Pragmatismus als Programm: Lawrow reist nach Lateinamerika, um Zusammenarbeit zu fördern

Der russische Außenminister ist nach Lateinamerika gereist, um die Zusammenarbeit Russlands mit entsprechenden Ländern zu fördern. Neben Kuba stehen auch Mexiko und Venezuela auf dem Plan. US-Medien erkennen in der Reise jedoch ganz andere Absichten Russlands.

Die dreitägige Reise des russischen Außenministers Sergei Lawrow nach Lateinamerika hat in den USA nervöse Reaktionen hervorgerufen. Man geht davon aus, dass die Reise Teil einer antiamerikanischen Agenda ist, obwohl Moskau legitime wirtschaftliche Interessen in der Region hat.

Während der Reise, die am Mittwoch begann, stattet Lawrow einen jeweils eintägigen Besuch in Kuba, Mexiko und Venezuela ab.

The Hill brandmarkte die Reise als "Unterstützungsbeweis" für den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro, den US-Präsident Donald Trump gerade zum "Diktator" erklärte, während er dem selbsternannten "Interimspräsidenten" Juan Guaidó Unterstützung versprach.

Selbst die Nachrichtenagentur Reuters deutete an, dass Lawrow vom Kreml nach Caracas "geschickt" wurde, um den US-amerikanischen Sanktionen irgendwie "entgegenzuwirken". Die Mainstream-Medien scheinen der Meinung zu sein, dass Moskau versucht, "den Einfluss in der Region zu verstärken".

Die Tatsache, dass der Besuch Lawrows weniger als eine Woche nach der Charmeoffensive von US-Außenminister Mike Pompeo in den vier ehemaligen Sowjetrepubliken – Weißrussland, Ukraine, Kasachstan und Usbekistan – erfolgt, hat das Feuer der Spekulationen über Moskaus symbolische Gegenleistung in Washingtons "Hinterhof" nur noch weiter angefacht.

Die bloße Möglichkeit, dass Lawrows Reise in keinerlei Zusammenhang mit den USA steht und mehr mit Russlands Interessen und Politik zu tun haben könnte, wird nicht in Betracht gezogen.

Entwicklung und Zusammenarbeit

In einem Interview mit der in Havanna ansässigen Nachrichtenagentur Prensa Latina wies Lawrow vor seinem Besuch in Kuba darauf hin, dass Russland und Kuba bei einer ganzen Reihe von Großprojekten in den Bereichen Energie, Verkehr, Kommunikation, Biotechnologien und sogar im Weltraum zusammenarbeiten. Der Minister lobte die jahrzehntelangen "Traditionen der Freundschaft und Zusammenarbeit" und sagte:

Wir schätzen die Tatsache, dass die kubanischen Behörden Russland eine ganz besondere Rolle bei der Modernisierung der nationalen Wirtschaft einräumen.

Obwohl Mexiko nach Brasilien einer der größten Handelspartner Moskaus in der Region ist, besuchte ein russischer Außenminister Mexiko-Stadt das letzte Mal im Jahr 2010. Dmitry Rasumowski vom Institut für Lateinamerikastudien der Russischen Akademie der Wissenschaften erklärte gegenüber RT:

Wir haben mit Mexiko eines der größten Handelsvolumina in der Region und eine reichhaltige Kooperationsagenda – insbesondere im Bereich Wissenschaft und Technologie. Diese Reise war lange geplant, um die in den letzten Jahren aufgelaufenen Probleme zu lösen.

Lawrows Agenda ist pragmatischer Natur.

Ein Treffen mit dem mexikanischen Außenminister Marcelo Ebrard ist ebenfalls sinnvoll, da die neue mexikanische Regierung eine neue soziale und wirtschaftliche Strategie befürwortet, die sie weniger abhängig von den USA macht, meint Oleg Barabanow, stellvertretender Forschungsdirektor der Universität MGIMO am Institut für Europastudien und Programmdirektor des Waldai-Klubs.

Was Venezuela betrifft, so hat Russland dort "wichtige Investitionen" in Öl- und Gasvorkommen getätigt, so Andres Serbin vom lateinamerikanischen Thinktank CRIES und der Latin American Studies Association (LASA) gegenüber RT. Vor allem Russlands Ölgigant Rosneft ist an fünf venezolanischen Unternehmen beteiligt. Das bedeutet jedoch nicht, dass Moskau nicht an einer friedlichen Lösung der politischen Krise in Venezuela interessiert ist. Serbin, ebenfalls Experte beim Waldai-Klub, erklärte dazu:

Alle internationalen Akteure, die an der venezolanischen Krise beteiligt sind, suchen wahrscheinlich nach einer friedlichen Lösung.

Barabanow stellte fest, dass sich Washingtons "Blitzkrieg"-Strategie in Venezuela als unwirksam erwies, da es dem US-Protegé Juan Guaidó im vergangenen Jahr nicht gelang, Präsident Maduro zu stürzen. Nun habe sich ein Fenster für die "Verbesserung der Kontakte und die Entwicklung von Wirtschaftsprojekten" geöffnet. Der Experte fügte hinzu:

Das Ziel ist es, sicherzustellen, dass Russland und Venezuela auf der gleichen Seite stehen und eine neue Strategie der bilateralen Beziehungen definieren.

Relikte des Imperialismus

Während das offizielle Washington noch nicht auf Lawrows Reise reagierte, beschrieb der Chef des US-Südkommandos (SOUTHCOM), Admiral Craig Faller, im vergangenen Monat Russland als "bösartigen Akteur", der an der "absichtlichen" Erosion der Stabilität in Lateinamerika beteiligt sei. Jegor Lidowski vom Hugo-Chavez-Kulturzentrum für Lateinamerika meinte hierzu:

Die USA versuchen immer, Russland als Aggressor darzustellen.

Russland unterstützt jedoch legitime Regierungen durch diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen.

Der russische Außenminister wies im Interview mit Prensa Latina darauf hin, dass, auch wenn wir das Jahr 2020 schreiben, die Sicht der USA auf Lateinamerika in den 1820er-Jahren stehengeblieben ist. Die "archaische" Monroe-Doktrin – die die gesamte westliche Hemisphäre zum ausschließlichen Interessengebiet Amerikas erklärt – hat in Washington noch immer Bestand.

Dies läuft laut Barabanow im Wesentlichen auf Neokolonialismus hinaus, da die USA die lateinamerikanischen Länder als eine Art Vasallen ansieht, während Moskau diese als unabhängige Länder behandelt und keinen Grund hat, den Ausbau der Beziehungen zu ihnen zu unterlassen.

Lidowski ist der Meinung, die USA hätten vergessen, dass Lateinamerika seit langem eine unabhängige Region ist. Stattdessen klammere sich Washington an Politik-Mechanismen wie Sanktionen.

Sowohl die 60 Jahre andauernde Blockade Kubas als auch die jüngsten Sanktionen gegen Venezuela verstoßen gegen das Völkerrecht und schaden den einfachen Menschen. Selbst wenn die USA betonen, dass sie "zum Volk stehen" und gegen die "Regime" handeln würden, die sie stürzen wollen.

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