Meinung

Lufthansa und Öffentlicher Dienst – Krisen verstärkende Lohnpolitik in staatlicher Regie

Die krisengeschüttelte Lufthansa hat sich mit Verdi geeinigt. Die Beschäftigten verzichten auf Lohnerhöhungen, Weihnachtsgeld und Zulagen, erhalten dafür aber eine Beschäftigungsgarantie. Der Abschluss ist aus gesamtwirtschaftlicher Sicht eine Katastrophe.
Lufthansa und Öffentlicher Dienst – Krisen verstärkende Lohnpolitik in staatlicher RegieQuelle: Reuters © KAI PFAFFENBACH

von Gert-Ewen Ungar

Die Vereinbarung, auf die sich die Gewerkschaft Verdi mit der Lufthansa geeinigt hat, ist ein schwerer Schlag für die 35.000 am Boden Beschäftigten beim großen deutschen Luftfahrtkonzern: Verzicht auf Weihnachts- und Urlaubsgeld, Verzicht auf Lohnerhöhungen bis Ende 2021, Verzicht auf Zuschläge. Im Gegenzug sagt der Konzern immerhin zu, auf Kündigungen zu verzichten. Gleichzeitig sollen Programme aufgelegt werden, die einen freiwilligen Personalabbau einleiten. Die Gewerkschaft Verdi beziffert den Beitrag, den die Beschäftigten zur Konsolidierung des Konzerns beitragen werden, auf 200 Millionen Euro. Soweit so gut – es war zu erwarten, dass Konzerne und Unternehmen auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise mit Lohnsenkungen und Entlassungen reagieren werden. 

Pikant an dieser Vereinbarung ist aber, dass die Lufthansa im Sommer mit 9 Milliarden Euro durch den deutschen Staat gestützt worden ist, um durch die vom Coronavirus bedingte Krise zu kommen. Die Bundesrepublik ist mit 20 Prozent Aktienanteil Großaktionär, die Lufthansa faktisch teilverstaatlicht. Unter diesem Gesichtspunkt bekommt die Einigung einen merkwürdigen Beigeschmack, denn der Konzern betreibt mit der erzielten Einigung eine die volkswirtschaftliche Nachfrage insgesamt dämpfende Politik, die aus Unternehmenssicht vielleicht sinnvoll erscheinen mag, aus gesamtwirtschaftlicher Sicht allerdings eben gerade nicht sinnvoll ist.

Für den Staat ist es jedoch obligatorisch, die gesamtwirtschaftliche Sicht im Blick zu behalten. Das hat die Bundesrepublik in diesem Fall versäumt. Aus makroökonomischer Sicht gilt ein einfacher Zusammenhang: Lohnverzicht generiert Arbeitslosigkeit, wenn auch vielleicht zunächst nicht in dem Konzern, in dem die Beschäftigten Entgeltkürzungen hinnehmen. Aber in der Gesamtheit muss der dadurch bedingte Rückgang der Nachfrage an anderer Stelle zu Produktionsrückgang, zu einer sinkenden Nachfrage nach Dienstleistungen und damit zu Entlassungen führen. Er verstärkt damit zudem die deflationären Tendenzen. Diesen Zusammenhang sollte auch die Regierung in Deutschland im Blick haben, zumal dann, wenn die Bundesrepublik selbst als Anteilseigner auftritt und dann eben nicht nur eine Verantwortung für ein einzelnes Unternehmen, sondern für die Entwicklung des gesamtgesellschaftlichen Wohlstands trägt. 

Das hat "der Bund", also die oberste Bundesebene deutscher Politik, im Rahmen von aktuellen Lohnverhandlungen nun schon zum zweiten Mal nicht getan. 

