreue Informationen?" Man beachte, dass die Journalistin nicht behauptet hatte, dass der IS ein Gegennarrativ verbreitet hat, sondern dass das offizielle Narrativ der US-Regierung einige Menschen im Land skeptisch machen könnte. Und die USA haben sich in Zusammenhang mit Syrien sicherlich eine gehörige Portion Skepsis verdient.

Man hat nicht nur das Narrativ verbreitet, nach dem die von privaten Organisationen aus dem Westen gegründeten White Helmets humanitäre Lebensretter und objektive Zeugen von syrischen und russischen "Gräueltaten" sind – und nicht eine willkommene Propagandafront. Erst vergangenen November veröffentlichte die New York Times einen Artikel mit der Überschrift: "Wie die USA verdeckt einen Luftangriff flogen, der Dutzende von Zivilisten in Syrien tötete".

Dem Bericht zufolge warf im März 2019 ein F-15-Kampfflugzeug eine 500-Kilo-Bombe auf die Stadt Baghuz ab, kurz bevor ein weiteres Flugzeug zwei Bomben von je 1.000 Kilo abgeworfen hatte. Erst nach den Ermittlungen der Zeitschrift Times gab das Zentralkommando der US-Streitkräfte zu, möglicherweise bis zu 80 Menschen, darunter zahlreiche Zivilisten, getötet zu haben. Man stellte sich jedoch auf den Standpunkt, dass die Frauen und Kinder "Kämpfer" gewesen sein könnten. Nun könnte man argumentieren, dass jeder, der sich in einem Kriegsgebiet aufhält, Freiwild ist. Einverstanden, aber dann sollte man sich sich nicht wundern, wenn die Angehörigen und Landsleute dieser Opfer die USA für die nächsten Generationen hassen werden.

Der Konflikt in Syrien bildete auch den Hintergrund für die von den USA unterstützte Ermordung des iranischen Generals Qassem Soleimani auf dem irakischen Flughafen Bagdad vor zwei Jahren, woraufhin die Trump-Regierung öffentlich auf Selbstverteidigung plädierte und der US-Geheimdienst darauf hinwies, dass Soleimani einen unmittelbar bevorstehenden Angriff auf "amerikanische Interessen" plante. Ein Memo des Weißen Hauses entlarvte dies später als Ausrede.

Am selben Tag, als Psaki die Journalistin von NPR abwimmelte, weil sie nicht ohne weiteres das neueste Hollywood-Szenario aus dem Weißen Haus übernehmen wollte, beschuldigte der Sprecher des Außenministeriums, Ned Price, einen erfahrenen Journalisten, auf der Seite Russlands zu stehen, weil dieser es wagte, Beweise von Price einzufordern, für die Behauptung, dass Russland einen Vorfall unter falscher Flagge inszenieren wird, um eine Invasion der Ukraine zu rechtfertigen.

Price beschuldigte Russland während seiner Pressekonferenz, "einen Vorwand zu konstruieren, um eine militärische Aggression gegen die Ukraine zu initiieren und zu legitimieren". Der erfahrene Journalist Matt Lee von der Associated Press (AP) bat um Beweise – echte Beweise, mit denen die Behauptungen von Price untermauert werden können. Price antwortete daraufhin: "Wenn Sie an der Glaubwürdigkeit der US-Regierung, der britischen Regierung oder anderer Regierungen zweifeln und Trost in Informationen finden möchten, die von den Russen veröffentlicht wurden – dann ist das Ihre Sache".

Ein langjähriges, gestandenes Mitglied der amerikanischen Presse wird kurzerhand verleumdet, nur weil er es wagte, Skepsis gegenüber dem zu zeigen, was letztendlich eher ein Vorwand für die NATO und die USA sein könnte, einen Krieg zu führen, als für Russland. Die Rhetorik der "Falschen Flagge", die auf eine mögliche zukünftige Bedrohung eines NATO-Verbündeten hindeutet, wird vom westlichen Militärbündnis verwendet, um zu rechtfertigen, dass Waffen immer näher an die russische Grenze verlegt werden müssen. Die USA bauen effektiv ein Narrativ auf, wonach alles, was jetzt an der ukrainisch-russischen Grenze passiert, Russland angeheftet werden kann und somit eine NATO-Aggression gerechtfertigt wäre, unabhängig davon, wer für einen möglichen Vorfall unter falscher Flagge verantwortlich sein würde.

Wie oft haben die USA im Laufe der Geschichte bereits Vorwände unter falscher Flagge geschaffen, um Kriege und Invasionen zu rechtfertigen, und anschließend die Öffentlichkeit über die Realität der darauf folgenden Konflikte belogen?

Es gab die "unmittelbare Bedrohung" durch Massenvernichtungswaffen im Irak, mit der die Invasion dieses Landes gerechtfertigt wurde. Da war der Vorfall im Golf von Tonkin, der die Beteiligung der USA am Vietnamkrieg auslöste. Geendet hat dieser Krieg mit dem defätistischen Spektakel der Flucht mit Helikoptern vom Dach der US-Botschaft in Saigon, nachdem man der amerikanische Öffentlichkeit jahrelang versichert hatte, dass die USA und ihre Verbündeten den Krieg in Vietnam "gewinnen" würden. Da war die "unmittelbare Bedrohung" durch marxistische Sandinisten in Nicaragua, was geheime Waffenverkäufe an den Iran, zur Finanzierung der Contras rechtfertigte, während man gleichzeitig die Öffentlichkeit darüber belogen hat. Dann die "unmittelbare Bedrohung" durch einen atomar bewaffneten Iran. In jüngerer Zeit gab es die "unmittelbare Bedrohung" durch die Taliban in Afghanistan, was damit endete, dass das Weiße Haus nach dem abrupten Abzug der Koalitionstruppen eine Niederlage erklären musste und die Taliban erneut die vollständige Kontrolle über das Land übernahmen.

Angst hat es jeder US-Regierung immer ermöglicht, öffentliche Unterstützung zu mobilisieren – sei es mit der Angst vor dem Kommunismus, Angst vor dem Terrorismus oder sogar Angst vor einem Virus. Diese Angst hat ihr viel zu oft einen Freibrief gegeben, Maßnahmen zu ergreifen, die für den Durchschnittsbürger von fragwürdigem Wert waren und dessen Interessen regelmäßig denen einer kleinen Elite geopfert wurden.

Diese Leute verdienen nicht länger einen Vertrauensvorschuss bei allem, was aus ihrem Mund kommt. Sich für die Interessen des amerikanischen Volkes einzusetzen, ist kein feindlicher Akt – es ist die eigentliche Definition von Patriotismus.

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Übersetzt aus dem Englischen.

Rachel Marsden ist eine Kolumnistin, politische Strategin und Moderatorin eines unabhängig produzierten französischsprachigen Programms, das auf Sputnik France ausgestrahlt wird. Ihre Webseite finden man unter rachelmarsden.com

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