Meinung

Der Zauberberg Zuckerbergs: Muss das Metaversum sein?

Während Big Tech-Milliardäre wie Jeff Bezos und Elon Musk versuchen, den Weltraum zu erobern, ist der Facebook-Co-Gründer, Mark Zuckerberg, erpicht darauf mit seinem Metaversum das menschliche Bewusstsein zu erklimmen. Was wäre wenn?
Der Zauberberg Zuckerbergs: Muss das Metaversum sein?Quelle: Legion-media.ru

von Alexander Pałucki

Das Metaversum (zu Englisch: "Metaverse") als Begriff wurde bereits Anfang der 1990er Jahre in der Science-Fiction-Literatur geprägt. Grob definiert handelt es sich bei einem Metaversum um einen digitalen, augmentierten Raum virtueller Realität. Jedes Community-Videospiel, das jemals übers Internet gespielt wurde, könnte dieser Kategorie untergeordnet werden. Heutzutage bezeichnet es aber vielmehr eine virtuelle Realität höherer, schwerwiegenderer und ernsthafterer Qualität. Eine, wo amtliche, kommerzielle und soziale Prozesse aus der bisherigen Wirklichkeit doubliert, erweitert, "verbessert" und – perspektivistisch – sogar vollkommen verändert oder ersetzt werden sollen.

Als wichtigstes Datum wird wohl der 28. Oktober 2021 eingehen, da dies der Tag war, an dem Facebook zu 'Meta Platforms, Inc.' umbenannt wurde. Das Ziel war, die großen Ambitionen der Firma und ihres CEOs zu demonstrieren: die definierende Rolle zu übernehmen, wie ein solches Metaversum in Zukunft ausschauen würde und wer es gestalten und verwalten solle. Dazu gab es auch ein hölzernes, aber detailliertes Video, in dem Mark Zuckerberg die letzten zwei Jahre der Pandemie kryptisch anspricht und als effektiven Nährboden für einen Transfer vom handelsüblichen Universum – wie wir es die letzten paar tausend Jahre gewohnt waren zu bewohnen – hin zu seinem Metaversum darstellt.

Wenn man bedenkt, wie enorm wichtig zentralisierte Massenmedien bisher gewesen sind für die anfangs – und größtenteils bis heute – monolithische Pandemie-Darstellung und die Deutungshoheit über sie, so wäre ein stetig sendendes, andauernd suggerierendes Metaversum eine gänzlich neue Liga der Diskurs- und Wahrnehmungskontrolle.

In der Videobotschaft wird das ganze Unterfangen natürlich als ein unvergleichlicher Segen für die Menschheit dargestellt. Ob dem wirklich so ist, gilt es zu überprüfen.

Die Schildkröte und der Hase

Facebook ist zweifelsohne die Schildkröte. Sich die Deutungs- und Handlungshoheit über das Metaversum zu reservieren, war nämlich keine spontane Nacht- und Nebelaktion vom vorigen Jahr: Bereits im Jahr 2014 akquirierte Facebook für zwei Milliarden US-Dollar die Firma "Oculus VR, Inc." und sicherte sich damit ein fundamentales Standbein für eine spätere Dominanz des Marktes namens "virtuelle Realität".  

Dieser enorme Schachzug stellt die Geduld und Langzeitplanung von Zuckerberg und seinen Kollegen praktisch bloß, denn die Firmenübernahme bescherte Facebook auf Anhieb drei Viertel des neuen, noch aufstrebenden Marktes.  Das Virtual Reality-Headset namens "Oculus Rift" ist heute schon das wichtigste Utensil für den Beitritt in das und die Existenz in dem Metaversum. Der Hase könnte die Bevölkerung sein, die eine Flucht nach vorne betreibt, statt sich diesem Wettrennen gänzlich zu entziehen. Oder es handelt sich um die anderen IT-Firmen, die in ihrer ungläubigen Kurzsichtigkeit am Ende doch nur im dystopischen Panoptikum der Schildkröte dienen werden. 

