Meinung

Warum mögen die Leute Joe Biden nicht? Zählen wir es mal auf

Gelangweilt vom endlosen Kicken mit dem Coronavirus, das zum Fußball der Politiker mutierte, widmete sich die chattende Klasse einer neuen Frage: Warum mögen so viele Menschen den US-Präsidenten nicht? Es würde mehrere Enzyklopädien füllen, diese Frage vollständig zu beantworten, also versuchen wir es kurz zu machen.
Warum mögen die Leute Joe Biden nicht? Zählen wir es mal aufQuelle: www.globallookpress.com © Yuri Gripas - Pool via CNP/CNP/AdMedia

Ein Kommentar von Helen Buyniski

Durch Barack Obama persönlich im vergangenen Jahr gesalbt, konnte sich Joe Biden – trotz einer miserablen Leistung in den Vorwahlen – auf die Pole-Position der Demokraten schleichen und kam zu einem Wahlergebnis, das ihn als den beliebtesten Präsidenten in der Geschichte der USA präsentieren sollte. Und das trotz klarer Hinweise darauf, dass Biden nicht wegen seiner Tugenden gewählt worden war, sondern lediglich wegen der Fehler seiner Kontrahenten.

Dabei war am Anfang eigentlich klar, dass Biden keinerlei Regierungsgeschäfte übernehmen würde. Als aber alle Kontrahenten gegen Biden plötzlich von ihrer Kandidatur um das Amt des Präsidenten zurücktraten, um fortan Biden zu unterstützen, wurde es offensichtlich, dass der frühere Präsident Obama zugunsten seines Ex-Vize ein paar Anrufe getätigt hatte, um zu erklären, dass der ausrangierte Fettnäpfchen-Treter Joe Biden eine zwar seltsam tatterige, rassistische, aber eine Erlösung für die Demokratische Partei sein werde. Unter dem Deckmantel einer Diversität im Look von United-Colors-of-Benetton würde der Nation ein Bild vom Fortschritt projiziert werden, während das alte System unter der Decke weiter rattern darf.

Warum aber sollte Biden in eine solche Position gebracht werden, wenn es jüngere, vielseitigere und kohärentere Kandidaten bei den Demokraten gab? Aus einem simplen Grund: Für jeden, der wirklich eine Palastrevolte plant, um den Präsidenten auszuschalten, würde das zu einem einzigartig katastrophalen Vorhaben geraten – also für all jene, die die zutiefst unerwünschte Kamala Harris nicht als Präsidentin haben wollten. Harris, die in ihrer Unbeliebtheit an zweiter Stelle nur noch von Biden übertroffen wird, könnte in ihrer Position als Vize sicher neutralisiert werden, und der Status quo wäre wieder sicher in den Händen jenes Systems, das bei Biden die Fäden zieht, sollte die Wirtschaft wirklich zusammenbrechen.

Dieses System hätte dann die Lizenz, jeden Beliebigen vor einen fahrenden Bus zu werfen, wenn der Zusammenbruch stattfindet – ohne einen beliebten Demagogen an der Spitze, der die Bürger noch dazu aufrufen könnte, sich gegen ihre abscheulich korrupte Elite zu erheben. Da wäre keine  politische Kultfigur mehr, die von ihrer Gefolgschaft fordert, mit Mistgabeln und Fackeln zum Hauptquartier von BlackRock oder zur Villa von dessen CEO zu ziehen. Da wäre auch keine anwachsende Bewegung mehr, um die Massen davon zu überzeugen, ihre Fernseher abzuschalten oder aus dem Fenster zu werfen, um zu sehen, wie COVID-19 und die Androhung einer Impfpflicht als letztes schwaches Echo in irgendwelchen dunklen Hirnwindungen verschwinden.

Auch Biden wäre zu einem unbedeutenden Fleck geschrumpft, zu einer Existenz, die trotz ihrer Jahrzehnte im Kongress so belanglos ist, dass man einen Raum drei- oder viermal wirklich durchsuchen müsste, um den verwirrt wirkenden alten Mann mit Haarersatz zu erkennen, der so aussieht, als würde er lieber Bingo mit seinen Mitbewohnern im Weißen Haus spielen, statt auf der politischen Bühne zu brillieren. Deshalb nimmt der Mann natürlich keine Fragen entgegen, die nicht vorher verabredet waren, und gerät in Wut, wenn er doch mit einer Frage konfrontiert wird, über die er im Vorfeld nicht instruiert werden konnte.

