Meinung

Gegen den Wahnsinn des eingebauten Produktverschleißes: Wir brauchen ein Recht auf Reparatur!

Die geplante Obsoleszenz, das bewusste Einbauen eines vorzeitigen "Verfalldatums" in ein technisches Produkt, ist ein Verbrechen nicht nur am Kunden, sondern vor allem an der Umwelt, so unser Gastautor. Sein Gegenvorschlag: ein gesetzliches "Recht auf Reparatur".
Gegen den Wahnsinn des eingebauten Produktverschleißes: Wir brauchen ein Recht auf Reparatur!© Screenshot: Wikipedia

von Jochen Mitschka

Umweltbewegungen wie Fridays for Future fordern zwar unter anderem den Abbau von Subventionen für fossile Energieträger und eine CO2-Steuer zur "Klimarettung". Doch der exorbitante Ressourcenverbrauch durch die sogenannte Obsoleszenz, die weit verbreitete Marketingstrategie, technische Produkte so zu konzipieren, dass diese bewusst frühzeitig verschleißen, ist kein Thema. Es wäre wohl ein zu großer Eingriff in die profitorientierte Logik des Kapitalismus. Ich habe einige exemplarische Beispiele gesammelt:

1. Beispiel: Klarstein

Ein Kunde kaufte am 17. Mai 2018 eine "Klarstein Vanilla Sky Eismaschine" zum Preis von 249,99 Euro. Am 17. Juni 2020, also ungefähr einen Monat nach Ablauf der gesetzlichen Gewährleistungsfrist, wandte sich der Käufer an den Hersteller, weil er festgestellt hatte, dass eine Silikondichtung am Boden des Mischgefäßes undicht zu sein schien. Bei dem gesuchten Ersatzteil handelt es sich um einen Artikel von außerordentlich niedrigem Wert, und die Montage wäre erwartungsgemäß selbst durch einen ungeübten Kunden in maximal zehn bis 15 Minuten möglich, da lediglich vier Schrauben zu lösen wären.

Leider lautete die Antwort, dass das Ersatzteil nicht verfügbar sei. Daraufhin erstellte der Kunde eine Liste von Ersatzteilen, die er gerne erwerben würde, um zukünftige Reparaturen durchführen zu können. Die Antwort von Klarstein lautete:

"Unsere Artikel werden fertig hergestellt gelagert, und ich kann Ihnen leider bestätigen, dass wir die genannten Kleinteile nicht einzeln auf Lager haben."

2. Beispiel: DS Produkte

Ein Kunde kaufte einen Saugroboter vom Typ VR301. Da dieser in einer besonders flachen Bauweise realisiert worden war und anders als fast alle anderen Saugroboter auch unter der Couch des Käufers einwandfrei saugte, wollte er vorsorglich Ersatzteile, insbesondere einen Austausch-Akku kaufen. Leider waren zwar Luftfilter verfügbar, nicht aber Akkus. Wurden die Geräte vielleicht so konstruiert, dass sie auf keinen Fall die berechenbare Lebenszeit des Akkus überleben?

3. Beispiel: Espressokocher Graefe

Eine Kundin kaufte vor ein paar Jahren einen Espressokocher von Graefe bei Saturn. Nach ungefähr 18 Monaten beschädigte der Nutzer die Kunststoff-Basis-Station. Diese war nicht als Ersatzteil verfügbar, weder über den Händler noch beim Hersteller selbst.

4. Beispiel: Buderus Gasheiztherme Logano G124

2002 kaufte ein Kunde eine Buderus-Gasheiztherme vom Typ Logano G124 und baute sie ein. Im Februar 2019 kam es zu einem Ausfall der Therme. Der zuständige Vertragshändler erklärte dem Kunden, dass leider die Gasarmatur defekt sei, es dafür aber keine Ersatzteile mehr gebe. Nun sollte man meinen, dass eine Lebensdauer von 17 oder 18 Jahren ja schon stolz ist, was sicherlich stimmt. Allerdings wurde für das Gerät eine Lebensdauer von 30 Jahren (für neuere Geräte nur noch 20 Jahre) in Aussicht gestellt.

[Anmerkung: Der Fairness halber muss man sagen, dass sich später herausgestellt hatte, dass die jährliche Inspektion der Anlage durch einen "Fachbetrieb" zwar berechnet, aber wohl nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden war. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass keine Ersatzteile verfügbar waren.]