Wird der Mensch das trojanische Pferd hereinlassen? Der Expansion dieses künstlichen Konstrukts sind Grenzen nur durch folgende Aspekte gesetzt: die Rate der Adaption, sozialer Druck, Gruppenzwang, vernommene Bequemlichkeit, Akzeptanz und Einwilligung der Bevölkerung.

Menschen haben bereits Ehen im Metaversum geschlossen oder digitales Land erworben. Immobilien können dort errichtet werden. Musikkonzerte finden bereits im Metaversum statt. Als achtgrößte Firma weltweit und mit insgesamt über zwei Milliarden Nutzern hat Facebook fünfmal mehr Klienten, als irgend eine andere soziale Medienplattform. Das Potenzial ist also signifikant. Wem noch nicht mulmig geworden ist, sollte sich ins Gedächtnis rufen, wie viele fragwürdige Rechts- und Ethiküberschreitungen Zuckerberg zu verantworten hat.

Eine düstere Chronik, während der Daumen "hoch" bleibt

Der wohl prekärste Bruch des guten Tons sowie der Privatsphäre im Internet ist die Teilnahme des sozialen Netzwerks am US-amerikanischen Überwachungsprogramm PRISM. Es kann freilich angenommen werden, dass auch 'Meta Platforms, Inc.' dieser Kollaboration in Zukunft nicht nur verpflichtet bleibt, sondern sie ausweiten lässt.

Kritik kam aber vermehrt auch auf einer tiefenpsychologischen Verhaltensebene. Diese Ebene wächst stetig in ihrer Komplexität und zeichnet de facto ein eigenes Marktsegment in der Internet-Wirtschaft aus: "Wie erhöhe ich mit meiner App den Suchtfaktor bei Kunden – und damit das Ausschütten von Dopamin – mehr, als meine Konkurrenten?" Allen darauf erklungenen Beteuerungen Zuckerbergs zum Trotz, nämlich, dass es sich hier eher um einen wohltätigen Prozess der Effizienzsteigerung handele: Das Metaversum kündigt sich unmissverständlich als ein wütender, neuer Ozean des Dopamins an, der der bisher vernommenen Wirklichkeit an sich die Position streitig machen möchte.

Kombiniert man Facebooks Kontrolle über das oben genannte Headset "Oculus Rift" mit deren Ambitionen ein Maschinen-Gehirn-Interface zu entwickeln, sind die mittelfristigen Geschäftsziele der neuen 'Meta Platforms, Inc.' klar – ob nun technologisch erreichbar, oder nicht. Die damalige Chefin der innovativen 'Building 8'-Abteilung bei Facebook, Regina Dugan, sprach im Jahr 2017 von der Entwicklung einer solchen Technologie, und umschrieb sie kurz in der simplen Frage:

"Was wäre, wenn Sie direkt von Ihrem Gehirn aus tippen könnten?"

Ja, was wäre eigentlich, wenn? Besonders mit PRISM und der CIA als stiefmütterliche Stütze. Zwar wurde 'Building 8' offiziell im Jahr 2018 aufgelöst, die dortigen Ideen stellen jedoch eine allgemeine technologische Herausforderung dar, der sich auch andere Big Tech-Figuren, wie Elon Musk, widmen.

Die Strategie Zuckerbergs: einflussreiche Institutionen, Organisationen, Firmen und Persönlichkeiten in das Metaversum zu locken, sie dort zu beheimaten, um dann den sozialen Druck für all diejenigen zu erhöhen, die zunächst auf diesen neuen Raum verzichtet hätten. Beispiele für potenzielle und laufende Partnerschaften gibt es viele. Zum einen ist die evangelikale US-Megakirche "Hillsong" in eine exklusive Zusammenarbeit getreten, Gottesdienste permanent und ausschließlich über das Metaversum zu veranstalten. Ähnliche Vorschläge wurden sicherlich beim Treffen im Jahr 2016 zwischen Zuckerberg und Papst Franziskus diskutiert. Seit einigen Jahren hat das Imperium um Facebook herum keinen Hehl daraus gemacht sich an der weltweiten "religiösen Erfahrung" beteiligen zu wollen und sogar den virtuellen Austragungsort dafür bereitzustellen. Von der Formung und Kuratierung politischer Bewegungen ganz zu Schweigen, denn das geht einher mit der bereits seit Jahren übergreifenden politischen Zensur auf der Plattform.