Aus demselben Grund, weil schon Trumps Kampagne 2020 so seltsam glanzlos als eine sorgfältig choreografierte Todespirouette für den eingefleischten Schauspieler rüberkam, wollte Bidens Partei die Verantwortung für den Untergang des amerikanischen Imperiums nicht in ihren Händen halten. Das baldige Aussterben des Dinosauriers namens Petrodollar bewegt sich täglich näher an den Abgrund. Und jene Partei, die dann gerade im Amt sein wird, wird buchstäblich wie auch im übertragenen Sinne mit leeren Taschen dastehen, was ihren Untergang unmissverständlich und unumkehrbar macht. Aus einem Sexskandal oder einer Veruntreuung kann man sich herauswinden. Aber den widerlichen Gestank vom Zusammenbruch des globalen Finanzsystems wird man nie mehr loswerden. Sogar George W. Bush junior hat das gar nicht erst versucht, sondern hat die Verantwortung für das Debakel fein zwischen seinem eigenen Rettungspaket und dem späteren Obama aufgeteilt, mit reichlichen Duftmarken unangebrachter Propaganda über "Hoffnung". Die Amerikaner wurden mit so viel "Hoffnung" übergossen, dass sie nicht mehr wussten, wo oben und unten ist, als sie dann ihre Häuser verloren, und konnten auch nicht mehr ausmachen, wer eigentlich an alledem schuld war.

Biden befindet sich also irgendwo zwischen einem felsigen und einem anderen harten Ort, sollte er – oh Wunder – überhaupt wissen, wo er sich gerade befindet. Nur 36 Prozent der Amerikaner heißen seine derzeitige Amtsführung gut, während sie von 53 Prozent abgelehnt wird, was laut einer Umfrage der Universität Quinnipiac von vergangener Woche sein bisher schlechtester Umfragewert ist. Aber da ist noch mächtig viel Luft nach unten. Der Aktienmarkt steigt weiter, obwohl die Realeinkommen weiterhin implodieren, und dem kleinen Mann von der Straße bläst heftig ins Gesicht, dass es eben keinen wirklichen Zusammenhang zwischen dem Aktienmarkt und dem Leben der gewöhnlichen Bürger gibt. Es ist eine harte Lektion, aber irgendwann müssen die Amerikaner mal anfangen zu lernen. Die Frage ist jetzt, wird wirklich irgendjemand diese Lektion lernen und etwas damit anzufangen wissen, oder werden alle einfach nur weiter in den sozialen Medien lamentieren und wieder einschlafen?

Im progressiven Flügel der Demokratischen Partei brodelt es, nachdem er gesagt bekam, er solle 2020 einfach "blau stimmen, egal für wen" – mit dem Versprechen auf ein paar Lebkuchen und vielleicht einer Spur aus Brotkrumen, die ihm den Weg aus dem finsteren Wald von Trumponien in ein helles liberales Paradies weisen wird. Stattdessen haben sie eine Ohrfeige nach der anderen erhalten, während ihr neokonservativer Präsident (der Mann, der übrigens mit am Patriot Act geschrieben hat, wie wir alle zu vergessen scheinen) darum kämpft, das Miststück Neera Tanden und Rahm Emanuel, ihren Tanzpartner aus der Hölle durch einen sehr entgegenkommenden Senat zu peitschen. Diejenigen, die in der Hoffnung auf eine Rückkehr zu einer nicht existenten "Normalität," für Biden stimmten, bekommen nun von ihren Freunden auf der linken Seite die "Ich habe es dir doch gesagt"-Behandlung und den unschuldigen Hundeblick von ihren Freunden auf der rechten Seite.

Und Biden hat trotz aller Versprechungen, nach vier Jahren der vermeintlich katastrophalen Trump-Präsidentschaft einen neuen Kurs zu fahren, einfach ausgecheckt – und lässt das Gemetzel weitergehen. Tattrig auf sein neuntes Jahrzehnt zusteuernd scheint er die Hälfte der Zeit kaum zu wissen, wo er sich gerade befindet, ebenso wie der Rest des Kongresses, von denen die meisten Mitglieder Seniorenrabatte beim örtlichen Starbucks verlangen könnten.