Die Liste verärgerter Kunden könnte noch lange fortgeführt werden. Jeder hat sicher Erfahrungen im eigenen Umfeld mit dieser inzwischen zum Standard gewordenen Wegwerfpolitik gemacht.

Eine Ursache liegt darin, dass Geräte oft in einem Niedriglohnland in bestimmter Stückzahl auf einer nur für den Auftrag angemieteten Montagelinie gebaut werden, ohne dass entsprechende zusätzliche Ersatzteile eingeplant werden.

Der Hauptgrund für dieses Verhalten, das sich in der gesamten Konsumgüterindustrie durchgesetzt hat, ist aber die Tatsache, dass bei Zahlung fairer Löhne die Lagerung von Ersatzteilen und die Reparatur von Geräten mittlerweile teurer ist als die Neuanschaffung. Das mag aus kaufmännischer Sicht für das jeweilige Unternehmen sogar tatsächlich sinnvoll sein. Auch dass im Fall einer Reklamation ein komplett neues Gerät verschickt wird, statt eines Reparaturversuchs am zurückgeschickten Gerät. Aber aus volkswirtschaftlicher Sicht, aus Sicht des Umweltschutzes und aus Sicht des Verbrauchers ist dieses Vorgehen völlig inakzeptabel.

Da der Markt vollständig versagt, ist der Gesetzgeber gefordert!

Dem Verbraucher von Geräten, die einen gewissen Wert übersteigen, muss freigestellt sein, ob sie Geräte nach Ablauf der Gewährleistung reparieren lassen, selbst reparieren oder die Geräte zum Technikschrott machen. Denn für den Verbraucher stellt der Wert der eigenen Arbeitskraft nicht weniger als die Kosten einer Neuanschaffung dar.

Forderungen an die Politik

Neben einer Verpflichtung von Anbietern höherwertiger Konsumgüter, grundsätzlich Ersatzteile in einer Menge, die mit der Gesamtproduktion korreliert, vorrätig und zu angemessenen Preisen für den Kunden verfügbar zu halten, ist eine Deklarationspflicht auf der Verpackung zu fordern, die die Zeitdauer definiert, während der die Ersatzteile vorrätig gehalten werden.

Neben den Ersatzteilen muss der Verkäufer außerdem mindestens verpflichtet werden, dem Verbraucher eine Explosionszeichnung in geeigneter Weise (evtl. im Internet) zur Verfügung zu stellen. Darin sollte auch vermerkt sein, ob und gegebenenfalls welche Spezialwerkzeuge benötigt werden. Alternativ könnte man die überhaupt benötigten Werkzeuge angeben.

Darüber hinaus müsste verboten werden, dass Reparaturen nur durch Zerstörung möglich sind. Beispiele: Will man einen Akku wechseln, muss man die verschweißte Plastikverkleidung aufbrechen.

Gegenargumente

Das Hauptgegenargument ist oft der Verweis auf den Kostendruck und die Behauptung, dass die Preise der Geräte durch den erhöhten Aufwand steigen würden. Nun ist das die Standardbegründung, egal ob der Sicherheitsgurt im Auto eingeführt wurde oder die Nährmitteldeklaration auf Nahrungsmittelverpackungen.

Tatsächlich könnte das Preisniveau für höherwertige Konsumgüter steigen, was aber durch die erleichterte Möglichkeit der Ersatzteilbeschaffung und Reparatur für den Kunden wieder ausgeglichen wird.

Ein unausgesprochenes Argument dürfte die Befürchtung sein, dass weniger Geräte verkauft werden, wenn der Kunde in der Lage ist, sein Gerät zu reparieren. Dieses Argument kann entkräftet werden, indem man darauf hinweist, dass es eine Vielzahl von Möglichkeiten gibt, Umsatz zulasten eines beim Kunden vielleicht noch vorhandenen Vermögens aufgrund der Selbstreparatur zu generieren. Dazu gehören Handbücher "Wie repariere ich …" ebenso wie Ersatzteilverkäufe. Aber insbesondere könnten durch Innovationen die Kunden dazu gebracht werden, das reparierte Teil als Gebrauchtteil zu verkaufen und doch ein neues Gerät zu kaufen. Damit könnte der Hersteller auf lange Sicht sogar neue Käuferschichten erschließen, nämlich Menschen, die sich keine Neugeräte leisten können oder wollen.

