Meinung

Kennen Sie "Idiocracy"? – Ein Kommentar zur nachträglichen Anhebung der Mathe-Abiturnoten

In verschiedenen Bundesländern wurden die Abiturnoten im Fach Mathematik nachträglich angehoben. In Sachsen um einen Punkt, in Bremen gar um zwei. Der erreichte Notendurchschnitt war schlechter ausgefallen als im Vorjahr. Die Aufgaben seien dieses Mal zu schwer gewesen.
Kennen Sie "Idiocracy"? – Ein Kommentar zur nachträglichen Anhebung der Mathe-AbiturnotenQuelle: www.globallookpress.com © Fabian Sommer/dpa

von Jens Zimmer 

In Berlin, Sachsen und Bremen sind die Abiturnoten im Fach Mathematik nachträglich angehoben worden. Begründet wird der Schritt mit der Schwere der Aufgaben. Was nichts anderes bedeutet, als dass die Schüler ganz einfach schlecht abgeschnitten haben.

Das heißt, dass der Durchschnitt schlecht ausfällt. Und das bedeutet dann wohl, dass die proklamierte "Bildungsrepublik" versagt hat. Letztendlich also ein Versagen der Politik. Die in solchen Fällen den Notendurchschnitt einfach korrigiert.

An der Leistung der Schüler ändert das selbstverständlich nichts. Unser Bildungsproblem ist auch lange schon bekannt und wird mit Nachdruck ignoriert. Seit Jahren hören wir aus den Betrieben, das Niveau der Azubis habe deutlich nachgelassen. Deutsch in Wort und Schrift sei häufig mangelhaft. Der Nachwuchs beherrsche noch nicht einmal die einfachsten Regeln der Mathematik. 

Von den Universitäten kommen überraschend ähnliche Töne. Demnach seien viele Studenten de facto überhaupt nicht für ein Studium geeignet. Ihre "Hochschulreife" bestehe lediglich auf dem Papier. Überwiegend sei es auch hier die Mathematik, an der die Studenten auf breiter Linie scheitern. Also genau das Fach, in dem die Politik jetzt nachträglich die Noten anhebt. 

1960 waren ganze 6 Prozent der Schulabgänger berechtigt, an einer Universität zu studieren. Im Jahr 2012 waren es bereits 60 Prozent. Die Anzahl der Studenten hat sich in diesem Zeitraum um den Faktor elf auf 2,8 Millionen erhöht. 

  1. Wie viele Studenten gab es im Jahr 1960?
  2. In welchem Verhältnis steht die Zunahme der Studienberechtigten zur Zunahme der Studenten?
  3. Ab welchem Jahr kann der Anteil studienberechtigter Schulabgänger nicht weiter steigen?
  4. In welchem Jahr gibt es 8,4 Millionen Studenten? Wie viele Schulabgänger wären dann rein theoretisch zu einem Studium berechtigt?

Wenn Sie diese einfachen Aufgaben nicht lösen können, dann hilft Ihnen vielleicht die Politik. Nicht, indem sie die Aufgaben löst, sondern indem sie die für gelöst "erklärt".

Das wirft ein paar weitere Fragen auf:

  1. Wann werden alle Abiturienten nur noch 15 Punkte schreiben?
  2. Wann werden wir alle sechs Richtige im Lotto haben?
  3. Wann werden alle Menschen an den Olympischen Spielen teilnehmen und gemeinsam die Goldmedaille über 100 Meter gewinnen?

Die Zeiten werden nämlich nachträglich korrigiert – von der Politik. Darum ist das vollkommen richtig, und alle sind mit Sicherheit gleich schnell gelaufen. Lästige Themen wie "Bildung" werden uns in Zukunft dann gar nicht mehr tangieren. Und PISA? Dieser dümmliche Mist, den man uns seit Jahren erzählt hat? Hat sich auch erledigt! Da liegen wir in Zukunft auf dem ersten Platz. Gemeinsam mit allen anderen.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Dass immer mehr Menschen in Deutschland studieren können, ist ein Erfolg! Und der ist übrigens der ehemaligen Arbeiterpartei SPD zu verdanken. 

Dann jedoch bewegten sich zwei Graphen aufeinander zu, schnitten sich und treiben seitdem immer weiter auseinander. Der absteigende Ast steht für die Möglichkeit, nur mit Intelligenz und Fleiß bewaffnet in diesem Land sehr viel erreichen zu können, der aufsteigende steht für das Anrecht (!) auf Studium und Doktortitel. Unabhängig davon, wie blöd man auch sein mag. Notfalls einfach in einer der Geschwätz-Wissenschaften. Denn Mathematik mag zwar out sein. Dafür steht die Moral jetzt ganz hoch im Kurs!

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