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Manöver INDRA 2019: Stärkung der strategischen Beziehungen zwischen Indien und Russland

Die Beziehung zwischen Russland und Indien verlief nicht immer glatt. Doch man war sich stets mehr als wohlgesonnen. Dies zeigt sich in der engen Zusammenarbeit in den Bereichen Militär und Sicherheit. Das Manöver INDRA-2019 ist ein guter Anlass für einen Überblick.
Manöver INDRA 2019: Stärkung der strategischen Beziehungen zwischen Indien und RusslandQuelle: Sputnik

Von Shishir Upadhyaya, ehemaliger Aufklärungsoffizier der indischen Marine.

Die jährliche Übung INDRA, ein breit angelegtes, jeweils alle drei Teilstreitkräfte umfassendes Manöver gemeinsam mit Russland, findet derzeit an drei Standorten in Indien statt. Das seit dem 10. Dezember laufende Manöver neigt sich nun dem Ende zu.

Übungen dieser Größenordnung sind etwas Besonderes. In Indien sind sie nur engen strategischen Partnern wie Russland und den Vereinigten Staaten vorbehalten. Ferner ist INDRA die einzige Übung, die Indien mit allen drei Teilstreitkräften gleichzeitig durchführt.

All dies zeugt von den langjährigen und vielfältigen Beziehungen Indiens zu Russland, die sich seit dem im Jahr 1971 zwischen Indien und der damaligen UdSSR noch während des Kalten Kriegs unterzeichneten "Vertrag über Frieden, Freundschaft und Zusammenarbeit" schrittweise weiterentwickelten. Nun haben sie den Status einer besonderen und privilegierten strategischen Partnerschaft erreicht – was in einer historischen gemeinsamen Erklärung des damaligen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew und des damaligen indischen Premierministers Manmohan Singh im Jahr 2010 so zum Ausdruck kam.

Im Laufe der Jahre scheint Indien seine Beziehungen zu Russland in völliger Unabhängigkeit von anderen Weltmächten fortgesetzt zu haben. So wohnte beispielsweise der indische Präsident Pranab Mukherjee der Parade zum 70. Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland in Moskau bei, zu der auch der chinesische Präsident Xi Jinping erschien. Russland reagierte in gleicher Weise: Im April 2019 erhielt Indiens Premierminister Narendra Modi durch ein Präsidialdekret die höchste zivile Auszeichnung der Russischen Föderation – den Orden des Heiligen Andreas des Erstberufenen. Diese seltene Ehre wurde  bislang nur 18 weiteren hochkarätigen Persönlichkeiten zuteil.

Der Geltungsbereich der strategischen Beziehungen zwischen Indien und Russland umfasst derzeit die Bereiche Verteidigung, zivile Kernenergie, Raumfahrt, Wissenschaft, Technologie, Energieträger, Handel und Investitionen, wobei mehrere Dialogmechanismen sowohl auf politischer als auch auf behördlicher Ebene dies unterstützen. Ein jährliches Gipfeltreffen zwischen den jeweiligen Premierministern Indiens und den Präsidenten Russlands ist der hochrangigste dieser Mechanismen. Außerdem gibt es regelmäßige jährliche Treffen zwischen verschiedenen Ministerialausschüssen.

Die Übung INDRA dient dazu, den Umfang der vielleicht wichtigsten Facette der indisch-russischen Beziehungen zu veranschaulichen: der Verteidigung. 

Verteidigungskooperation: Nicht bloß Käufer und Verkäufer

Etwa 70 Prozent aller indischen Militärgüter sind russischen Ursprungs – oder sowjetischen. Im letzteren Fall stammen sie aus den 1960er-Jahren. Es wird geschätzt, dass Indien seit Anfang der 1960er-Jahre Verteidigungsgüter im Wert von mehr als 40 Milliarden US-Dollar von Russland erwarb. In den letzten 20 Jahren waren die indischen Verteidigungsimporte aus Russland ebenso vielfältig wie umfangreich und umfassten einen flugzeugtragenden Raketenkreuzer der Kijew-Klasse (die ehemalige "Admiral Gorschkow"), Zerstörer, Tarnkappen-Fregatten, konventionelle und nukleare U-Boote, Seeaufklärungsflugzeuge, Marinehubschrauber, Jagdflugzeuge für die Luftwaffe und Kampfpanzer der Typen T-72 und T-90 für die Armee. Der wichtigste Waffenimporteur aus Russland war lange Zeit China, wurde aber im Jahr 2007 von Indien überholt. Dieser Trend setzte sich bis vor kurzem fort, als sich die USA zum größten Lieferanten von Militärgütern für Indien entwickelten und Russland ablösten.

In den ersten Jahren wurde die militärische Zusammenarbeit Indiens mit Russland als eine einfache "Käufer-Verkäufer"-Beziehung charakterisiert, wobei die Übung INDRA den Russen als eine Gelegenheit diente, um ihre Ausrüstung zu präsentieren. Der Rahmen für die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich hat sich inzwischen derart erweitert, dass er gemeinsame Projekte zur Forschung, Entwicklung und Produktion im Bereich fortschrittlicher Verteidigungstechnologien und -systeme umfasst. Zu den erfolgreichen gemeinsamen Projekten gehören das Marschflugkörpersystem BrahMos, eine gemeinsame Entwicklung von Kampfflugzeugen der fünften Generation und Vielzweck-Transportflugzeugen sowie die Lizenzproduktion des SU-30-Kampfflugzeugs und der T-90-Panzer in Indien.

