Meinung

USA: Redefreiheit und Eier aus Freilandhaltung – Beides glei­cher­ma­ßen nicht existent

Die USA sind so autoritär und intolerant gegenüber Andersdenkenden wie jede andere 08/15-Diktatur auch. Im Allgemeinen lautet das Programm, den Dissens auf eine subtilere, raffiniertere Art zu unterdrücken – gestützt auf Mainstream-Medien mit Gruppenzwang zum Konformismus.
USA: Redefreiheit und Eier aus Freilandhaltung – Beides glei­cher­ma­ßen nicht existentQuelle: AFP © L214 - Éthique & Animaux / AFP

von Caitlin Johnstone

In einem weiteren Abschnitt einer Kampagne, die Kevin Gosztola von Shadowproof  bezeichnet als "einen nicht ganz so subtilen Versuch, den Journalismus einer gegnerischen Medienorganisation zu kriminalisieren, an deren Zerstörung die Vereinigten Staaten in den letzten zehn Jahren gearbeitet haben", wurde WikiLeaks-Gründer Julian Assange vom US-Justizministerium nun mit einer weiteren überflüssigen Anklage belastet.

Shadowproof, WSWS und Consortium News bieten allesamt solide und informative Berichte zu dieser neuen Entwicklung. Die Anklageschrift fügt keine neuen Anklagepunkte hinzu und ist buchstäblich wie ein Schweizer Käse voller Ungenauigkeiten, eklatanter Handlungslücken und dilettantischer Fehler. Aber dafür ist sie stark auf die Aussagen eines verurteilten Pädophilen (sic!) und diagnostizierten Soziopathen gestützt. Unter dem Strich scheint sie kaum mehr als ein schwacher Versuch zu sein, die Aufnahme der Worte "Hacking" und "Hacker" in das Anklagenarrativ zu legitimieren.

Um Stella Morris, Assanges Partnerin, zu zitieren: "Sie haben ihre Anklage gegen Julian nicht mit schlagenden Argumenten belegt – sondern höchstens mit der Schreibfeder gestreichelt."

Die Hetze gegen Julian Assange ist ein leicht durchschaubarer Holzhammer-Versuch der US-Regierung, das Veröffentlichen jener Informationslecks, die das US-zentrierte Reich in Verlegenheit bringen könnten, weltweit möglichst zu kriminalisieren. Damit soll eine feste Grenze gezogen werden, welche die Journalisten in aller Welt künftig niemals überschreiten dürfen.

Dies ist die Form des pervertierten totalitären oligarchischen Imperiums, in der es seine tyrannische Form am unverschämtesten zur Schau stellt. Die Verhaftung von Assange war der Teil des Filmplots, in dem der Bösewicht endlich sein wahres Gesicht enthüllt – die Fratze eines Ungeheuers, das er im Grunde schon immer gewesen war. An dieser Stelle wird jedem, der darauf achtet, klar: Das Bündnis der Herrschenden in den USA ist genauso autoritär und intolerant gegenüber jedem echten Dissens wie jeder andere 08/15-Diktator, wie er in einer typischen Bananenrepublik während des Kalten Krieges vorzufinden war.

Schere im Kopf – made in U.S.A.

Allerdings ist dies die seltenste Form der imperialen Zensur. Jene die menschliche Zivilisation beherrschenden Machtgefüge ziehen es normalerweise vor, die Zensur nach Möglichkeit im Verborgenen auszuüben – ganz nach dem Motto "aus den Augen, aus dem Sinn". Im Idealfall dienen ihnen die Insassen dieses Gefängnisses für freie Geister gleich noch als ihre eigenen Aufseher.
Aaron Maté – momentan einer meiner Lieblingsjournalisten auf dem Planeten – hat einen interessanten neuen Post auf Twitter:

Es ist unglaublich, dass ein Buch nach dem anderen immer denselben, längst unglaubhaften Russiagate-Hype auslöst. Als ich mit einem Redakteur eines großen Verlags darüber sprach, ein Buch herauszugeben – Sie wissen schon, auf der Grundlage tatsächlicher Fakten und so – sagten mir die Leute dort, ihre Freunde würden wütend auf sie sein, wenn sie es veröffentlichen würden, also war es das.

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Dies ist ein perfektes Beispiel für die Tyrannei in Samthandschuhen, die den größten Teil der Unterdrückung der Redefreiheit in ihrem heutigen Reich ausmacht. Es gibt keinerlei Gesetz, das die Veröffentlichung von Matés preisgekrönter journalistischer Arbeit zum Thema des als "Russiagate" bekannten Einsatzes von Massenvernichtungswaffen der psychologischen Kriegsführung verbieten würde. Niemand, der ein solches Buch veröffentlichen würde oder veröffentlicht hat, dürfte wie Julian Assange mit Folter und einer 170-jährigen Gefängnisstrafe rechnen müssen. Und dennoch bleibt die Redefreiheit eingeschränkt. Bedeutende Verleger werden das Werk von Maté nicht einmal mit der Kneifzange anfassen. Man wird ihn nicht als Gastredner auf Sendern wie MSNBC oder CNN sehen. Nicht etwa, weil diesen Sendern verboten wurde, ihn einzuladen, sondern weil sie es selber nicht wollen.

