Meinung

Die Gutmenschen-Idee der USA: Intersektionaler Imperialismus als neue Vermarktungsstrategie

Das Imperium zickt zurück. Jetzt, wo Nationalismus à la Trump nicht mehr infrage kommt, steht uns eine neue Ära der Herrschaftsideologie ins Haus: Ein "woker" Imperialismus, der den süßlichen Leichengestank seiner Mordopfer mit duftender Gutmenschen-Moralinsäure überdeckt.
Die Gutmenschen-Idee der USA: Intersektionaler Imperialismus als neue Vermarktungsstrategie© Alex Rubinstein

Ein Kommentar von Alex Rubinstein

Die neueste Mutation des vorherrschenden Dogmas des Imperiums wird jetzt in allen globalen Institutionen der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Kontrolle greifbar; auch materialisiert sie sich auf einer Vielzahl von Konfliktschauplätzen.

Um zu erkennen, wo der Imperialismus der Wokeness als einer übertriebenen Spielart der Political Correctness greifbar wird, müssen wir ihn zunächst definieren. Also: Was ist das überhaupt? Sicher ist zunächst eines: Er ist nicht die erste Iteration hegemonialer Herrschaft, die sich auf Moralismus stützt.

Die Doktrin der Internationalen Schutzverantwortung (Responsibility to Protect, R2P) wurde im Jahr 2005 von den Vereinten Nationen offiziell verabschiedet – doch ihre Wurzeln gehen in Wirklichkeit auf die Bombardierung Jugoslawiens durch die NATO zurück. In den Jahren der Obama-Regierung wurde schließlich "humanitäre Intervention" als griffiger Oberbegriff für solche Aktionen durchgesetzt.

Mehr zum Thema – Vor 22 Jahren begann der NATO-Angriff auf Jugoslawien mit deutscher Unterstützung

Der neue Woke-Imperialismus sollte als eine Weiterentwicklung dieser Konzepte verstanden werden. In demselben Maße, in dem sich die Konzerne zunehmend dem "Regenbogenkapitalismus" verschrieben, um mit der Empfindsamkeit einer zunehmend liberalen US-Öffentlichkeit Schritt zu halten, justierten auch die Institutionen des US-Imperialismus ihre Tonlage fein nach, um der zunehmenden Beliebtheit der Identitätspolitik Rechnung zu tragen.

Dieses Phänomen konnte nicht unbemerkt bleiben. Wie alles andere auch, wurde es im Internet zum Gegenstand von Memes, einige davon wurden viral. Ein solches Mem, ein Bild von zwei US-Bomberflugzeugen des Typs B-52 Stratofortress, erwies sich als besonders durchdringend. Eine der B-52 trägt die Aufschrift "Republikaner", und wirft Bomben ab. Die zweite B-52, mit der Aufschrift "Demokraten", wirft ebenfalls Bomben ab – doch an der Außenhaut dieses Bombers prangen riesige Aufkleber: einer von Black Lives Matter, einer mit der Regenbogenflagge, und einer mit Obamas Losung "Yes, we can".

Ein zweites beliebtes Mem ist ein Comic und stellt den Bombenabwurf durch eine Drohne der US-Streitkräfte irgendwo in einer bergigen Landschaft dar. Der Mann im Vordergrund kommentiert: "Es heißt, die nächsten werden von einer Frau geschickt!"; die Frau an seiner Seite (allem Anschein nach eine Muslima) antwortet: "Da fühlt man sich gleich als ein Teil der Geschichte."