Zu den jüngsten Verteidigungsakquisitionen Indiens aus Russland gehört das Boden-Luft-Raketenabwehrsystem S-400 Triumf im Wert von etwa 10 Milliarden US-Dollar, das somit das größte jemals abgeschlossene Verteidigungsgeschäft mit Russland darstellt.

Darauf folgte eine Vereinbarung über die Herstellung von über 200 Hubschraubern des Kamov-Konzerns in Indien in Zusammenarbeit mit Reliance Defense, einem privaten indischen Unternehmen, ein Vertrag über vier Tarnkappen-Fregatten (davon sollen zwei in Indien gebaut werden) und ein Auftrag im Wert von drei Milliarden US-Dollar vom März 2019 für ein drittes russisches Atom-U-Boot der Akula-Klasse. Dieses soll ab dem Jahr 2025 an Indien vermietet werden. 

Hürden auf dem gemeinsamen Weg

Indiens Waffenbeschaffungen aus Russland könnten unter US-Sanktionen, dem CAATSA (Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act), zurückgehen. In Anbetracht des Umfangs der indischen Waffenbeschaffungen aus den USA und Indiens Rolle als strategischer Partner, wird die Trump-Regierung jedoch wahrscheinlich auf die Sanktion gegen Indien verzichten. Dies ist ein Zeugnis für Indiens steigende globale Bedeutung und die kluge Handhabe diplomatischer Beziehungen durch die Modi-Regierung.

Der Erfolg der indisch-russischen Verteidigungszusammenarbeit war nicht immer makellos. Es gab in der Vergangenheit Probleme im Zusammenhang mit sinkender Qualität der russischen Ausrüstung, hohen Kosten und einem schlechten Kundendienst. Der Trend, alterndes russisches Gerät durch neuere US-amerikanische Äquivalente zu ersetzen, wurde erkennbar.

So werden beispielsweise die amerikanischen Hubschrauber Chinook und Apache AH-64E nach und nach die russischen Hubschrauber Mil Mi-26* und Mil Mi-35 ersetzen. Boeing P8Is haben bereits die maritimen Aufklärer Tu-142 ersetzt, was auch als ein Schritt Indiens angesehen werden kann, ein Gleichgewicht zu finden und sich das Beste aus beiden Welten zu sichern.

*Anmerkung der Redaktion: Noch im Oktober 2019 wurde der erste der drei schweren Transporthubschrauber Mil Mi-26 der indischen Streitkräfte für eine Generalüberholung in Russland freigegeben und wird seitdem auf den Abtransport vorbereitet. Alle drei Maschinen sollen nacheinander generalüberholt werden; damit wird ihre Dienstdauer um weitere zehn bis 15 Jahre verlängert, schreibt  The Print unter Verweis auf eine anonyme Quelle. Die Generalüberholung solcher Hubschrauber nimmt ein bis eineinhalb Jahre in Anspruch.

Anscheinend trieb der Deal um die ehemalige "Admiral Gorschkow", mit seinen langwierigen Neuverhandlungen und einer Preiserhöhung um 1,2 Milliarden Dollar gegenüber den anfänglichen 1,5 Milliarden Dollar, Indien dazu, alternative Quellen für Rüstungsgüter zu erkunden – in den USA, Israel und Europa. Möglicherweise als Vergeltungsmaßnahme sagte die russische Marine im Jahr 2011 die Übung INDRA abrupt ab. Ebenfalls während dieser Zeit erklärte sich Russland bereit, Pakistan mit Mi-35-Hubschraubern zu beliefern – trotz einer jahrzehntelangen informellen Vereinbarung mit Indien, keine Waffen dorthin zu verkaufen. 

Der Blick nach vorn

Angesichts des Umfangs der jüngsten Beschaffungen Indiens in Russland scheinen diese Fragen jedoch inzwischen geklärt.

Indien ist bestrebt, seine langzeitbewährten Beziehungen zu Russland trotz einer Verbesserung der Beziehungen zu Washington aufrechtzuerhalten. Indien teilt Russlands Vision von einer multipolaren Welt. Innerhalb Südasiens hat Russland Indien in der Kaschmir-Frage stets unterstützt und sich gegen eine Internationalisierung dieser Region eingesetzt. Das Thema Terrorbekämpfung ist ein weiterer Bereich, wo strategische Interessen zusammenlaufen. Präsident Wladimir Putin war das einzige Staatsoberhaupt der Großen Fünf, der unmittelbar nach dem Terroranschlag von Pulwama Premierminister Modi anrief, um so das Recht Indiens auf Selbstverteidigung zu unterstützen.

Es ist offensichtlich, dass der Verteidigungsbereich den Kern der indisch-russischen Beziehungen bildet. Da ein Großteil der indischen Militärausrüstung russischen oder noch sowjetischen Ursprungs ist, wird Indien langfristig weiterhin für Ersatzteile, Wartung und Aufrüstung auf Russland angewiesen sein wird. Ungeachtet der jüngsten Fortschritte in der Verteidigungszusammenarbeit zwischen Indien und den USA bleibt Russland Indiens wichtigster Lieferant für strategische Plattformen und Systeme. Dies schließt Flugzeugträger, konventionelle und nukleare U-Boote und Kampfflugzeuge sowie neueste Flug- und Raketenabwehrsysteme mit ein.

Insgesamt geht man davon aus, dass die strategischen Bindungen zwischen Indien und Russland, auf der Grundlage enger politischer Beziehungen, starker gemeinsamer Verteidigungsinteressen und militärischer Zusammenarbeit bei den INDRA-Manövern, weiter ausgebaut werden. Schritt für Schritt.

Übersetzt aus dem Englischen.

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