Meinung

Krieg gegen Statuen – Der Wahn, Geschichte umzuschreiben

Der Krieg gegen Statuen ist kein Kampf um "Kontext" oder "Kolonialismus". Er ist ein offensichtlicher Versuch, die Vergangenheit und damit die Gegenwart zu kontrollieren. Diese infantile Dämonisierung aller westlichen historischen Persönlichkeiten muss aufhören.
Krieg gegen Statuen – Der Wahn, Geschichte umzuschreibenQuelle: www.globallookpress.com © Marcel Lorenz via www.imago-imag

Ein Kommentar von Joanna Williams

Vergangene Woche kehrte der Wahn des letzten Sommers zurück, öffentliche Denkmäler und Statuen zu verunstalten, als ein Bildnis von Christoph Kolumbus in London mit roter Farbe übergossen wurde.

"In 1492, segelte Kolumbus durch das blaue Meer. Er hatte drei Schiffe und verließ Spanien, mit Mut im Herzen sehr. Er segelte durch Sonnenschein, durch Wind und Regen."

So begann ein einst beliebter Kinderreim von Jean Marzollo. Aber vielleicht muss dieser jetzt ergänzt werden:

"500 Jahre später, sein Bildnis, von Hassern angegriffen; mit roter Farbe übergossen, um uns daran zu erinnern, dass er kein Heiliger war."

Okay, ich bin eindeutig kein Poet. Aber andererseits werden heute wahrscheinlich nur wenige Kinder das ursprüngliche Liedchen kennen. Früher wurde Geschichte als eine mächtige Quelle von Erzählungen angesehen, die den Nationalstolz hoben, inspirieren und kultivieren konnten. Heute bietet Geschichte meist nur noch Lektionen in Schuld, Scham und Selbsthass. Von uns wird erwartet, dass wir die Vergangenheit anprangern und für vergangene Sünden Buße tun.

Der Angriff auf Statuen und Denkmäler trägt den Geruch des Mittelalters mit sich. Öffentliche Ehrungen für historische Persönlichkeiten – Statuen, Straßennamen oder Gedenktafeln – werden zerstört, entfernt oder "kontextualisiert", zusammen mit Anweisungen zur richtigen Einordnung durch die Öffentlichkeit. Aktivisten scheinen nicht in der Lage zu sein, zwischen leblosen Objekten und echten Menschen zu unterscheiden, wenn sie mit ihren Aktionen Granit mit moralischen Reinigungsritualen bestrafen.

Anfang vergangener Woche war Christoph Kolumbus an der Reihe. Aktivisten beschädigten sein Denkmal in London, indem sie es mit roter Farbe übergossen. Ihre nicht ganz subtile Botschaft war, dass der Mann, der Amerika entdeckte, Blut an seinen Händen hat. Sie wollen, dass Kolumbus – wenn man ihn überhaupt in Erinnerung behalten darf – eher als Verbrecher denn als Held in Erinnerung behalten wird. Sie wollen, dass er mit Sklaverei und dem Tod eingeborener Völker in Verbindung gebracht wird und nicht mit seinem Wagemut, über die hohe See gesegelt zu sein, um neue Welten zu entdecken.

Kolumbus befindet sich in diesen Kontroversen in guter Gesellschaft. Die Statue von Winston Churchill auf dem Londoner Parlamentsplatz wird regelmäßig mit Graffiti beschmiert. Während der "Black Lives Matter"-Proteste im vergangenen Jahr wurden die Worte "Churchill war ein Rassist" auf den Sockel seines Denkmals gekritzelt. Das Denkmal wird jetzt jeweils von Polizeibeamten beschützt, wann immer entsprechende BLM-Kundgebungen anstehen. Die Statue des Kaufmanns und Sklavenhändlers Edward Colston fand ein weitaus destruktiveres Ende. Sie wurde von Demonstranten kurzerhand abgerissen, in den Hafen von Bristol geschleppt und ins Meer geworfen.

Der "Krieg gegen die Denkmäler" ist auch ein Krieg um Großbritanniens Erbe aus seiner Vergangenheit. Als Siegesprämie lockt, wie an die Vergangenheit erinnert werden soll und wer die Geschichte neu schreiben darf. Die Aktivisten stellen sich auf den Standpunkt, dass britische Bürger, wenn man sie sich selbst überlässt, an einer Version der Vergangenheit festhalten werden, in der das Imperium verherrlicht und begangene Ungerechtigkeiten übersehen werden.