Was die beiden obigen Memes aufgrund ihres begrenzten Formats nicht ausdrücken können, ist die Vielfalt der Methoden zur Ausübung imperialer Kontrolle: Diese nimmt bekanntlich viele Formen auch abseits von Bombenangriffen an. Auch kann nicht alles davon allein dem Vorgang einer präsidialen Amtsübergabe angekreidet werden. Es ist bekannt, dass zu Trumps Amtszeit sowohl das US-Außenministerium als auch die vielen Drei-Buchstaben-Dienste kaum mit seinem außenpolitischen Ansatz oder seinen kulturellen Vorlieben einverstanden waren. Natürlich blieb das Außenministerium auch und gerade unter Biden dem Identitätsaspekt bei der Präsentation der US-Außenpolitik treu – hier stellvertretend US-Außenminister Antony Blinken:

"Wenn wir unsere Außenpolitik mit Blick auf die Rechte und Bedürfnisse von Frauen und Mädchen gestalten, ist unsere Politik effektiver, humaner und wird das Leben der Menschen nachhaltig verändern."

Und auch, wenn viele der in diesem Artikel identifizierten Trends bereits zu Trumps Regierungszeit existierten, so werden sie nun unter Biden unbestreitbar auf Touren gebracht. Zum Beispiel twitterte das US-Außenministerium in den ersten zehn Tages des März-Monats 26 Mal über "Frauen" – sehr beachtlich, verglichen mit den zehn Malen im gleichen Zeitraum des Vorjahres 2020.

Die Noble Anti-Triggering-Organisation (NATO)

Ebenso hat die NATO Anfang dieses Monats ein auffälliges Video getwittert, in dem sie postuliert: "Vielfalt ist unsere Stärke".

"Vielfalt ist unsere Stärke. Retweeten Sie, um mit uns die Unterschiede zu feiern, die uns stärker machen."

Angesichts dieser Tugendbotschaft seitens der NATO sollte man unbedingt im Hinterkopf behalten, dass viele früheren Führer der NATO, pardon, Leiter der NATO Nazis waren, die zuvor von einem alles andere als vielfältigen und integrativen Deutschland träumten. Bis heute unterstützt die NATO auch Neonazis in Ländern wie der Ukraine, während in NATO-Staaten Kundgebungen zu Ehren von Nazi-Kollaborateuren abgehalten werden dürfen, anstatt der Verherrlichung des Nazismus gänzlich Einhalt zu gebieten.

Wie ich gleich nach Beginn der Wahlkampfkampagne Joe Bidens um das Amt des US-Präsidenten berichtete, traf sich Biden, als er in Charlottesville im US-Bundesstaat Virginia gegen Neonazis polterte, mit dem ukrainischen Neonazi-Führer Oleg Tjagnibok.

Was das Eintreten der NATO für die Inklusion "Farbiger" angeht, so stellte sich die Krönung ihrer Leistung auf diesem Gebiet nach der Bombardierung Libyens ein – diese gab nämlich dschihadistischen Milizen Deckung, um den libyschen Staatschef Muammar al-Gaddafi mit einem Bajonett zu massakrieren, und ebnete letztendlich den Weg für die Wiedereinführung der Sklaverei auf dem afrikanischen Kontinent.

So sehen außerhalb der Brüsseler Machtzentrale die von der NATO geförderten Initiativen zur Chancenverbesserung für farbige Menschen aus.

US-Außenministerium wird zur Personalabteilung

Die von der NATO verwendete Losung "Vielfalt ist unsere Stärke" fällt wortwörtlich mit einem wichtigen Wahlkampfthema von Kamala Harris  und Joe Biden selbst zusammen. Der Spruch wurde letztes Jahr auch vom US-Auslandsgeheimdienst Central Intelligence Agency verwendet.

Derjenige, der das Thema bisher wohl am meisten nutzte, ist US-Außenminister Antony Blinken. Nicht zuletzt postulierte er Folgendes:

  • "Vielfalt und Inklusion machen uns stärker, schlauer, kreativer und innovativer. Und unsere Vielfalt verschafft uns einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil auf der Weltbühne.
  • Vielfalt macht jede Organisation stärker – und für uns als das Außenministerium ist sie ein erfolgskritischer Faktor.
  • Wir haben in Vielfalt und Integration investiert, um eine Belegschaft an Diplomaten aufzustellen, die die Vielfalt unseres Landes widerspiegelt."