Kein Wunder, dass die Amerikaner keine Beziehung zu Biden finden können. Die Frage ist nur, warum sie nicht mehr gegen solche Regierung von Halunken für die Gauner unternehmen. Die komatösen Reaktionen auf einen Skandal nach dem anderen ähneln nichts so sehr wie den vergangenen Traumata, die Liberale nach der Wahl Obamas erleben mussten, als sie erst glaubten, dies sei es nun – das Ende des schier endlosen Krieges gegen den Terror –, um dann nur noch größere Portionen von demselben Fraß serviert zu bekommen.

"Es werden nur noch ein paar Jahre" wurde zum nicht enden wollenden Refrain. Aber der nützt den Jungen und Menschen der mittleren Altersgruppen gar nichts, die unter den desaströsen politischen Entscheidungen dieser Gauner leiden müssen.

Bidens wahre Probleme mögen bei seinem Image beginnen – es ist schwer, an einen Politiker zu glauben, der seine Sinne nicht mehr vollständig unter Kontrolle zu haben scheint – aber während sich die Republikaner während eines ähnlichen geistigen Niedergangs um Ronald Reagan versammelten, haben die Demokraten begonnen, sich leise von Biden zu distanzieren. Das heißt, es geht um mehr als nur um seine bloße Demenz.

Bidens Präsidentschaft hat das zusätzliche Problem, dass er den Amerikanern als der Mann verkauft wurde, der das Land "reparieren" würde. Die Manager dieser Story behaupteten, alle hätten förmlich um diesen Kandidaten gebettelt – und verdammt noch mal, dann sollten sie ihn auch bekommen. Vielleicht erfahren wir nie die Wahrheit darüber, was es mit all der Wahl-Akrobatik auf sich hatte, die im letzten November hinter den Kulissen über die Bühne ging. Aber allein die Vorstellung, dass Biden mehr Stimmen gewonnen hat als jeder andere Präsidentschaftskandidat zuvor in der US-Geschichte, ist ein so erbärmlicher Witz, dass Our Democracy™ besser vor Scham versinken sollte. Hätten sie dieser Missachtung der Wähler nicht auch noch eine besondere Beleidigung nachgereicht, wäre die Biden-Crew vielleicht noch mal heil davongekommen, aber es war ein Tritt zu viel für eine Bevölkerung, die es wirklich leid ist, ständig getreten zu werden.

Der frühere US-Arbeitsminister Robert Reich jammerte letzte Woche im britischen Guardian und er klang verwirrt – wenn nicht sogar persönlich angegriffen – angesichts so vieler undankbarer Amerikaner, die Biden nicht mögen. Und er wollte gern wissen, was denn diese Regierung noch alles tun solle. Schauen Sie sich doch die Börse an! Sie schießt durch die Decke! Aber es braucht schon eine Persönlichkeit von der Statur eines Donald Trump, um solch einen Mist a la Trump an den Mann zu bringen – und diese Größe hat Biden nun einmal nicht.

Es kann keine Regierungsstrategie sein, unsere Erwartungen noch tiefer zu schrauben, als sie es ohnehin schon sind – auf ein Niveau noch unterhalb der Sparpolitik, nachdem schon mehrere Präsidenten hintereinander die Axt an die Wirtschaft gelegt und ihre Kumpane dazu ermutigt hatten, sich die Taschen so schnell wie möglich zu füllen. Diese Regierung muss aufhören, BlackRock und dergleichen zu erlauben, die Staatskasse zu plündern. Sie muß vielmehr Insiderhandel durch den Kongress, Investmentbanken und Private Equity verbieten und anfangen, das Geld an die Menschen zurückzugeben. Das ist es, ansonsten lasst die Amerikaner selbst die Wahrheit ausgraben – aber dann werden sie mit dem, was sie finden, nicht sehr glücklich sein.

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Übersetzt aus dem Englischen.

Helen Buyniski ist eine US-amerikanische Journalistin und politische Kommentatorin bei RT. Man kann ihr auf Twitter @velocirapture23 und auf Telegram folgen.

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