Zielgerichtete Werbung wird innerhalb des Metaversums noch um mehrere Ebenen ausgefeilter, invasiver und allgegenwärtiger. Sie ließe sich mit den technokratischen Dystopien von Philip K. Dicks Science-Fiction-Werken vergleichen. Eine Verfilmung Dicks, die die Aspekte dessen visuell überzeugend darstellt, ist Steven Spielbergs "Minority Report" aus dem Jahr 2002.

Klopfen die Deutschen bald auch an die Tore des Metaversums?

Eines muss man sagen: Die Coronakrise war für Deutschland bisher ein Glück im Unglück. Bereits im Anlauf zu den Bundestagswahlen 2017 war (vor allem bei der FDP) das dringende Wahl-Motto der Stunde die sagenumwobene "Digitalisierung". Und diese kam dann über die Republik im Express drei Jahre später: QR-Codes, Terminbuchungen und Lebensmittelbestellungen frei Haus über die App, Exodus aus den Büros, hinein in die trauten Heime. Wird das alles bald über das Metaversum erfolgen?

Sogar der elektronische Geldverkehr wurde hier und umso mehr im Ausland massenhaft schmackhaft gemacht, da man ja mit Bargeld – früher ein Banner für bedingte, finanzielle Selbstbestimmung – heutzutage die Omikron-Variante ins Haus schleppen könne. Ein weiterer kleiner Schritt die Wirtschaft in den augmentierten Raum zu transferieren. Kurz gesagt, in Deutschland wurden Dinge erreicht, die man sich vorher erst frühestens für die späte zweite Hälfte des 21. Jahrhunderts hätte vorstellen können.

In einem Interview mit dem Wall Street Journal aus dem Jahr 2008 erklärte der Obama-Berater Rahm Emanuel:

"Man will nie, dass eine schwere Krise ungenutzt bleibt. Was ich damit meine, ist, dass sie eine Gelegenheit ist, Dinge zu tun, von denen man glaubt, dass man sie vorher nicht tun konnte."

Silicon Valley nahm sich dieses dialektische Prinzip so sehr zu Herzen, dass die Anführer ihrer einzigartige Jahresumsätze verzeichneten. Schon im März 2021 stand fest: Neun der größten Industrievertreter, darunter auch Jeff Bezos (Amazon) oder Elon Musk (Tesla), erwirtschafteten insgesamt einen Überschuss von 360 Milliarden US-Dollar. Der hier bereits viel zitierte Mark Zuckerberg hat davon 100 Milliarden US-Dollar generiert. All das geschah während der Coronakrise und ihrer weltweit umgesetzten Lockdown-Politik. Seit dem ist schon wieder ein Jahr vergangen.

Der "transhumanistische Pate" der "Vierten Industriellen Revolution" selbst, Klaus Schwab, hat diesen Ansatz auch offen bekräftigt

"Die Pandemie stellt eine seltene, aber schmale Gelegenheit dar, über unsere Welt zu reflektieren, sie sich neu vorzustellen und sie zurückzusetzen."

Ob mich aber – zum Beispiel – Berliner Bürgerämter in absehbarer Zeit deren Gefilde über das "Oculus Rift"-Headset von Zuhause aus betreten lassen, ist fraglich.