Unlängst bewarb das US-Außenministerium Blinkens Auftritt in Hillary Clintons Podcast – und zwar explizit damit, dass die beiden über "Vielfalt und Inklusion im Ministerium, das amerikanische Engagement, Russland, China und mehr" diskutierten.

Das Außenministerium ist unter Blinken so sehr mit dem Konzept gleichsam verheiratet, dass er in seiner Behörde einen Posten als "Chief Diversity and Inclusion Officer" ins Leben gerufen hat, der "ihm direkt unterstellt ist", verkündete der Sprecher des Außenministeriums, Ned Price, und betete Blinkens obige Aussage wörtlich nach:

"Vielfalt und Inklusion machen uns stärker, schlauer, kreativer und innovativer."

Das US-Verteidigungsministerium auf der Suche nach  "Machtmultiplikatoren"

Eine weitere führende Institution in diesem Trend ist das US-Verteidigungsministerium.

Letzte Woche griff der Moderator der konservativen Fox News Tucker Carlson das Pentagon an. Sein erster Kritikpunkt war eine Ankündigung seitens Joe Bidens, dass das US-Militär unter seiner Führung und der Führung von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin Schritte unternehmen würde, um sich frauenfreundlicher zu gestalten – unter anderem mit einer Überarbeitung der Haar- und Barterlässe und im Fall der Luftwaffe mit der Einführung von "Mutterschafts-Druckanzügen für Frauen". Während schwangeren Frauen im Allgemeinen sogar das Achterbahnfahren verboten ist, scheint mir eine Politik, die es ihnen erlaubt, Kampfjets zu fliegen, weder ihre eigenen Interessen noch die ihrer Kinder im Sinn zu haben.

"Stärke durch Vielfalt. Diese Marines haben Barrieren durchbrochen und Mut auf dem Schlachtfeld bewiesen."

Bei all der Härte der Kritik Carlsons an dieser Politik verfehlte diese Kritik jedoch den Kern des Problems, da er argumentierte, dass diese Politik das US-Militär schwächer mache. Das eigentliche Ziel dieser Politik ist jedoch, das Gesicht des Militärs für eine liberale Bürgerschaft einem gehörigen Facelifting zu unterziehen. Wie die US-Luftwaffe im Januar verkündete: "Vielfalt" ist ein "Machtmultiplikator".

Schnell zickte Pentagon-Sprecher John Kirby (früher Sprecher des Außenministeriums unter Obama) gegen Carlson zurück – und zwar in einer Pressemitteilung mit dem Titel "Pressesekretär verdammt Fox-Moderator, der die Vielfalt im US-Militär geringschätzte, in Grund und Boden".

"Das Militär der Vereinigten Staaten ist das beste, das die Welt je gesehen hat, weil es so vielfältig ist", begann die Presseerklärung. Es folgte ein sinngemäßes Zitat des Verteidigungsministers Lloyd Austin (den die Medien für das Überspringen einer schier unüberwindlichen Beförderungshürde – nämlich trotz seiner Hautfarbe – euphorisch bejubelten), als er zuvor in derselben Woche verkündet hatte, dass die "gelebte Erfahrung" einer vielfältigen Kampftruppe "in unsere Entscheidungsfindung einfließt".

Natürlich ist auch Joe Bidens offizielle Sicht auf die Institution Militär dieselbe:

"Ich möchte, dass jedes Kind weiß, dass Vizepräsidenten und Generäle in den Streitkräften der Vereinigten Staaten so aussehen."

Die gleiche Rede wurde ein weiteres Mal auf der Webseite des Verteidigungsministeriums veröffentlicht und trug die Überschrift: "Biden zeigt Stärke und Überlegenheit der Vielfalt im US-amerikanischen Militär".

