Meinung

Berlinale: Geschlechtslose Kategorien bester Schauspieler führen zu unfairer Empörungsnominierung

Die Berliner Filmfestspiele legen ihre Preiskategorien für bestes männliches und weibliches Schauspiel unter dem Vorwand zusammen, dies sei gendergerechter. Doch dieser hohle "Wokeismus" hat nichts mit Film zu tun und geht sehr wahrscheinlich nach hinten los.
Berlinale: Geschlechtslose Kategorien bester Schauspieler führen zu unfairer EmpörungsnominierungQuelle: Reuters © Fabrizio Bensch

von Zachary Leeman 

Die Auszeichnungen im Schauspielfach nicht mehr nach Geschlechtern zu trennen, ist ein Signal für ein gendergerechteres Bewusstsein in der Filmbranche.

So begründeten die Festivaldirektoren Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian am Montag in einer öffentlichen Erklärung den bevorstehenden Wechsel. Die neue Regel wird beim nächsten Festival im Februar 2021 umgesetzt. Silberne Bären werden dann für die beste schauspielerische Leistung, aber nicht mehr nach Geschlechtern getrennt vergeben.

Dieses offensichtliche Tugendsignal wird vorhersehbar von den sogenannten "woken"* Kriegern für soziale Gerechtigkeit (SJW, social justice warriors) gefeiert werden. Doch ihnen geht es mehr darum, Kästchen abzuhaken, als das filmische Erzählen von Geschichten auf höheres Niveau zu heben. Weshalb dieser Schritt sehr wahrscheinlich das Gegenteil des Beabsichtigten bewirken wird.

Die Unterhaltungsindustrie hat eine ziemlich schlechte Erfolgsbilanz bei der Anerkennung von Frauen im Film. In Kategorien, in denen Frauen und Männer miteinander konkurrieren können, konzentriert man sich in der Regel weitgehend auf Männer. So sind beispielsweise die Academy Awards über 90 Jahre alt, aber es wurden insgesamt nur fünf Frauen für den Regie-Oscar nominiert.

Die Berliner Filmfestspiele selbst sowie große Veranstaltungen wie Cannes und Venedig bemühten sich in den vergangenen Jahren intensiv darum, mehr Projekte unter der Regie von Frauen zu realisieren. Das Programm unter dem Motto 5050x2020 (50/50 bis 2020, ein Gleichstellungsprogramm, Anm. d. Red.), an dem alle Festivals teilnehmen, ermutigt diese Märkte, Informationen über das Geschlecht von Personen in Führungspositionen sowie über den Anteil von Filmen mit weiblicher Regie, die in ihr jeweiliges Programm aufgenommen wurden, zu verbreiten. Mit dem Ziel, schließlich 50 Prozent Frauenanteil zu erreichen.

Dies geschieht vermeintlich nur wegen mangelnder "Repräsentation". Wie lange wird es also dauern, bis die gleichen Überlegungen auch in dieser Kategorie der besten Leistungen greifen, wenn "zu viele" Männer nominiert werden? Die Kehrseite dieser Medaille ist, dass die Juroren so viel Angst vor einer Unterrepräsentation von Frauen haben, dass sie einfach nach dem Geschlecht und nicht nach der Leistung votieren – auch, um nicht als Sexisten abgestempelt zu werden.

Die Tendenz, bei Preisverleihungen Männer vor Frauen zu nominieren, gibt jedes Jahr Anlass, darüber nachzudenken, wie man die Nominierungsverfahren diversifizieren könnte. Auch dies hat nichts mit Kunst zu tun: Geschlecht, Farbe und so weiter sollten keine Rolle bei dem spielen, was man von einer filmisch erzählten Geschichte hält. Stattdessen ist es eine Reaktion auf ein Thema, das heutzutage in die Überlegungen zu Nominierungen einfließt. Im Bestreben nach vermeintlicher Diversität neigen die Menschen dazu, nicht das Beste zu nominieren, sondern das, was die richtige Botschaft an den "woken" Mob sendet, der allzeit bereit ist, sich beim Erstellen empörter Tweets am Smartphone die Daumen zu blutigen Stümpfen zu tippen.

