Meinung

Ein Unternehmen, das die Gedanken von Menschen kontrollieren kann, sollte Anlass zu Besorgnis sein

Trotz des vorgeblichen Konflikts zwischen Facebook und der US-Regierung, gibt es eine heimtückische, nicht öffentliche Arbeitsteilung zwischen dem Social-Media-Unternehmen und dem US-Außenministerium, die es beiden ermöglicht, sich der öffentlichen Rechenschaftspflicht zu entziehen.
Ein Unternehmen, das die Gedanken von Menschen kontrollieren kann, sollte Anlass zu Besorgnis seinQuelle: www.globallookpress.com © Thiago Prudencio/Keystone Press Agency

Ein Kommentar von Norman Lewis

Die geheime schwarze Liste von Facebook ist ein mächtiges Werkzeug, um Gedanken und Meinungsfreiheit zu kontrollieren und zu moderieren und somit die Ziele der US-Außenpolitik weltweit zu fördern. Auf dem investigativen Online-Medium The Intercept wurde diese geheime schwarze Liste bei Facebook veröffentlicht, auf der "Gefährliche Personen und Organisationen" (GPO) gelistet sind – von Verfechtern der weißen Vorherrschaft, Hassgruppen, militarisierten Bürgerrechtsbewegungen bis hin zu mutmaßlichen Terroristen. Dass Facebook solche Akteure auf seinen Plattformen nicht dulden will, wirft ein Licht auf die in Methoden, mit denen generell soziale Netzwerke ihre Inhalte moderieren – Inhalte, von denen behauptet wird, dass sie im realen Leben zu realen Gewalttätigkeiten führen könnten.

Diese neuesten Enthüllungen offenbaren zwei Besorgnis erregende Dimensionen. Die erste ist, dass die Liste – insbesondere in Bezug auf die Kategorie Terrorismus – hauptsächlich aus einer Liste stammt, die vom US-Finanzministerium erstellt und von George W. Bush unmittelbar nach den Anschlägen vom 11. September 2001 genehmigt wurde.

Diese Beschränkungen lassen sich bis ins Jahr 2012 zurückverfolgen, als Facebook, angesichts der wachsenden Besorgnis des US-Kongresses und der Vereinten Nationen, über die Online Rekrutierung von Terroristen, ein Verbot von "Organisationen mit terroristischen oder gewalttätigen kriminellen Aktivitäten" in seine "Gemeinschaftsstandards" aufnahm. Das war zunächst als Anfang ein bescheidener Schritt. Aber mittlerweile wurde das bis zur heute sogenannten GPO-Richtlinie ausgeweitet. Damit wird nun eingeschränkt, was die 2,9 Milliarden aktiven Nutzer bei Facebook weltweit – also nicht nur US-Bürger – über eine enorme und ständig länger werdende Liste von Einrichtungen sagen dürfen, einzig weil die vom US-Außenministerium als illegal gebrandmarkt werden.

Facebook fördert damit effektiv global die derzeitige US-Außenpolitik. Und als ob das nicht besorgniserregend genug wäre, wird die wachsende Macht dieser Plattform dadurch legitimiert, die globale Meinungsfreiheit auch noch zu moderieren – eine Befugnis, die keine Grenzen kennt, weil sie sich der öffentlichen Rechenschaftspflicht entzieht. Und das ist die zweite und weit mehr Besorgnis erregende Komponente der GPO-Liste. Facebook hat freie Hand, um die Gedanken und die freie Meinungsäußerung von Milliarden von Nutzern auf der ganzen Welt zu kontrollieren.

Die Kategorisierung von Hassgruppen oder Einzelpersonen – darunter längst verstorbenen historischen Persönlichkeiten wie Adolf Hitler oder Benito Mussolini – ist heimtückisch. Wenn Facebook Gruppen oder Personen sperrt, schränkt es damit eine breite Öffentlichkeit umfassend ein, Ereignisse oder Ideen zu diskutieren oder auch nur zu beschreiben.

Die Art und Weise, wie Facebook entscheidet, was verboten wird oder was "verbotene Meinungen" sind, ist wirklich erschreckend. Interne Dokumente, über die zuerst vom britischen Guardian und dem amerikanischen Online-Portal Vice berichtet wurde, lassen erkennen, wie unscharf Facebook definiert, was es für einen Nutzer der Plattform für Konsequenzen haben kann, wenn er jemanden auf der GPO-Liste "lobt", "unterstützt" oder gar selbst "repräsentiert". Facebook fordert seine Moderatoren effektiv dazu auf zu hinterfragen, was in den Köpfen seiner Nutzer vorgeht. Nicht nur die Sprache, sondern auch die Gedanken werden weltweit überwacht.

Die Moderatoren von Facebook sind allerdings keine Psychologen. Und selbst wenn dies der Fall wäre, sollte man das Moderieren von Gedanken und Meinungsäußerung nicht mit solch einer Verachtung angehen. Aber es ist kommt noch schlimmer. Die globalen Content-Moderatoren von Facebook sind eine ausgelagerte Armee schlecht bezahlter Arbeiter im Stundenlohn, von denen erwartet wird, dass sie zusammen mit einer automatisierten Software unter anderem herausfinden, was verbotenes "Lob" ist oder was die Kriterien von "Unterstützung" erfüllt, und die dann auch noch darüber entscheiden, ob dies im Rahmen des spezifischen geografischen Standorts, der Sprache und deren Kontext der Fall ist. Das ist ein bemerkenswert leichtsinniger und unbekümmerter Ansatz bei der vermeintlichen Wahrung von Grundfreiheiten. Aber das ist kein leichtfertiger Ansatz – es ist heute die todernste Realität.

Die Vorstellung, dass ein privates und nach Gewinn strebendes Unternehmen die Macht hat, die Sprache und die Gedanken von Milliarden von Menschen aus Hunderten von Ländern und zahllosen Kulturen effektiv in einen Rahmen zu pressen – erlassen im Silicon Valley und vom US-Außenministerium – sollte ein dringender Anlass zu weltweiter Besorgnis sein.

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Übersetzt aus dem Englischen.

Norman Lewis ist Autor, Redner und Berater für Innovation und Technologie und war zuletzt Direktor bei PriceWaterhouseCoopers, wo er den Service der Crowdsourcing-Innovation aufgebaut und geleitet hat. Er twittert unter @Norm_Lewis

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