Von den weiteren Nachrichten über Minister Austin ist vielleicht noch erwähnenswert: Laut einer anderen Pentagon-Pressemitteilung begrüßte er "die Erweiterung der Rolle der NATO-Mission im Irak" im letzten Monat. Diese "erweiterte Rolle" bedeutet, dass die Mannschaftsstärke der NATO-Truppen, die das Land besetzen, von 500 auf "4.000 oder 5.000" aufgestockt wird, schrieb Mitte Februar Reuters.

CIA: Central Identity Policy Agency

Weit davon entfernt, sich vom Außen- oder Verteidigungsministerium übertrumpfen zu lassen, ist die CIA: Nach der Amtseinführung von Joe Biden begann man dort ebenfalls damit, ein "digitales Facelifting" durchzuführen, um die Generation Z anzusprechen, deren Politikpräferenzen mehr zum Linksliberalismus tendieren als die der früheren Generationen.

"Wir mussten dorthin gehen, wo die Talente sind", erklärte Sheronda Dorsey, die stellvertretende CIA-Direktorin mit Aufgabenschwerpunkt Talentsuche, gegenüber Journalisten des Wall Street Journal. Die CIA, so Dorsey, sei bestrebt, in ihren eigenen Reihen "die Vielfalt in Bezug auf Rasse, Kultur, Behinderung, sexuelle Orientierung und Geschlecht zu erhöhen, damit ihre Belegschaft 'ein Spiegelbild Amerikas' ist."

Das Wall Street Journal schreibt weiter:

"Heute fällt das digitale Facelifting der CIA mit der Regierung eines neuen Präsidenten zusammen. John Brennan, dessen Amtszeit im Jahr 2017 endete, erklärt, dass die Biden-Regierung mit ihrer Nominierung der Geheimdienstmitarbeiter, einschließlich der ersten weiblichen Direktorin des nationalen Geheimdienstes, Avril Haines, ein 'sehr starkes Signal in Bezug auf Vielfalt' ausgesendet hat."

Brennan, der unter Obama CIA-Direktor war und unter dem Haines die Nummer zwei der Behörde war, offenbarte jüngst gegenüber Journalisten des MSNBC, es werde ihm "zunehmend peinlich, heutzutage ein weißer Mann zu sein, wenn ich so sehe, was andere weiße Männer von sich geben".

Brennans Kommentare waren Teil einer Diskussion über den Umgang der Republikaner im Kongress mit den Protesten vor dem Kapitol im Januar 2021. "Sie werden weiterhin das Land psychisch manipulieren", sagte Brennan über die Republikaner.

In seiner Amtszeit als Direktor der CIA beaufsichtigte Brennan den Geheimdienst auch beim illegalen Ausspionieren des US-Kongresses durch die Mithilfe von Hackern, als das Repräsentantenhaus des US-Parlaments zu Folterungen durch die CIA ermittelte – und zu diesem Thema hat Brennan gelogen. Jetzt beschwert er sich über "psychische Manipulation" seitens des US-Kongresses. Diese ganze Episode ist in der US-Öffentlichkeit weitgehend in Vergessenheit geraten, da die Medien die Agentur während der gesamten Trump-Ära obsessiv wie einen Abgott anbeteten. Auch Trumps Feind Nummer eins, Nancy Pelosi, hat kürzlich ein "Büro für Vielfalt" im US-Repräsentantenhaus eingerichtet. Vor Jahren half sie der CIA bei der Vertuschung von Folterungen – einmal davon abgesehen, dass sie auch den Krieg der USA im Irak mit all ihrem politischen Gewicht unterstützte.

Finanz-Feminismus?

Während sie technisch gesehen "unabhängig" sind, sind Finanzinstitutionen von globaler Bedeutung und – wie der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank – funktionell ein Teil der US-Regierung. Und ebenso wie die anderen Institutionen, auf die in diesem Artikel Bezug genommen wird, nehmen auch sie Identitätspolitik in ihr Arsenal der Mittel zum Weißwaschen ihrer menschenverachtenden Agenda auf.

