Meinung

Altbackene Plätzchen von Victoria Nuland: Plan zur Russlandpolitik der USA ist dumm und riskant

Victoria Nuland brachte als Maidan-Hebamme das heutige ukrainische Regime als wahres Monstrum ans Licht der Welt. Nun skizziert sie für eine mögliche US-Regierung unter Biden eine Russlandpolitik, die nach dem Artikel in Foreign Affairs nur dumm, wahnwitzig und gefährlich wäre.
Altbackene Plätzchen von Victoria Nuland: Plan zur Russlandpolitik der USA ist dumm und riskantQuelle: AFP © AFP PHOTO/ PARTY PRESS-SERVICE/ ANDREW KRAVCHENKO ANDREW KRAVCHENKO / Union Opposition press service / AFP

von Nebojsa Malic

Victoria Nuland, jene berüchtigte US-Diplomatin, die auch als "Hebamme" des ukrainischen Staatsstreichs von 2014 bekannt wurde, hat eine Russland-Strategie für eine theoretische Biden-Regierung skizziert. Sie basiert auf Phantastereien und Projektionen und ist daher wertlos.

Vielleicht erinnern Sie sich an "Tori" Nuland aus Zeiten der sogenannten "Revolution der Würde" in der Ukraine – am ehesten vielleicht an den schlechten PR-Scherz, als sie an "friedliche Demonstranten" auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew Gebäck verteilte. Begleitet wurde sie vom US-Botschafter Geoffrey Pyatt – einige Wochen danach fand zwischen beiden das berühmt gewordene Telefonat darüber statt, welcher der Protestanführer künftig eine Regierung bilden darf. Eine Aufzeichnung des Gespräches gelangte später an die Öffentlichkeit. Sehr bald nach dem Gespräch führten die von den beiden Gesprächspartnern favorisierten Personen einen bewaffneten Putsch gegen die Regierung in Kiew an und setzten eine eigene Regierung ein.

Das war jedoch dann auch schon der Höhepunkt von Nulands diplomatischer Laufbahn: Nach der Amtseinführung von Präsident Donald Trump schied sie aus dem Außenministerium aus und ging in die Privatwirtschaft. Derzeit arbeitet sie für Madeleine Albrights Beratergruppe in Washington.

Jetzt allerdings setzt Nuland zu einem Comeback an: Nicht anders lässt sich ihr Artikel in der Juli-August-Ausgabe der Zeitschrift Foreign Affairs deuten. Der Titel lautet "Pinning Down Putin" (to pin down, dt.: mit einer Reißzwecke befestigen, im übertragenen Sinn also: verstehen, aber auch festnageln; mit Sperrfeuer niederhalten. Anm. d. Red.).

Der Artikel recycelt als eine Art "Wiederholungssendung" die für Washington-hörige Medien des Mainstream üblichen Beschuldigungen gegen Russland und projiziert das Fehlverhalten der USA und der NATO auf Moskau. Doch außerdem skizziert Nuland darin im Grunde genommen eine Russland-Politik für eine Biden-Regierung – für den Fall, dass die Demokraten im November dieses Jahres das Weiße Haus erobern sollten, wie es vom US-Establishment erhofft wird. Bei der Lektüre des Artikels gilt es zu bedenken, dass Nuland nicht unbedingt an eine der beiden großen Parteien in den USA gebunden ist – arbeitete sie doch gleichermaßen für Bill Clintons Russland-Guru Strobe Talbott wie auch für Dick Cheney, die graue Eminenz von George W. Bush. Wenn es jemanden gibt, der den überparteilichen Konsens des US-Establishments zu Russland verkörpert, dann ist sie das. Das ist wohl ein Hauptgrund, überhaupt einen Blick in ihr Essay zu werfen.

Washington und seine Verbündeten haben die Staatskunst vergessen, mit der der Kalte Krieg gewonnen wurde und die noch viele Jahre danach Wirkung zeigte." Lesen Sie Victoria Nulands Aufsatz darüber, wie die Vereinigten Staaten wirksamer mit Russland umgehen können:

"Pinning down Putin"

Im Umgang mit Russland bietet eine Politik, die auf Aktivisten setzt und dabei starken Schutz mit Großzügigkeit verbindet, besseren Schutz für die US-Interessen.

Nulands eigentliche politische Ratschläge sind abgedroschen und vorhersehbar. Sie fordert "eine konsequente Führung der USA auf Präsidentenebene, Einheit mit demokratischen Verbündeten und Partnern sowie die gemeinsame Entschlossenheit, das gefährliche Verhalten des Kremls  zu verhindern und zurückzudrängen".

Laut Nuland hat Präsident Wladimir Putin "seine Bevölkerung von der Außenwelt abgeschnitten" und müssten die USA nun "unmittelbar mit dem russischen Volk über die Vorteile einer Zusammenarbeit [mit den USA] und den Preis, den es für Putins harte Abkehr vom Liberalismus bezahlt hat, sprechen".

Doch in der Realität sind Russen weit davon entfernt, "von der Außenwelt abgeschnitten" zu sein: Sie haben Zugang zu einer breiteren Auswahl an mehr und besseren Nachrichten und Kommentaren als der Durchschnitts-US-Amerikaner – und dazu gehören auch Nachrichten und Kommentare, mit denen Nuland nun gar nicht einverstanden ist. Das ist denn auch hier offensichtlich der Kern ihres Problems: Jemand ist eindeutig ziemlich sauer, dass Putin es den US-unterstützten "zivilgesellschaftlichen" Aktivisten und NGOs erschwert hat, in Russland zu operieren.

