Meinung

Israels Sabotageakt gegen das iranische Atomprogramm ist ein Sabotageakt gegen den Weltfrieden

Der Besuch des Pentagon-Obersten Lloyd Austin in Israel ist eine deutliche Erinnerung daran, dass Israel von den USA fast immer seinen Willen bekommt und ihren vollen Schutz bei seinen Eskapaden genießt – auch wenn sie den Weltfrieden gefährden und Zielen der USA zuwiderlaufen.
Israels Sabotageakt gegen das iranische Atomprogramm ist ein Sabotageakt gegen den WeltfriedenQuelle: AFP © Iranisches Präsidialamt / AFP

Ein Kommentar von Scott Ritter

Nach einer Woche fruchtbarer Gespräche zwischen den Parteien des JCPOA (Joint Comprehensive Program of Action, dt. "Gemeinsamer umfassender Aktionsplan", besser bekannt als das iranische Atomabkommen) und den Vereinigten Staaten (die ihrerseits seit Mai 2018 keine Partei mehr sind und den Gesprächen lediglich als Beobachter beiwohnten), sah es so aus, als hätten sich die USA und Iran auf ein von beiden Seiten akzeptiertes Ergebnis geeinigt: die Aufhebung aller von den USA verhängten Sanktionen im Zusammenhang mit dem Atomprogramm im Gegenzug für die Rückkehr Irans zur vollständigen Einhaltung seiner Verpflichtungen gemäß den Bedingungen des JCPOA. Der Teufel steckte jedoch im Detail. Und so wurde bis zum Ende der Woche keine Formel für die Abfolge der Maßnahmen vereinbart, die von beiden Parteien ergriffen werden müssen, um ihre jeweiligen Anforderungen zu erfüllen. Nicht einmal ein Zeitrahmen wurde festgelegt.

Während die Diplomaten an einer für alle Parteien akzeptablen Lösung arbeiteten, feierte Iran am Samstag den sogenannten Nationalen Tag der Nukleartechnologie, welcher das elfte Jahresdatum der Beherrschung des nuklearen Brennstoffkreislaufes im Lande markiert. Irans Präsident Hassan Rohani besuchte die Urananreicherungsanlage in Natanz, wo er eine Kaskade von 164 IR-6-Zentrifugen zur Urananreicherung sowie zwei Testkaskaden mit jeweils 30 IR-5- und 30 IR-6S-Zentrifugen einweihte. Rohani beaufsichtigte auch den Beginn der Testläufe der IR-9-Zentrifugen der neuesten Generation. Ferner nahm er an einer Zeremonie zur Eröffnung einer neuen unterirdischen Zentrifugenhalle teil. Diese soll die Anlage ersetzen, die im Juli 2020 durch eine Explosion zerstört wurde, für die Israel verantwortlich gemacht wird.

Alle Betriebsabläufe in der Urananreicherungsanlage Natanz waren technisch gesehen Verstöße gegen den JCPOA. Iran betont jedoch, im Einklang mit Artikel 26 des Abkommens zu handeln: Dieser besagt, sollten die USA neue nuklearbezogene Sanktionen gegen Iran verhängen, würden solche Schritte "Gründe (für Iran) darstellen, die Erfüllung seiner Verpflichtungen aus diesem Gemeinsamen umfassenden Aktionsplan ganz oder teilweise auszusetzen".

Irans Schritte vom Samstag, dem 10. April waren nur die jüngsten in einer Reihe von Maßnahmen zu einer solchen Aussetzung der unter den Bedingungen des JCPOA auferlegten Beschränkungen. Sie können jedoch alle – laut Iran – "sofort rückgängig" gemacht werden, sollten die USA zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen gemäß dem Abkommen wieder zurückkehren.

Teherans Schritte sollten den US-Unterhändlern signalisieren, dass die Zeit gegen sie arbeitet. Nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde betreibt Iran in Natanz 5.060 Zentrifugen der ersten Generation vom Typ IR-1 und 348 Zentrifugen der zweiten Generation des Typs IR-2. Die IR-2-Zentrifuge ist etwa viermal so effizient wie die ältere IR-1. Die neu montierten IR-6-Zentrifugen sind sogar zehnmal so effizient. 

Unter Nichteinhaltung aller Einschränkungen wäre Iran in der Lage, das sogenannte Ein-Jahres-Ausbruchsfenster weit zu unterschreiten, das überhaupt die gesamte Logik der JCPOA-Beschränkungen ausmacht. Dieser Ausdruck bezeichnet nämlich die Zeit, die Iran brauchen würde, um genügend spaltbares Material für die Herstellung einer einzelnen Atomwaffe anzuhäufen, falls und sobald er keine Beschränkung gemäß dem Abkommen mehr einhält.

Irans Aktivitäten zum Nationalen Tag der Nukleartechnologie fielen mit dem Besuch des US-Verteidigungsministers Lloyd Austin in Israel zusammen. Bei den Gesprächen im Rahmen des Besuches standen das iranische Atomprogramm und die laufenden Verhandlungen über den JCPOA ganz oben auf der Tagesordnung.

Israels Verteidigungsminister Benny Gantz erklärte am Sonntag in Austins Anwesenheit, die US-israelischen Beziehungen seien "auf Vertrauen aufgebaut, das sich in jahrzehntelanger Zusammenarbeit entwickelt hat" und merkte an, Israel werde eng mit den "US-amerikanischen Verbündeten zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass jedes neue Abkommen mit Iran die lebenswichtigen Interessen der Welt und der Vereinigten Staaten sichert, ein gefährliches Wettrüsten in unserer Region verhindert und den Staat Israel schützt."