Wie die ehemalige MSNBC-Moderatorin Krystal Ball im vergangenen Jahr erklärte, wurde von oben eine Haltung der Konformität durchgesetzt – einfach um sicherzustellen, dass diejenigen, die an die Spitze der einflussreichsten Plattformen aufsteigen, sich auch an die Linie des Establishments zu halten wissen, ohne dass jemand es ihnen ständig befiehlt. Es werden Absolventen derselben die Konformität fördernden Universitäten eingestellt – und zwar von Führungskräften, die ihrerseits von diese Medien besitzenden Plutokraten auf der Grundlage ihrer Bereitschaft ausgewählt wurden, den Status quo zu schützen, auf dem ihre räuberischen Königreiche aufgebaut sind. Und nur diejenigen, die nach den Regeln dieses Systems spielen, steigen jemals in Positionen auf, aus welchen sie größeren Einfluss üben können.

Ich erinnere mich an ein berühmtes, umstrittenes Interview von Noam Chomsky mit dem britischen Journalisten Andrew Marr: In diesem verhöhnte Chomsky das falsche Bild, das die Mainstream-Journalisten von sich selbst haben, nämlich das Selbstbild "des Kreuzritters von Beruf, streitbar nach dem Motto 'wir gegen die Macht'".

Er gab zu bedenken, es sei für einen guten Journalisten fast unmöglich, dieses Ideal in den Massenmedien auf irgendeine sinnvolle Weise zu leben. Marr setzte an, Einspruch zu erheben: "Wie wollen Sie wissen, dass ich mich selbst zensiere? Wie wollen Sie wissen, dass Journalisten..." Chomsky entgegnete:

Ich will gar nicht sagen, dass Sie sich selbst zensieren. Ich bin mir sicher, dass Sie alles glauben, was Sie sagen. Aber was ich sagen will: Sie würden nicht da sitzen, wo Sie jetzt sitzen, wenn Sie etwas Anderes glauben würden.

Ich erinnere mich auch an ein Zitat aus dem Film "Mein Essen mit André" (My Dinner with André, USA, 1981):

Ich denke, New York ist der neue Prototyp für neue Konzentrationslager - wobei das Lager von den Häftlingen selbst gebaut wurde, die Häftlinge die Wächter sind, und sie haben diesen Stolz auf das, was sie da gebaut haben – sie haben ihr eigenes Gefängnis gebaut. Und so existieren sie in einem Zustand der Schizophrenie, in dem sie sowohl Wärter als auch Gefangene sind. Und als Folge davon haben sie – nachdem sie lobotomiert wurden – nicht mehr die Fähigkeit, das Gefängnis, das sie gebaut haben, zu verlassen oder es auch nur als Gefängnis zu betrachten.

Das Freiland-Gleichnis

Wussten Sie, dass (je nach Land) sogenannte "Eier aus Freilandhaltung" oft alles sind, bloß keine Eier aus Freilandhaltung? In den USA zum Beispiel müssen Hühner nur "Zugang zum Freiland" haben, damit sie als "in Freilandhaltung lebend" gelten können. In der Praxis bedeutet dies, dass Tausende von Vögeln in winzige, unhygienische Ställe mit mehreren Plattformen zusammengepfercht werden. Diese sind so konstruiert, dass sie möglichst viele Tiere aufnehmen können, wobei aber am anderen Ende des Stalls eine winzige offene Tür zu einem kleinen Verandabereich führt, zu der die allermeisten Hühner nicht einmal den Weg finden.

Das USDA, das US-Landwirtschaftsministerium, stellt keine Anforderungen, dass die Hühner tatsächlich jemals nach draußen finden, oder auch nur, wie dieses "draußen" technisch auszusehen hat. Somit erhält man in der Praxis einen Haufen  Hennen "aus Freilandhaltung", die sich nie auch nur in die Nähe dieser Tür wagen konnten – und auch gar keinen Grund hatten, dies auch nur zu versuchen.

Genauso sieht die viel gepriesene "Redefreiheit" der westlichen Welt in der Praxis aus, wenn es um Plattformen mit großem Einfluss geht. Technisch gesehen stehen der New York Times oder CNN Tür und Tor offen, Stimmen zu erheben, die dem offiziellen Bild ihres Reiches zu Vorgängen in der Welt widersprechen. Aber sie entscheiden sich dagegen – weil das System so entworfen wurde, dass es sie davon abhält, dies zu tun.

Die Massenmedien sind das Äquivalent zur Massentierhaltung, auf  die Meinungsäußerung bezogen. Nichts – aber auch gar nichts – an einem solchen Konstrukt ist frei, human oder natürlich. In einer gesunden Welt, die wir hoffentlich eines Tages sehen werden, wird weder das eine noch das andere existieren.

Übersetzt aus dem Englischen.

Caitlin Johnstone ist eine unabhängige Journalistin aus Melbourne. Sie finden ihre Webseite hier und können ihr auch auf Twitter unter @caitoz folgen.

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