"Wir freuen uns, die Ernennung von Stephanie von Friedeburg zur obersten Geschäftsführerin der Internationalen Finanz-Corporation bekanntzugeben. @SvonFriedeburg ist eine Verfechterin der Frauenförderung und eine Vorkämpferin für Vielfalt und Inklusion. Ihre Karriere erstreckt sich über fast drei Jahrzehnte in der @WorldBank-Gruppe."

Der Vorsitzende der Weltbank, die ihren Sitz in Washington im US-District of Columbia hat, wird vom US-Präsidenten eingesetzt – was sogar die Weltbank auf der eigenen Webseite zugibt:

"Traditionell war der Weltbankpräsident immer ein US-Bürger, der von den Vereinigten Staaten nominiert wurde."

Auch sind die USA der größte Anteilseigner sowohl an der Weltbank als auch beim Internationalen Währungsfonds, der seinen Sitz ebenfalls in D.C. hat. Ein durchgesickertes und von Wikileaks veröffentlichtes US-Militärhandbuch mit dem Titel "Army Special Operations Forces Unconventional Warfare" (dt. etwa: [Handbuch] der Sondereinheiten der US-Armee für unkonventionelle Kriegsführung) benennt die Weltbank und den IWF ausdrücklich als "Waffen der USA in Zeiten von Konflikten bis hin zum umfassenden Krieg auf breiter Front."

"Nach Verständnis der U.S. Army Special Operation Forces kann und sollte eine richtig integrierte Manipulation der wirtschaftlichen Macht eine Komponente der unkonventionellen Kriegsführung sein", heißt es in dem Dokument weiter.

"Da wichtige Entscheidungen eine 85-prozentige überwiegende Mehrheit erfordern, können die Vereinigten Staaten alle größeren Veränderungen blockieren", so der Wortlaut des Army-Dokuments in Bezug auf die Weltbank.

Zum Internationalen Frauentag veranstaltete der IWF eine Diskussion mit Janet Yellen, Finanzministerin in der Biden-Regierung, mit dem Titel "The Age of Womenomics" (dt. etwa: "Das Zeitalter der Wirt*in*schaft").

"Wir haben das Thema 'Das Zeitalter der Wirt*in*schaft' bewusst gewählt", betonte Kristalina Georgieva, die Geschäftsführende Direktorin des IWF.

"Noch nie in meinem Leben habe ich so viele Frauen in Schlüsselpositionen gesehen, in denen es im Kern um Wirtschaft und Finanzen geht: Sie, als Finanzministerin der Vereinigten Staaten; Chrystia Freeland in Kanada; Christine Lagarde, meine Vorgängerin [jetzt bei der Europäischen Zentralbank, EZB]; Ngozi [Okonjo-Iweala] bei der Welthandelsorganisation [WTO]; die allererste Frau als Präsidentin einer multilateralen Entwicklungsbank, Odile [Renaud-Basso] bei der [Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung]..."

Wokeness macht den Unterschied: Der Globalismus 1.1

Abgesehen davon, dass sie sich selbst als Bastionen der Toleranz darstellen, benutzen imperialistische Institutionen Wokeness und Political Correctness auch, um die Ausbeutung ausländischer Ressourcen, Verletzung von staatlicher Souveränität und Völkerrecht, militärische Besatzung und sogar Staatsstreiche zu rechtfertigen.