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Nuland argumentiert, die USA und die NATO hätten "versucht, Moskau davon zu überzeugen, dass die NATO ein reines Verteidigungsbündnis sei und keine Bedrohung für Russland darstellt" – bringt dann aber die Frechheit zustande, die "Unabhängigkeit" des Kosovo als Beispiel für einen "demokratischen Kampf" anzupreisen, und spricht davon, dass "ein Gürtel zunehmend demokratischer, wohlhabenderer Staaten um Russland herum eine Herausforderung" für Putins Führung darstellen würde!

Doch gerade das Kosovo ist ein unbestreitbarer Beweis für die Niederträchtigkeit der NATO. Mehr noch: Gerade im Krieg von 1999 verlor "der Westen" jenes Russland, das zuvor unkritisch zu ihm aufgeschaut hatte. Aber genau diesen Zustand hofft Nuland nun wiederherzustellen. Und wenn sie wirklich glaubt, dass Länder wie die Ukraine oder Georgien demokratisch oder gar wohlhabend sind, leidet sie eindeutig unter Wahnvorstellungen. Hier sei daran erinnert, dass Washington seinerzeit Boris Jelzin, Putins "demokratischen" Vorgänger, dafür lobte, dass dieser im Jahr 1993 Russlands Parlament von Panzern zusammenschießen ließ. Und US-Verbündete wie Polen und Ungarn werden heutzutage von der EU als "undemokratisch" angeprangert. Doch vielleicht bedeutet "Demokratie" ja ohnehin, dass nur von den USA unterstützte Parteien gewinnen dürfen – so ähnlich, wie es in Serbien nach der farbigen Revolution von 2000 geschah?

Nicht weniger wahnwitzig sind Nulands Erwartungen heute. Sie beschreibt die Lage mit Begriffen wie "Zuckerbrot und Peitsche", als sei Russland ein Esel. Doch selbst wenn wir über die beleidigende Metapher hinwegsehen wollen, ist ihr "Zuckerbrot" offensichtlich lächerlich: Gemeinsame Investitionen? Freier Handel? Niedrigere Zölle? Energiepartnerschaften? Ein zahnloser und sinnloser "gesamteuropäischer Sicherheitsdialog", der vor 12 Jahren vorgeschlagen wurde? Und in der Zwischenzeit müsse Russland "seine Entschlossenheit demonstrieren, Angriffe auf Demokratien zu beenden" – mit anderen Worten, unter umgekehrter Beweislast versuchen, die eigene Unschuld zu erweisen. Was für ein Schnäppchen!

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In Wirklichkeit will Nuland die russische Regierung umgehen und direkt die Herzen und Köpfe der Menschen gewinnen. Dafür sollten sich die USA der Akademiker, der Aktivisten der "Zivilgesellschaft" und der Studenten bedienen.

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Sie schlägt sogar vor,  visumfreies Reisen für Russen im Alter zwischen 16 und 22 Jahren zu ermöglichen – "damit sie sich eine eigene Meinung bilden können, bevor ihr Lebensweg festgelegt wird". Wie sollte es denn auch anders sein – ist doch heutzutage jene Art eines Absolventen einer US-Universität nichts Geringeres als das leibhaftige Vorbild für die ganze restliche Welt, wonach alle streben sollten!

Nuland war Sowjetwissenschaftlerin, daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass sie bei ihren Vorschlägen immer noch in der Denkweise des Kalten Krieges festgefahren ist. Doch die US-Propaganda der 1980er Jahre beruhte auf US-amerikanischer Opulenz, auf Wohlstand und Selbstvertrauen der Reagan-Ära. Doch was die Sowjetunion am Ende erntete, als sich ihre Regierung auf den Handel einließ, nennt Nuland heute selbst die "Jahre des Chaos und der Verarmung in den 1990ern".

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Putin ist gerade das Produkt dieser Desillusionierung schlechthin (Betonung d. Red.). Man mag sich trefflich darüber streiten können, ob bei dieser oder jener alternativen Entwicklung nicht alles viel besser gelungen wäre. Jedoch herrscht keine Uneinigkeit darüber, dass seine Amtszeit dem Zustand der 1990er Jahre bei weitem vorzuziehen ist, und zwar für alle – außer vielleicht für die Oligarchen und die "Aktivisten", die auf der Gehaltsliste des National Endowment for Democracy stehen.

Was aber haben die USA jetzt anzubieten? Die Russen sehen sich die Szenen in den US-amerikanischen Nachrichtensendungen an – und sehen darin ein Remake der chinesischen Kulturrevolution. Sie sehen Rassenunruhen und selbsternannte Kommunisten, die zum Aufstand aufrufen. Sie sehen eine "Wissenschaft", die heutzutage das Eine und morgen etwas völlig anderes sagt – allein auf der Grundlage tagesaktueller politischer Erwägungen. Sie sehen die Zerstörung von Denkmälern und den Verzicht auf die Geschichte des Landes und auf das nationale Erbe.

Kann man es ihnen verdenken, wenn sie sich von all dem an Russlands eigene Vergangenheit erinnert fühlen? Der typische US-Amerikaner würde hier ja sagen: "Been there, done that" (dt. etwa: Ich habe es am eigenen Leib erfahren). Ebenso passend – und auch noch weltweit überall verständlich – wäre außerdem ein beherztes "Nein, danke".

Übersetzt aus dem Englischen

Nebojsa Malic

ist ein serbisch-US-amerikanischer Journalist, Blogger und Übersetzer, der in den Jahren 2000 bis 2015 eine regelmäßige Kolumne für Antiwar.com schrieb und jetzt als leitender Autor bei RT International tätig ist. Folgen Sie ihm auf Twitter @NebojsaMalic

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