Die vor kurzem erzielte Tarifeinigung für die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst bleibt weit hinter den Möglichkeiten und vor allem auch weit hinter dem Notwendigen zurück. Die dort erzielten Abschlüsse nehmen noch nicht einmal die Zielinflation von knapp unter zwei Prozent ernst, die – auf Drängen vor allem Deutschlands – in die Vereinbarungen zur Einführung des Euro geschrieben wurden. Von der Goldenen Regel, die Lohnerhöhungen sollten sich aus der Zielinflation plus dem zu erwartenden Produktivitätsfortschritt ergeben, ist der Abschluss für den Öffentlichen Dienst himmelweit entfernt. Und von einem Ausgleich für das die Ökonomien seiner Partnerländer schädigende Lohndumping, das Deutschland vor allem im ersten Jahrzehnt des aktuellen Jahrhunderts betrieben hat, noch viel weiter. 

Der Bund – man muss das einfach so deutlich sagen – wird seiner gesamtwirtschaftlichen Verantwortung nicht gerecht. Mit seiner einzelwirtschaftlichen Sicht, dass der niedrigste Preis und permanentes Sparen einfach immer gut seien, führt der Bund das Land und den Euro-Raum immer weiter und tiefer in die ökonomische Krise statt aus ihr heraus. Die verantwortlichen Politiker wirken wirtschaftspolitisch konzeptlos und ignorieren verbürgte Erkenntnisse der Makroökonomie in ganz grundlegender Weise. 

Im Hinblick auf die Lufthansa ist allerdings auch noch zu erwähnen, dass am 19. März – da war schon absehbar, dass Luftfahrtkonzerne von der COVID-19-Pandemie besonders hart getroffen werden – der Spekulant und Milliardär Heinz Hermann Thiele bei der Lufthansa als Großaktionär einstieg und deren größter Einzelaktionär wurde. Der Aktienpreis fiel angesichts der sich abzeichnenden Krise dramatisch und Thiele kaufte relativ günstig. Es kann angenommen werden, dass er auf eine staatliche Rettung spekulierte. Als sich dann der Bund gezwungen sah, bei der Lufthansa tatsächlich einzusteigen, um das Unternehmen zu retten, zögerte Thiele seine Zustimmung hinaus und drängte auf die Zusicherung, dass der Bund sich weitgehend aus dem Geschäft heraushält. Absichern ja – Mitsprache nein.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier stimmte dem zu, denn der Staat sei nicht der bessere Unternehmer, ließ er die Bundesbürger wissen. Darüber lässt sich diskutieren. Unstrittig aber ist – das vergisst Altmaier zu erwähnen –, dass der Staat als Unternehmer natürlich auch eine besondere gesamtgesellschaftliche Verantwortung zu tragen hat. Diese vernachlässigt der Bund hier völlig. So entsteht der Eindruck, er verstehe seine vorrangige Aufgabe nicht in der Sicherung von Beschäftigung unter dem Aspekt der Stabilisierung von Nachfrage, sondern in der Sicherung eines staatlich möglichst komfortabel abgefederten, das Vermögen noch mehrenden Weges durch die Krise für die deutsche Oligarchie unter Aufwendung von Milliarden an Steuergeldern. Diesen Komfort einiger Weniger haben dann die lohnabhängig Beschäftigten mit Lohneinbußen und steigender Arbeitslosigkeit zu bezahlen. Es ist aber mit Sicherheit nicht die Aufgabe staatlicher Intervention, singuläre Einzelinteressen bereits Begüterter über das gesamtgesellschaftliche Wohl zu stellen. 

Ganz problematisch dabei ist, dass offensichtlich auch die deutschen Gewerkschaften – allen voran Verdi – das Denken in volkswirtschaftlichen Zusammenhängen vollständig verlernt zu haben scheinen. Verdi verkauft seinen Mitgliedern zum zweiten Mal innerhalb von kurzer Zeit einen faulen Kompromiss als gewerkschaftlichen "Erfolg", der zudem das Zeug hat, eine Lohnspirale nach unten in Gang zu setzen. In diesem Zusammenhang fällt dann besonders häufig das Wort "vernünftig": Die erzielten Abschlüsse seien mit der geübten Lohnzurückhaltung und dem Verzicht "vernünftig". Das aber sind beide jüngsten Einigungen dieser Gewerkschaft genau nicht. Die Abschlüsse sind in beiden Fällen völlig jenseits jeder volkswirtschaftlichen Vernunft.

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