In Syrien, wo die Vereinigten Staaten, die europäischen Regierungen, die durch und durch patriarchalischen Erdöl-Monarchien der Golfstaaten und der NATO-Verbündete Türkei seit zehn Jahren einen Stellvertreterkrieg mittels sektiererischer Aufständischer vom Typ Al-Qaida führen, ist schließlich eine Verfechterin dieser Identitätspolitik in einem eindeutig US-amerikanischen Stil entstanden: die kurdische Miliz YPG. Jahrelang hätte man in den Vereinigten Staaten kaum einen Linken oder Linksliberalen finden können, der die "Revolution der Frauen von Rojava" nicht bedingungslos unterstützt hätte. Das offensichtlich politische Projekt der kurdischen Kämpfer im Nordosten Syriens wurde von Vice News sogar als "Die feministischste Revolution, die die Welt je gesehen hat" umjubelt.

US-amerikanische Anarchisten, vollends indoktriniert mit Pro-YPG-Literatur und mit der Ideologie des "demokratischen Konföderalismus", die der mittlerweile verstorbene zionistische Akademiker Murray Bookchin seinerzeit popularisierte (und die seine Tochter Debbie Bookchin vom "Emergency Committee For Rojava", in New York City ansässig, weiter förderte), machten sich in linken Kreisen und auf Twitter einen Namen, indem sie sich dieser kurdischen Kampftruppe namens Volksschutzeinheiten (YPG) anschlossen.

Während die kurdischen Kämpfer in Syrien zunächst von Obama unterstützt wurden, ließ auch Trump diese Unterstützung weiterbestehen – um "das Öl zu schützen". Mit anderen Worten: damit die Vereinigten Staaten von der Abschöpfung von Vermögenswerten profitieren können, die rechtmäßig der souveränen Regierung von Syrien gehören. Jetzt, wo Biden im Amt ist, werden die kurdischen Kämpfer wieder zum Gegenstand erneuter medialer Aufmerksamkeit und zum Götzen der westlichen Linken.

Das Verherrlichen der Eroberungen kurdischer Kräfte in Syrien erreichte während der ar-Raqqa-Kampagne wortwörtlich fieberhafte Intensität. Ausländische queere Anarchisten gründeten eine Gruppe mit dem Namen "The Queer Insurrection and Liberation Army", die inzwischen eine eigene Wikipedia-Seite hat, obwohl ihre tatsächliche Existenz zweifelhaft ist. Und während die historische Stadt ar-Raqqa zu 70 Prozent in Ruinen liegt, dominierten derartige Wohlfühl-Schlagzeilen über eine angeblich revolutionäre und inklusive Alternative zu Stillstand und Etatismus, die sich in den kurdischen Kämpfern und ihren Verbündeten manifestiere, das Narrativ in der westlichen Linken.

Bevor wir uns von Syrien abwenden, wäre es unverantwortlich, die Geschichte der Amina Abdallah Arraf al Omari, des "schwulen Mädchens in Damaskus", nicht zu erwähnen. Diese fiktive Figur wurde erdacht, um in westlichen LGBTQ-Gemeinschaften Stimmung gegen Assad zu schüren – doch der palästinensische Journalist Ali Abunimah entlarvte sie schließlich als eine von einem weißen US-amerikanischen Mann namens Tom MacMaster inszenierte Farce, nachdem das angebliche "schwule Mädchen" angeblich "entführt" wurde.

Jetzt, wo Biden im Amt ist, erlebt diese Art dreckiger Tricks zur Förderung des ebenso dreckigen Krieges gegen Syrien ein Comeback. So ist ein neuer Film in Arbeit – auf der Grundlage eines Artikels im Jacobin – mit dem Titel "Stefan vs. ISIS". Der Film wird von Deadline in einem Artikel vom 5. März angekündigt als "die Geschichte um einen Nichtbinären Millennial, der sich den kurdischen Freiheitskämpfern anschloss". Der Autor der ursprünglichen Geschichte im Jacobin, Connor Kilpatrick, wird als Mit-Autor erwähnt; ein anderer Jacobin-Redakteur, Bhaskar Sunkara, ist ausführender Ko-Produzent des Films.

