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Zum Jahrestag ein neues 'Highly likely': Moskau soll Hacker auf britisches Institut angesetzt haben

Laut Sky News halten es nicht genannte britische Quellen für "highly likely", dass der russische Geheimdienst GRU das Institute for Statecraft gehackt haben soll. Dies zeige – auch ohne Beweise –, dass es ein bedeutsamer Angriff gewesen sei, behauptet ein Ex-NATO-Berater.
Zum Jahrestag ein neues 'Highly likely': Moskau soll Hacker auf britisches Institut angesetzt habenQuelle: Reuters © Reuters/ Maxim Shemetov

In einem Exklusivbericht bei Sky News heißt es, dass die britische National Crime Agency (NCA) einen Cyberangriff auf "das wenig bekannte Institute for Statecraft" untersuche und dass Quellen, welche lediglich als "Whitehall" bezeichnet werden, der Meinung sind, dass "höchstwahrscheinlich" der russische Geheimdienst dahinter steckt.

"Highly likely" ist eine in Westminster viel genutzte Phrase, die wohl eine Art Überzeugung vermitteln soll, die tatsächliche Beweise dafür quasi ersetzt. In Mode kam sie vor rund einem Jahr, als die britische Regierung die Schuld Moskaus für die verworrene Skripal-Vergiftungs-Geschichte als "sehr wahrscheinlich" beschrieb.

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Am 4. März 2018, bereits eine Woche nach dem Vergiftungs-Vorfall, noch bevor Untersuchungen zum Fall Skripal warmgelaufen waren, behauptete die britische Regierungschefin Theresa May unter Berufung auf britische Sicherheitsquellen, es lasse sich bereits schlussfolgern, dass die russische Regierung hinter den Ereignissen in Salisbury stecke.

Alternativ zu der überzeugenden Phrase "highly likely" (also "sehr wahrscheinlich" oder "höchstwahrscheinlich") nutzte die Premierministerin etwas später die Formulierung "almost certainly", also "nahezu sicher", als sie, beispielsweise von britischen Parlamentariern, nach Details für ihre Überzeugung gefragt wurde – denn diese konnte sie nicht benennen.

Angebote Moskaus, in den Untersuchungen zu kooperieren, oder Anfragen nach den Fingerabdrücken der von London angeschwärzten Verdächtigen wurden ausgeschlagen. Es folgte ein Krieg der Worte, Sanktionen und diplomatische Abschiebungen. Die Beziehungen zwischen London und Moskau sanken auf das niedrigste Niveau seit dem Kalten Krieg oder gar darunter.

Auch hatten einige phantasievolle Hypothesen über die Vorfälle in Salisbury ihre eigenen Konjunkturphasen, zumeist in Umlauf gebracht von NATO-verbundenen "Open-Source-Detektiven" wie Bellingcat. Bestand und vor allem Substanz hatte jedoch keine davon.

Mittlerweile zeigt sich eine neue Konjunkturphase der nützlichen Phrase "highly likely" – und zwar erneut in Bezug auf den bereits zuvor involvierten "Schurken", den russischen Militär-Nachrichtendienst GRU. Am Mittwoch vermeldete Sky News, es sei "highly likely", dass der GRU ein britisches Institut gehackt habe, welches sich mit der Bekämpfung russischer Fake-News befasst.

Die Geschichte geht ungefähr so:

Der russische Militärgeheimdienst habe Dokumente des britischen Institute for Statecraft (IfS) gehackt, nachdem er von diesem im Zusammenhang mit der Vergiftung von Salisbury beschuldigt wurde. Der Vorfall sei weiterhin "bedeutsam", weil damit der russische Staat zum ersten Mal eine derartige Aktion von Hack-und-Leak, also dem Eindringen in ein System und Veröffentlichen von Dokumenten, in Großbritannien durchgeführt habe. Das meinen Quellen, welche Sky News nicht weiter benennt. Jedoch beschreibt man im gleichen Artikel, dass der GRU verdächtigt wird, ähnliche Aktionen gegen das Democratic National Committee und die Weltdopingagentur durchgeführt zu haben. Auch dafür gibt es bisher keine Beweise, für diesen Artikel aber stellen diese Vorwürfe die GRU ins passende Licht.

Eine namentliche genannte Quelle für die neuen Anschuldigungen mit dem Etikett "highly likely" ist Chris Donnelly – laut Sky News ein ehemaliger Zivilbeamter des Verteidigungsministeriums, laut Wikipedia "ein lange Zeit in der NATO wirkender britischer Militärwissenschaftler und Reserveoffizier", der unter anderem zwischen 1989 und 2003 als Sonderberater für mittel- und osteuropäische Angelegenheiten von vier NATO-Generalsekretären sowie als Berater des Außenministeriums von Litauen tätig war.