Da die Berliner Filmfestspiele effektiv eine ganze Preiskategorie gestrichen haben und nun Männer und Frauen um weniger Plätze im Scheinwerferlicht konkurrieren, kann man wetten, dass jeder Einzelfall, wenn Männer oder weiße Künstler in einer der Kategorien überwiegen, zu kategorischer Empörung darüber führt, dass nicht die "richtigen" Leute nominiert wurden.

Was diese Entscheidung außerdem bewirkt, ist eine Einschränkung dessen, was überhaupt anerkannt werden kann. Durch die Beschränkung des Nominierungspools für Schauspieler auf eine Kategorie (jeweils für Haupt- und Nebenrollen) wird es nun insgesamt weniger Künstler geben, die auf der Berlinale Anerkennung finden können und denen die Möglichkeit gegeben wird, ihre Arbeit und ihre Karrieren ins Rampenlicht zu rücken. Inwiefern soll das denn gut für das Filmwesen sein?

Und man kann davon ausgehen, dass sich dieser Trend auch weiter fortsetzen wird. Die MTV Movie and TV Awards wurden schon im Jahr 2017 auf eine Preisverleihung für Schauspieler ohne separate Geschlechterkategorien umgestellt. Und es gab die Forderung, dass auch andere das Gleiche tun sollten.

Letzten Endes haben die inhaltsleeren Tugendsignale im Namen der "Gleichstellung" die Unterhaltungsindustrie zu einer ängstlichen Marionette einer linksliberal-extremistischen Agenda gemacht, die zudem einem ständigen Wandel unterliegt. Aber in derartige Entscheidungen fließt weder wahre Logik noch echte Liebe zur Kunst ein. Wer sich weniger auf die Arbeit an sich konzentriert und mehr darauf, dem jeweils aktuellen Standard der Political Correctness zu entsprechen, der vom "woken" Mob propagiert wird, der legt unnötige Betonung auf das Abhaken willkürlich festgelegter Kästchen, die nichts mit dem filmischen Erzählen von Geschichten zu tun haben. Das Ganze setzt die Industrie unter Druck, das zu "repräsentieren", was jeweils als "progressiv" angesehen wird, und nicht einfach nur das, was gut ist. Dies wird nur noch mehr Probleme schaffen. Der einzige Zweck vermeintlich geschlechtsloser Auszeichnungskategorien ist, die nimmersatten SJW-Gutmenschen zu besänftigen, die derartige inhaltsleere Entscheidungen feiern und die es schaffen, in absolut jeder Sache ein Problem zu finden. Allerdings fehlt hier die Hoffnung, dass sie jemals zufriedengestellt werden könnten. Die Berliner Filmfestspiele und andere Events, die diesem Beispiel folgen, werden diese Lektionen auf die harte Tour lernen müssen.

Übersetzt aus dem Englischen

Zachary Leeman ist Autor des Romans "Nigh" und Journalist, der über Kunst und Kultur berichtet. Zuvor hat er unter anderem für Zeitschriften wie Breitbart, LifeZette und BizPac Review geschrieben. Folgen Sie ihm auf Twitter @WritingLeeman

* Der Begriff "woke" ist eine umgangssprachliche Bezeichnung, die sich aus einigen Dialektvarianten des African American Vernacular English, manchmal auch AAVE genannt, in den Mainstream einfügt. Im Zuge des politisch korrekten Diskurses wird "woke" oft als im politischen und gesellschaftlichen Sinne "aufgewacht" oder "erwacht" verwendet. Weitere Begriffsarten wie zum Beispiel der sogenannte "Wokeism" können hiervon abgeleitet werden.

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