Ein im Nahen Osten ansässiger Reporter heulte sich bei mir darüber aus, dass diese Journalisten nun drauf und dran seien, von einem Krieg zu profitieren, den sie zu ihrer Zeit überhaupt in ihrer Gesellschaft zu vermarkten halfen. Auch kritisierte er, dass sie die Identitätsprobleme eines Westlers in den Mittelpunkt eines Gesprächs über den Kampf gegen den IS stellen – anstatt die Myriaden von Syrern und Irakern, die im Kampf gegen den IS ihr Leben ließen.

"Der Syrien-Krieg", fügte der Journalist hinzu, ist kein Thema, das von einem Haufen ausländischer Linker "in eine romantische Ballade zu Identitätsfragen verwandelt werden darf. Kurden sind supertraditionell, selbst die YPG befasst sich auf keinen Fall mit diesem Gender-Fluiditäts-Kram."

In dieselbe Kerbe schlägt auch eine TV-Serie, an der die Produktionsfirma von Hillary und Chelsea Clinton laut Berichten vom Ende Januar arbeitet. Als Drehbuch der Serie dient eine Adaption des Buches "Die Töchter von Kobani: Eine Geschichte von Rebellion, Mut und Gerechtigkeit" von Gayle Lemmon. Nach einem intensiven Bieterkrieg um die Rechte an der Adaption des Buches berichtete das Kinoportal Deadline, dass "für die Clintons die Lizenz perfekt passt, um ihr Banner hoch zu hissen – zumal angesichts des Themas des Buches und der starken Frauen, die Lemmon geholfen haben, es zu schreiben."

Vor Kurzem war Lemmon bei Meghan McCain in deren Sendung The View, um über ihr Buch zu sprechen. McCains Vater, der verstorbene John McCain, war der militaristischste Senatorhttps://consortiumnews.com/2018/08/27/the-other-side-of-john-mccain/ der modernen US-Geschichte überhaupt und ein wichtiger Förderer des Stellvertreterkriegs in Syrien. Der Senator traf sich sogar mit sogenannten "gemäßigten Rebellen" – jener von der Türkei unterstützten sogenannten Freien Syrischen Armee –, die sich als verantwortlich für die Entführung von 11 schiitischen Muslimen herausstellten.

In der Zwischenzeit fiel mir unlängst auf, dass gemäß Bidens Plänen in Afghanistan – wo die Vereinigten Staaten gerade bei ihrer am längsten andauernde Regimewechsel-Kampagne dauerscheitern (ein Millennial würde sich an dieser Stelle vielleicht die Hand an die Stirn halten, mit ausgestrecktem Zeigefinger und Daumen zum hämischen "L" für "loser" geformt) – ein "Restaufgebot" an US-Kräften verbleiben solle, um so das Land – entgegen der Vereinbarung zwischen den Taliban und der Trump-Regierung über einen vollständigen Abzug – weiterhin besetzt zu halten. Der deutsche Staatssender Deutsche Welle warnte im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung bereits: "Afghanischen Frauen droht in einer neuen politischen Konstellation der Verlust ihrer Rechte". Jetzt will die Biden-Regierung die Vereinbarung neu verhandeln, wobei "alle Optionen auf dem Tisch bleiben" sollen:

Anfang des Monats berichtete Vox News über "interne Debatten" innerhalb des Weißen Hauses zu einem Abzug aus Afghanistan. Berichten zufolge brachte der Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs der US-Streitkräfte der USA, General Mark A. Milley, das "leidenschaftliche – und bisweilen 'emotionale'" Argument ein, dass bei einem kompletten Abzug der US-Streitkräfte aus Afghanistan die Rechte der Frauen in diesem Land "in die Steinzeit zurückfallen werden".

Doch während wenig Zweifel daran besteht, dass die Taliban ebenso wenig Respekt vor den Rechten der Frauen haben, machte sich Joe Biden im Oktober 2012 wohl kaum Sorgen darum – damals kündigte er noch an:

"Wir ziehen im Jahr 2014 ab. Punkt."