Chris Donnelly hat das Institute for Statecraft mit gegründet, dessen Bestehen und Ausrichtung nicht nur für RT-Leser, sondern auch für die breite Öffentlichkeit und vor allem britische Steuerzahler von Interesse sein dürften.

Am 5. November vergangenen Jahres veröffentlichte Anonymous eine Reihe von Dokumenten, die die sogenannte britische "Integrity Initiative" beleuchteten, welche im Jahr 2015 vom "Institute for Statecraft" gegründet wurde.

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Während Anonymous seit Jahren als "hacktivistisches" Kollektiv bekannt ist, das für die Öffentlichkeit relevante Enthüllungen veröffentlicht oder durch Cyber-Angriffe auf Regierungen, Regierungsinstitutionen und Regierungsbehörden, Unternehmen und die Scientology Kirche von sich Reden machte, schreibt Donelly die Bloßstellung des von ihm gegründeten Instituts nun dem russischen Staat zu, genauer dem russischen Militärgeheimdienst.

Die Verbindung, welche im Sky-News-Artikel genannt wird, ist, dass russische Medien die Anonymous-Enthüllungen aufgegriffen haben. In der Tat vermeldet zumindest RT Deutsch nicht nur Nachrichten aus aller Welt, sondern auch jene, in denen es vorrangig um Russland geht. Immerhin ist es das Hauptziel der britischen "Integrity Initiative", "eine koordinierte westliche Reaktion auf russische Desinformation und andere Elemente der hybriden Kriegsführung" hervorzubringen.

Weiterhin waren die Anonymous-Enthüllungen in vielerlei Hinsicht öffentlichkeitsrelevant, schließlich zeigten sie, dass das Institute for Statecraft der NATO HQ Public Diplomacy Division sowie dem vom britischen Innenministerium finanzierten Programm "Prevent" angeschlossen ist.

Außerdem erhielt die Organisation staatliche Gelder und verunglimpfte den Labour-Chef Jeremy Corbyn öffentlich – auch in Hinblick darauf, dass dieser sich nicht an das Regierungs-Narrativ anpasste, sondern es hinterfragte und sich damit zum "nützlichen Idioten" für Russland gemacht haben soll, als habe er Geld vom Kreml erhalten.

Doch Chris Donnelly, die einzige im Sky-News-Bericht namentlich genannte Quelle, habe kaum Zweifel, dass der russische Geheimdienst sein Institut gehackt habe, auch wenn er keinen "forensischen Beweis" habe.

Donelly, der in dem Artikel als Russland-Kenner dargestellt wird, gibt auch seine differenzierte Kenntnis über Russland und die dortigen Regierungsstrukturen zum Besten:

Sie müssen verstehen, dass, aus der Sicht von Putin und seinen Kollegen und dem gesamten russischen Verteidigungs- und Sicherheitsapparat, diese mit uns im Krieg stehen", so der "Experte."

Der ehemalige NATO-Berater bewertet die Untersuchungen mit Blick auf Russland, welche nun von der britischen National Crime Agency (NCA) eingeleitet wird, als bedeutend, als Spiegel der internationalen Relevanz dieser Angelegenheit, zeige es doch,

dass die Regierung dies eindeutig als einen bedeutenden Angriff einer feindlichen ausländischen Macht gegen das Vereinigte Königreich ansieht."

Dmitri Peskow, der Sprecher des russischen Präsidenten, betonte hingegen auf Anfrage von Sky News, dass Moskau nicht involviert ist, aber gern zur Aufklärung beitragen würde.

Wir haben mehrfach gesagt, dass der russische Staat nichts mit Cyberangriffen zu tun hat. Im Gegenteil, wir haben internationale Zusammenarbeit zur Bekämpfung der Cyberkriminalität angeboten."

Dieses Angebot sei aber leider nicht auf Gegeninteresse gestoßen.

Dass Donnelly angesichts der Arbeit der National Crime Agency (NCA) zuversichtlich vorausschaut, mag auch mit dessen Leiter, dem Tory-Innenminister Sajid Javid, zusammenhängen. Dieser ist zwar sehr mit der grassierenden Messer-Kriminalität beschäftigt, hat aber bereits gezeigt, dass er passende Einstellungen und Arbeitsweisen mitbringt.

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Im Sommer vergangenen Jahres erhielt der ehemalige Deutsche-Bank-Manager Javid öffentlichen Gegenwind, nachdem er Jeremy Corbyn in einem Tweet als Holocaust-Leugner bezeichnet hatte. Abgeordnete der Labour Party warfen Javid vor, absichtlich eine Lüge verbreitet zu haben und forderten Theresa May zum Einschreiten auf, immerhin handelte es sich um den Innenminister.

Inwieweit unter Javids Leitung die Strafverfolgungsbehörde NCA Lügen verbreiten kann, welche in die Weltsicht des Institute for Statecraft oder seines Gründers passen, bleibt abzuwarten.

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