Seinerseits bekräftigte Minister Austin die seit Langem bestehende US-Position, Israel sei ein "wichtiger strategischer Partner" und seine Beziehung zu den USA "zentral für die regionale Stabilität und Sicherheit im Nahen Osten". Er schloss mit der Erklärung, dass der "Einsatz der USA für Israel dauerhaft und standhaft" sei.

Noch während diese beiden Minister ihre gegenseitigen Zusicherungen von Vertrauen und Treue zum Ausdruck brachten, braute Israel hinter dem Rücken seiner ehemaligen US-amerikanischen Verbündeten etwas zusammen, das anscheinend in einem verdeckten Angriff auf die iranische Nuklearanlage in Natanz mündete.

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Während die israelische Regierung sich bislang nicht offiziell zu diesem Angriff bekannte, berichteten die israelischen Medien unter Berufung auf offizielle Regierungsquellen, dass der israelische Geheimdienst Mossad hinter einem Cyberangriff stecke, in dessen Verlauf eine große Explosion das interne Stromsystem der Anlage in Natanz zerstörte und die Decke eines der Hauptkontrollräume für die Überwachung und den Betrieb der iranischen Zentrifugen zum Einsturz brachte. Berichten zufolge wurde niemand als direkte Folge des Angriffes getötet oder verletzt. Berichte über irgendwelche Strahlungslecks oder andere Umweltschäden blieben bisher aus.

Infolge des Angriffes sollen eine große Anzahl von IR-1-Zentrifugen sowie zahlreiche "fortschrittliche" Zentrifugen, höchstwahrscheinlich sowohl IR-2 als auch IR-6, zerstört worden sein. Iranische Quellen schätzten, dass der Schaden das iranische Anreicherungsprogramm um bis zu neun Monate zurückgeworfen hat.

Laut iranischen Medienquellen mit Verbindungen zum Sicherheitsapparat des Landes wurde ein Täter identifiziert, "der die Abschaltung des Stroms verursacht hat". Irans zuständige Behörden sollen herausgefunden haben, wie und warum die Explosion stattfand und Maßnahmen "zur vollen Wiederherstellung der Kapazität der Anlage" sollen ergriffen worden sein.

Und gerade hier liegt der Knackpunkt: Iran deutete in der Vergangenheit das Vorhaben an, zerstörte IR-1-Zentrifugen durch "fortschrittlichere" Modelle zu ersetzen – deren Einsatz mit seinen Verpflichtungen gemäß dem Gemeinsamen umfassenden Aktionsplan unvereinbar ist. Teheran deutete ferner an, seine fortschrittlicheren Anreicherungsapparate aus Natanz in die gehärtete unterirdische Anlage in Fordow zu verlegen.

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Solche Maßnahmen sind Ausdruck einer dauerhafteren Haltung. Damit stehen sie im Gegensatz zu den früheren Zusicherungen Irans, jede Maßnahme, die er gemäß Artikel 26 ergreifen würde, könne sofort nach JCPOA-Wiederbeitritt der USA wieder rückgängig gemacht werden. Dies ist höchstwahrscheinlich das von Israel beabsichtigte Ergebnis – Bedingungen zu schaffen, unter denen Iran mit seinen Verpflichtungen unter dem Abkommen zu unvereinbaren Schritten übergeht und es dem Land zu erschweren, wenn nicht gar unmöglich zu machen, sich an seine früheren Zusagen zu halten, dass jede Maßnahme, die es gemäß Artikel 26 ergreift, "sofort umkehrbar" wäre.

Israels vermuteter Angriff auf Natanz ist in vielerlei Hinsicht verwerflich: Hätte er einen Tag früher stattgefunden, hätte er eine große Anzahl von hochrangigen Technikern, Atomwissenschaftlern und Politikern töten können, die sich auf dem Gelände aufhielten, um den Nationalen Tag der Nukleartechnologie zu feiern. Selbst wenn Israel mit Absicht seinen Angriff zeitlich so legte, dass eine solche Entwicklung vermieden wurde, ist schon die Tatsache, dass Israel überhaupt die Fähigkeit hatte, einen solchen Angriff zu führen, ernüchternd.

Wenn irgendein anderes Land auf der Welt eine Urananreicherungsanlage angreifen würde, die sich in Betrieb befindet und dabei unter Aufsicht der Internationalen Atomenergie-Organisation steht, würde dies zu Recht verurteilt werden und harte Maßnahmen zur Vergeltung mit sich führen. Israel operiert jedoch unter dem Schirm der diplomatischen Immunität, die ihm von den USA gewährt wird. Als solches ist Israel unantastbar, egal wie ungeheuerlich seine Handlungen sind – selbst wenn sie, wie in diesem Fall, die diplomatischen und nationalen Sicherheitsvorgaben der USA selbst verletzen und deren Prioritäten zuwiderlaufen.

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Übersetzt aus dem Englischen

Scott Ritter ist ein ehemaliger Geheimdienstoffizier des Marinekorps der Vereinigten Staaten und Autor des Buches "SCORPION KING: America's Suicidal Embrace of Nuclear Weapons from FDR to Trump". Er diente den USA in der Sowjetunion als Inspekteur für die Umsetzung der Auflagen des INF-Vertrages, während des Zweiten Golfkrieges im Stab von General Schwarzkopf und war danach von 1991 bis 1998 als UN-Waffen-Chefinspekteur im Irak tätig. Derzeit schreibt Ritter über Themen, die die internationale Sicherheit, militärische Angelegenheiten, Russland und den Nahen Osten sowie Rüstungskontrolle betreffen. Folgen Sie ihm auf Twitter @RealScottRitter.

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