Und apropos Steinzeit: Die USA warfen seit diesem Versprechen Bidens etwa 25.500 Bomben auf Afghanistan ab – zumindest kommt man auf diese Zahlen, wenn man die monatlich veröffentlichten Angaben der US-Luftwaffe zusammenzählt.

Und diese Bomben sind wiederum nicht gerade billig, von daher überrascht Milleys weiterführende Argumentation nicht: Es lohne sich nicht, aus Afghanistan abzuziehen, wo die USA in den letzten Jahrzehnten doch so viel "Blut und Budgetmittel" in das Land "investiert" hätten.

Um es in der Sprache der Zoomer auszudrücken: Amerika soll dort nach General Milleys Dafürhalten "die Gainz saven".

Jemand sollte dem Vorsitzenden der "Joint Chiefs of Staff" endlich ultimativ verticken:

"Mit sonen Gainz ist dein Geflexe zum Cringen, du Lauch!"

Wokeismus als neueste Spielart der Political Correctness ist nicht nur ein nützliches Werkzeug des US-Imperiums in seinem vorgespielten Kampf gegen den Terrorismus – sondern auch und gerade im Kampf gegen den Sozialismus. So wurde bei den Präsidentschaftswahlen in Ecuador, wo die USA einen nur scheinbar linkspolitischen Kandidaten als Alternative zum Spitzenkandidaten der Sozialisten unterhalten, ebenso Identitätspolitik eingesetzt, um Unterstützung für einen Neoliberalen zusammenzutrommeln.

Der Journalist Ben Norton entlarvte die Verbindungen des Kandidaten Yaku Pérez, der als indigener Ökosozialist geführt wurde, zur US-Regierung. Nachdem Pérez in der ersten Runde der ecuadorianischen Präsidentschaftswahlen nur den dritten Platz belegte, was ihn von der anschließenden Stichwahl ausschloss, versicherte ihm die US-Botschaft telefonisch, dass er trotzdem dabei sein würde. Seitdem rief Pérez zu einem Militärputsch auf – und ebenso dazu, dass sein sozialistischer Gegner, Andrés Arauz, strafrechtlich verfolgt werden solle.

Norton weist auch darauf hin, dass Pérez' Ehefrau Manuela Picq gleichzeitig seine politische Beraterin ist und ihm beim Verwalten seiner Wahlkampagne hilft – und Picqs Werdegang ist ein akademischer, mit Schwerpunkt ausgerechnet auf Sexualität und Gender Studies.

Während wir also nun in die Biden-Jahre eintreten, werden Diskurse der Identitätspolitik und der Intersektionalität – mit einem Wort: Wokeness – zunehmend dazu benutzt werden, die abenteuerlichsten Eskapaden und jede Hinterlist eines rassistischen Reiches zu rechtfertigen. Außer natürlich, die Linke zeigt sich in der Lage, endlich eine Doktrin zu verabschieden, die den Dogmen des Imperiums entgegenwirkt – anstatt ihm immer nur weiter in die Hände zu spielen.

Der römische Historiker Tacitus sagte: "Große Reiche werden nicht mit Zaghaftigkeit erhalten." Das mag wahr sein, doch zumindest wird heute die Aufrechterhaltung eines Imperiums durch seine Inklusivität gerechtfertigt. Die Fähigkeit der USA, auf der Weltbühne zu "flexen", hängt von ihrer Fähigkeit ab, auf die "Vielfalt" ihrer Herrscherklassen zu verweisen.

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Übersetzt aus dem EnglischenAlex Rubinstein ist ein freier (und Paywall-freier) Journalist, der vorwiegend über Substack veröffentlicht. Hier kann man die E-Mail-Zusendung seiner kostenlosen Artikel abonnieren. Seine Berichterstattung können Sie über PayPal oder über Patreon unterstützen.

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