Diese modernen Barbaren glauben, dass wir, wenn wir die Vergangenheit mit etwas Positivem verbinden, eine Haltung der weißen Vorherrschaft in der Gegenwart legitimieren. Es ist gemäß ihnen viel besser, die Vergangenheit vollständig auszulöschen und mit einer neuen, politisch akzeptableren Version der Geschichte zu ersetzen.

Wenn sie an der Zerstörung eines Denkmals gehindert werden, dann bestehen die Aktivisten darauf, dass historische Denkmäler "in einen Kontext" gestellt werden müssen, mit aufklärenden Texten begleitet, die genau aufzeigen sollen, was wir als "problematisch" zu empfinden haben. Aktivisten fordern seit langem die Entfernung der Statue von Cecil Rhodes am Eingang zur Oriel-Fachhochschule der Universität Oxford. Da sie sich damit nicht durchsetzen konnten, haben sie eine Texttafel aufgestellt, um zu "erklären", was Rhodes ihrer Meinung nach falsch gemacht hat.

Das neu angebrachte Schild beschreibt Rhodes als "engagierten britischen Kolonialisten, der sein Vermögen durch die Ausbeutung von Bodenschätzen, Land und Völkern im südlichen Afrika erlangte. Einige seiner Aktivitäten führten zu großen Verlusten an Menschenleben und wurden zu seiner Zeit und seitdem kritisiert".

Die Statue von Edward Colston in Bristol wurde ähnlich "kontextualisiert". Aus dem Hafenwasser geborgen, in das sie geworfen wurde, ist es heute im Stadtmuseum ausgestellt. Sie steht nicht aufrecht, sondern liegt horizontal, mit der Farbe, die während den Protesten über sie gegossen wurde, immer noch sichtbar. Die daneben stehende Texttafel klärt Besucher über die Verbrechen von Colston auf. Der Text ist ein Loblied auf die Aktivisten und nicht eines auf Colston. Der jetzt liegende Colston ist zu einem Fest für die BLM-Bewegung geworden.

Es ist absolut nichts Falsches daran, der Öffentlichkeit historische Informationen zur Verfügung zu stellen. Aber das Problem mit der aktuellen Ernte bei "Kontextualisierungen" besteht darin, dass sie die Sünden historischer Persönlichkeiten in den Vordergrund stellen und deren Errungenschaften ausblenden. Das Ziel besteht nicht darin, uns von der Vergangenheit zu erzählen, sondern die Gegenwart zu bestimmen.

Die Botschaft lautet, dass wir keinen Stolz, sondern Scham empfinden sollen. Obwohl jahrzehntelang die meisten Menschen an Statuen vorbeigelaufen sind, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen, sollen wir heute denken, dass diese urbanen Möbel aktuelle Ungerechtigkeiten repräsentieren.

Dieser Ansatz zeugt von historischer Unbildung. Er fordert uns auf, eine direkte Linie zwischen vergangenen Ereignissen und den Erfahrungen der Menschen von heute zu ziehen – als würden Unterdrückung und Privilegien immer noch nach Entscheidungen verteilt, die vor Jahrhunderten getroffen wurden. Der Ansatz gibt vor, historische Figuren seien keine komplexen Produkte der Epoche, in der sie gelebt haben, sondern vereinfachen einfach in "gut" oder "schlecht". Undemokratisch ist auch dieser Krieg gegen Denkmäler: Er ermöglicht es, dass Geschichte einfach von denen umgeschrieben wird, die am lautesten schreien.

Eine Bewegung von Gelehrten wehrt sich jetzt aber dagegen. Sie nennt sich History Reclaimed (Geschichte, zurückgewonnen), mit der ich stolz verbunden bin, und wurde gegründet, um "dem Missbrauch der Geschichte für politische Zwecke" entgegenzutreten und Versuche zurückzudrängen, "die Geschichte westlicher Demokratien neu zu schreiben, um damit die Solidarität innerhalb der Gemeinschaft, ihrer Erfolgserlebnisse und sogar ihre grundlegende Legitimität zu unterminieren".

Die Bewegung anerkennt, dass "Freie Gesellschaften auf Beteiligung der Bevölkerung, auf Vertrauen und Solidarität angewiesen sind. Sie brauchen ein gemeinsames Ziel und ein Selbstwertgefühl. Eine gemeinsame Geschichte ist eine notwendige Grundlage für eine erfolgreiche Demokratie." Lasst uns der Bewegung viel Erfolg wünschen.

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Übersetzt aus dem Englischen.

Joanna Williams ist Gründerin der Denkfabrik CIEO und Buchautorin. Sie schreibt regelmäßig Kolumnen für die Online-Publikation Spiked. Man kann ihr unter @jowilliams293 auf Twitter folgen.

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