Verbot der Obsoleszenz als Lösung? 

Die geplante Obsoleszenz zu verbieten, ist eine Möglichkeit, Kunden zu schützen. Aber während in Frankreich seit 2015 bis zu zwei Jahre Gefängnis auf absichtliche Verkürzung der Lebensdauer im Strafgesetz stehen, tut sich Deutschland schwer, den Verbraucher wirksam zu schützen. Die Durchsetzung des Verbots dürfte sich aber als höchst schwierig erweisen. War es bisher nicht notwendig, Obsoleszenz zu verschleiern, bin ich sicher, dass Ingenieure auf viele neue Ideen kommen werden, um Obsoleszenz in die Produkte einzubauen, ohne dass dies beweisbar wäre.

Durch das "Recht auf Reparatur" wäre auch dieses Problem relativiert. Natürlich kann es auch hier Grauzonen und Tricks geben, mit denen Hersteller dann doch versuchen, den Kunden "über den Tisch zu ziehen", sprich, einen nicht vom Kunden erwarteten Kostenfaktor zu verursachen. Aber die Frage wird sich stellen, ob die Entwicklung solcher Tricks den zu erwartenden Gewinn und evtl. Imageverlust im Fall der Entdeckung (siehe Dieselskandal) rechtfertigen.

Testverfahren

Für viele moderne Käufer von höherwertigen Konsumartikeln gehört vor dem Kauf die Suche nach Testberichten zum Standardverfahren. Auf der Videoplatform Youtube hat dies zu einer ganzen Klasse von Videos geführt, die vom Auspacken bis zur Anwendung viele Artikel zeigen, die von Profis oder einfache Hausfrauen oder -männern getestet werden. Auch wurde die Internetseite der Pioniere von Testberichten, der Zeitschrift Test, inzwischen von allen möglichen sogenannten "Test"-Seiten verdrängt, die Testberichte zusammenfassen oder einzeln darstellen.

Weder auf Youtube noch in den professionellen Testberichten wird aber auf die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und die Möglichkeit der Reparatur eingegangen. Außer in so offensichtlichen Fällen wie bei fest eingebauten, nicht austauschbaren Akkus.

Auch hier wird ein Umdenken benötigt. Nicht nur das "Auspacken", das gerne in Youtube-Videos gezeigt wird, ist wichtig, sondern was passiert, wenn es einen Schaden an dem Produkt gibt. Ich denke, dass sich das automatisch ändern würde, sollte die Politik endlich handeln und das "Recht auf Reparatur" definieren.

Fazit

Dass die Klimaschutzindustrie keinen Schwerpunkt auf diesen Bereich setzt, sondern eher die industrielle Entfernung von CO2 aus der Luft, zu bezahlen aus Steuergeldern, fordert, sollte uns zu denken geben.

Wenn deutsche bzw. EU-Politiker mehr als im Grunde lächerliche Symbolpolitik wie das Verbot von Wattestäbchen aus Plastik oder Plastiktüten, die bei uns eh in der Müllverbrennung und nicht im Meer landen, bewirken will, sollten sie endlich glaubhaft die Interessen der Verbraucher vertreten, indem ein gesetzlicher Rahmen für "Das Recht auf Reparatur" geschaffen wird. Wenn Politiker ernsthaft gegen Kartelle wie Phoebus (1) vorgehen wollen, müssen sie endlich zeigen, dass sie mehr als Sonntagsreden halten und Symbolpolitik betreiben.

Und was können wir, die Verbraucher, tun? Nun, wir sollten, wo es möglich ist, vor dem Kauf versuchen zu erfahren, ob für das Gerät Ersatzteile verfügbar sind. Was der Autor für Konsumgeräte in einer gewissen Preisklasse für selbstverständlich hielt, ist offensichtlich die Ausnahme. Und wenn ein Kunde zu spät merkt, dass sein Produkt nicht reparierbar ist, sollte er auf jeden Fall den Hersteller zukünftig meiden und seine Erfahrungen über die sozialen Medien verbreiten. Und natürlich sollten auch positive Erfahrungen viel stärker über Facebook und Co. gemeldet werden. Denn es gibt sie, die altmodischen Firmen, die tatsächlich Ersatzteile liefern. Vielleicht beginnt "der Markt" dann, wieder zu funktionieren.

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