Anders in Südkorea. Wie zuvor mit der 5G-Technologie, deren Infrastruktur im April 2019 online ging, war die ostasiatische Republik auch hier als erstes Land bereit und hoch motiviert bei der Adaption weltweit in Führung zu gehen. Erste Anwendungen des Metaversums würden zunächst im administrativen Sektor angesiedelt sein, um eine direkte Kommunikation zwischen den Bürgern der Hauptstadt und ihren gewählten Volksvertretern ermöglichen zu können. Anfang 2023 soll der Startschuss dafür erklingen.

Metaversum und Blockchain: ein Widerspruch?

Auf den ersten Blick mag hinsichtlich dessen nicht wirklich etwas faul sein. Die meisten würden vielleicht gar keine Korrelation vermuten. Die Wahrheit ist, dass das Metaversum grundlegend auf die Technologie der Blockchain angewiesen ist. Ohne sie gäbe es keine NFTs dort, oder verlässliche Kryptowährungen, die nun über einige Jahre hinweg öffentliches Vertrauen gewinnen konnten – ohne die übliche staatliche Zulassung oder Sanktion.

Das Schlüsselwort der Stunde ist "Dezentralisierung". Diese wurde mit der Erschaffung des Bitcoins versprochen und ist derzeit im Begriff einer möglichen Umsetzung. Mit der Blockchain-Technologie des Bitcoins wurde eine Welt in Aussicht gestellt, in der eine digitale, unfälschbare Währung dezentral und eben ohne zentralisiertes Machtorgan – dem eine Kontrolle ihrer Parameter verweigert werden würde – zu ermöglichen. Dieses Konzept überschlägt sich inzwischen rasch und nimmt für Dinge wie mobile Messenger Apps, Videostreaming-Plattformen und andere Arten der sozialen Medien im Internet, neue Bedeutung an. Konkret ist die Zensur-freudige Videoplattform Youtube gemeint, der Mikrobloggingdienst Twitter, oder seit kurzem auch der Telegram Messenger, der inzwischen angefangen hat, politische Influencer auf deutsche Staatsbitte hin hierzulande zu blockieren. Letzterer ist eine besondere Enttäuschung für Privatsphären-bewusste und Rede- und Gewissensfreiheit huldigende Internetnutzer, die es gerade deswegen seit einigen Jahren in Massen in den Telegram Messenger spülte. Diese Probleme sind in dezentralisierten Netzwerken, wie denen, die über die Blockchain existieren und das Web 3.0 verspricht, potenziell irrelevant. Keine zentrale Instanz kann Zensur veranlassen, zum Guten wie zum Schlechten.

Big Data, bigger problems

Wer glaubte, dass seine Daten und Privatsphäre in den letzten Jahren schon vollkommen ausgeschlachtet wurden und es nicht mehr viel schlimmer werden könnte, sollte sich wappnen dafür, was mit dem Metaversum erst ermöglicht wird. Denn neben Daten reiht sich nun eine neue Goldmine ein: das menschliche Bewusstsein an sich.

Meta Platforms, Inc. wird befähigt sein, Daten und Informationen über das Individuum in einer nie zuvor dagewesenen Komplexität und Vielfalt zu schöpfen, zu sammeln und zu interpretieren. Der gläserne Bürger würde spätestens dann unmissverständlich geboren sein. Wenn man erstmal innerhalb des digitalen Ökosystems "Metaversum" ist, werden jegliche Kompromisse oder "benutzerdefinierte Einstellungen", wie es immer so schön heißt, vollkommen kosmetischer und beschwichtigender Natur sein. Jede Bewegung in diesem ungeschützten Raum könnte augenblicklich als politischer Akt neutralisiert, sanktioniert und geahndet werden. 

Es gibt einen alten Witz, der – in Anbetracht des oben Genannten – die Optimisten von den Pessimisten trennt. An dieser Stelle gilt es ihn unvollendet stehen zu lassen: 

Ein Mann (manchmal auch die gesamte Gesellschaft) befindet sich im freien Fall von einem Hochhaus und versichert sich bei jedem vorbei schweifenden Stockwerk: 

"So weit, so gut."

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RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

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