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US-Botschafter Richard Grenell: Trumps Musterschüler in Berlin

Unter Diplomatie verstand man einst die vornehme Kunst, heikle Angelegenheiten elegant hinter verschlossenen Türen zu regeln. Nicht so bei Richard Grenell, dem US-Botschafter von Trumps Gnaden in Berlin. Neuestes Beispiel: Seine Einlassungen zum Spiegel-Skandal.
US-Botschafter Richard Grenell: Trumps Musterschüler in BerlinQuelle: AFP © Odd Andersen

von Bertolt Keuner

Darüber, was das Wesen der Diplomatie ausmacht, gibt es unterschiedliche Ansichten. Der österreichische Schriftsteller und Satiriker Karl Kraus schrieb einmal, dass sich das Wesen eines Diplomaten aus zwei Vorstellungen zusammensetze: Dejeuner und Courtoisie. Was darüber hinaus gehe, das sei von Übel. Der große Napoleon hingegen, ganz Kriegsherr, meinte, die Diplomatie, das sei "Polizei in Galauniform". Zu welcher Sorte Diplomat der US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, gehört, dürfte mittlerweile außer Frage stehen.

Immer wieder fällt der 52-jährige ehemalige Publizist von Fox News und Breitbart mit Äußerungen auf, die wenig bis gar nichts mit den allgemein üblichen diplomatischen Spielregeln zu tun haben. Dass ein Diplomat offen Drohungen gegen Unternehmen in seinem Gastland ausspricht, ist, gelinde gesagt, gewöhnungsbedürftig. Geschah dies im Zusammenhang mit den Iran-Sanktionen der USA noch indirekt, war die Ansage Grenells in puncto Nord Stream 2 eindeutiger. Nun meldete sich Grenell auch beim Thema Spiegel-Skandal zu Wort.

Er forderte wegen des Betrugsfalls eine unabhängige Untersuchung und warf dem Nachrichtenmagazin "anti-amerikanische Berichterstattung" vor. Die Chefredaktion des Spiegel wies diesen Vorwurf zurück. Die Betrugsenthüllungen "bereiten der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika große Sorgen", so Grenell in einer am Freitagabend verbreiteten Erklärung. Dies sei vor allem deshalb der Fall, weil es in einigen dieser gefälschten Berichte um US-Politik und bestimmte Teile der US-amerikanischen Bevölkerung gegangen sei.

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"US-Botschafter Richard Grenell hat diese Bedenken heute in einem Brief an die Spiegel-Chefredaktion dargelegt und eine unabhängige und transparente Untersuchung der Angelegenheit erbeten", heißt es in der Mitteilung der US-Botschaft weiter. Noch schärfer äußerte sich Grenell im eigentlichen Brief an die Chefredaktion des Spiegel in Hamburg, den diese bei Spiegel Online veröffentlichte. "Es ist eindeutig, dass wir Opfer einer Kampagne institutioneller Voreingenommenheit wurden", schrieb er demnach.

Die anti-amerikanische Berichterstattung des Spiegel hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen; seitdem Präsident Trump im Amt ist, stieg diese Tendenz ins Uferlose.

Reporter würden "offenkundig das liefern, was die Unternehmensleitung verlangt", schrieb Grenell weiter. Sie hätten über die USA "regelmäßig Informationen und Berichte veröffentlicht, deren Unwahrheit sich herausgestellt hätte, wenn die Fakten zuerst mithilfe der US-Botschaft überprüft worden wären". Welche Informationen und Berichte er meinte, erwähnte er jedoch nicht. Der Spiegel wies diese Behauptung in einem Antwortschreiben zurück, das ebenfalls ins Netz gestellt wurde. "Wenn wir den amerikanischen Präsidenten kritisieren, ist das nicht Anti-Amerikanismus, sondern Kritik an der Politik des Mannes im Weißen Haus", schrieb der stellvertretende Chefredakteur Dirk Kurbjuweit. Deutschland habe den USA sehr viel zu verdanken.

Es gibt beim 'Spiegel' keine institutionelle Voreingenommenheit gegenüber den USA.

Tatsächlich habe einer der Reporter "Berichte weitgehend erfunden", darunter solche aus den USA. "Wir entschuldigen uns bei allen amerikanischen Bürgern, die durch diese Reportagen beleidigt und verunglimpft wurden. Uns tut das sehr leid. Das hätte niemals passieren dürfen", erklärte Kurbjuweit. Zugleich bat er Grenell darum, die von ihm angedeuteten weiteren Fälle fehlerhafter Berichterstattung über die USA zu benennen, damit ihnen nachgegangen werden könne.

Seit Der Spiegel den Betrugsfall im eigenen Haus am Mittwoch bekannt gemacht hat, reißen die Diskussionen darüber nicht ab. In der aktuellen Ausgabe hat das Nachrichtenmagazin eine eigene Titelgeschichte dazu gemacht. Sie kommt diesmal auch ohne Foto oder Illustration aus. Stattdessen ist dort in großen Buchstaben das Motto des Spiegel-Gründers Rudolf Augstein zu lesen: "Sagen, was ist."

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"Dieses Haus ist erschüttert. Uns ist das Schlimmste passiert, was einer Redaktion passieren kann. Wir hatten über Jahre Reportagen und andere Texte im Blatt, die nicht die Wirklichkeit abbildeten, sondern in Teilen erfunden waren", heißt es in der "Hausmitteilung" zum Auftakt der eigenen Berichterstattung über den Betrugsfall.

Demnach hat ein Redakteur in "großem Umfang seine eigenen Geschichten gefälscht und Protagonisten erfunden". Er hat die Vorwürfe den Angaben zufolge eingeräumt und am vergangenen Montag seinen Vertrag nach anderthalb Jahren gekündigt. Von ihm sind dem Spiegel zufolge seit 2011 knapp 60 Texte im Heft und bei Spiegel Online erschienen – zunächst war er als freier Mitarbeiter tätig gewesen, dann als festangestellter Redakteur.

Unterdessen berichtete der Spiegel, dass der Redakteur 2016 nicht nur eine Geschichte über angebliche syrische Waisenkinder in der Türkei in großen Teilen erfunden, sondern auch privat Spendenaufrufe an Leser verschickt habe, um damit angeblich die Kinder zu unterstützen. Was dann aber mit dem Geld passierte, das auf das Privatkonto des Journalisten überwiesen wurde, sei unklar. Der Spiegel kündigte an, alle gesammelten Informationen der Staatsanwaltschaft im Rahmen einer Strafanzeige zur Verfügung zu stellen. 

Für den russischen Botschafter in Berlin müssen die Vorwürfe Grenells an die Adresse eines deutschen Leitmediums wie Hohn klingen. Was der Spiegel in der Vergangenheit zum Thema Russland berichtete und zum Teil noch berichtet, lässt den Begrif "antirussisch" wie einen Euphemismus erscheinen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang unter anderem an die Titelbilder "Putin greift an" und "Der Brandstifter". Doch der russische Botschafter scheint ein Kenner des französischen Staatsmanns und Diplomaten Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord zu sein. Der bemerkte einmal: "Diplomaten ärgern sich nie – sie machen sich Notizen."

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(Dieser Beitrag entstand unter Verwendung von dpa-Material)

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