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Der lange Schatten der Korruption holt Frankreich (und Deutschland) ein

Nirgendwo sonst fließen so riesige Summen wie bei Rüstungsverkäufen. Und für Kunden in Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Katar gibt es offenbar keine Obergrenze. Dass solche Zahlungen auch tödlich ausgehen können, zeigte sich in Pakistan.
Der lange Schatten der Korruption holt Frankreich (und Deutschland) einQuelle: AFP © Thomas Samson

Am 8. Mai 2002 steuerte in der pakistanischen Millionenstadt Karatschi ein Auto in einen Militärbus und zündete dabei eine Bombe. Die Explosion riss 15 Menschen in den Tod, darunter elf Franzosen. Die Schuld suchte man anfänglich bei Al-Qaida und sogar bei Pakistans Erzrivalen Indien. Immerhin erschütterten in jener Zeit zahlreiche Bombenanschläge das Land. Auch Frankreich übernahm diese Hypothese eines islamistisch inspirierten Anschlags, bis Angehörige der Opfer mit Hilfe von internen Dokumenten des Arbeitgebers so viel Druck aufbauten, dass sich zwei führende Ermittlungsrichter des Falles annahmen. Renaud Van Ruymbeke war Spezialist für politische und finanzielle Korruptionsfälle, Marc Trévidic Spezialist für Terrorismusbekämpfung.

Und was die beiden Ermittlungsrichter zutage förderten, war ein wahrer Sumpf der Korruption, in den die Politik, der französische U-Boot-Hersteller DCN (Direction des Constructions Navales) und weitere Mittelsmänner versunken waren. Der Verkauf von drei U-Booten des Typs "Agosta 90 B" an Pakistan, im Wert von damals 5,4 Milliarden Francs, wurde flankiert von einer "Kommissionsgebühr" von knapp elf Prozent dieser Summe, also etwas über 540 Millionen Francs. Davon sollte Asif Ali Zardari, Ehemann der damaligen Ministerpräsidentin Benazir Bhutto und späterer Präsident Pakistans, rund 338 Millionen Francs (51,53 Millionen Euro) erhalten. Dokumente belegen, dass Zardari nur kurze Zeit nach Vertragsunterzeichnung am 21. September 1994, zwischen Oktober und Dezember 1994, knappe sieben Millionen Euro erhalten hat.

Abgesegnet wurde der ganze Deal, einschließlich der "Kommissions-" oder "Kickback-Zahlungen", unter anderem auch von einem damals noch unbekannten Nicolas Sarkozy, der in einer Person Budget-Minister, Sprecher und Wahlkampfleiter des französischen Premierministers und Präsidentschaftskandidaten Édouard Balladur war.

Doch die Wahl gewann nicht Balladur, sondern Jacques Chirac. Und dieser ordnete an, sämtliche Kommissionszahlungen umgehend zu stoppen. Für die beiden französischen Ermittlungsrichter Van Ruymbeke und Trévidic stellte sich also die Frage, ob das Motiv des Bombenanschlags nicht ein pakistanischer Racheakt gewesen sein könnte, um Chirac zur Einhaltung des Deals zu zwingen. Das Ziel, ein Bus der pakistanischen Marine mit elf Mitarbeitern des französischen Herstellers DCN, der in Karatschi eines der drei Agosta U-Boote fertigstellte, und die besonderen Umstände, die es dem Attentäter erst ermöglicht haben, sich dem Bus an dieser spezifischen Kreuzung zu nähern, war für die Ermittler dann doch zu viel des Guten, um noch von einem Zufall sprechen zu können. Die Partei von Zardari wies sämtliche Anschuldigungen als "Verschwörung" zurück.

Nun veröffentlichte WikiLeaks ein Dokument, das die Debatte in Frankreich rund um Korruption bei Waffenverkäufen erneut aufflammen lassen könnte.

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Es geht um einen 1993 geschlossenen Vertrag zwischen Frankreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten, nach welchem bis 2008 insgesamt 388 Leclerc-Kampfpanzer, 46 gepanzerte Fahrzeuge, 2 Übungspanzer, Munition und Ersatzteile geliefert werden sollten. Der Gesamtwert dieses Rüstungsgeschäfts lag bei 3,6 Milliarden US-Dollar. Und wie schon bei den U-Booten, wurde auch hier eine heftige "Kommissionszahlung" vereinbart: 235 Millionen US-Dollar.

Empfänger dieser Zahlung ist ein Geschäftsmann aus Abu Dhabi, Abbas Ibrahim Yousef al-Yousef. Er stammt aus dem gleichen Ort wie der Gründer der Vereinigten Arabischen Emirate, Scheich Zayid bin Sultan Al Nahyan, und machte Milliarden aus dieser Verbindung. Wie nun die WikiLeaks Dokumente belegen, erhielt al-Yousef bis zum Jahr 2000 insgesamt 195 Millionen US-Dollar. Die vertraglich zugesicherte Restsumme von vierzig Millionen US-Dollar erhielt er aus den gleichen Gründen wie die Pakistanis nicht: Chiracs Dekret zum Stopp von Kommissionszahlungen an Mittelsmänner.

Deshalb wandte sich der Emirati an den Internationalen Schiedsgerichtshof in Paris, um die restlichen Millionen von den Franzosen einzuklagen. Aus den Prozessakten geht hervor, dass der französische Hersteller Giat Industries S.A. (neu Nexter Systems/Anm.) nebst dem Antikorruptionsgesetz aus dem Jahr 2000 auch den Vorwurf erhebt, dass al-Yousef mit dem Geld "beabsichtigt und tatsächlich auch Korruptionshandlungen durchgeführt hat". Da Giat aber keine Beweise für diese Anschuldigung vorlegen konnte, antwortete das Gericht lediglich, dass das "exzessive Ausmaß der Kompensation" als Beweis für Korruption gewertet wird, "dieser Zweck von Anfang an beiden Vertragsparteien bekannt und beabsichtigt gewesen sein muss".  

Und tatsächlich deutete Abbas Ibrahim Yousef al-Yousef bei seiner Aussage in Paris auf einen möglichen Fall von Korruption hin: in Deutschland.

Da die Leclerc-Kampfpanzer mit Motoren des deutschen Herstellers MTU in Friedrichshafen und mit Getrieben von Renk AG in Augsburg ausgestattet wurden, betraf der Vertrag zwischen Frankreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten natürlich auch Deutschland. Denn für die deutschen Hersteller brachte der Deal unter anderem, allein für die MTU, einen Umsatz von 150 Millionen Euro. Zur Zeit der Vertragsunterzeichnung galt in Deutschland "offiziell" allerdings eine strenge Regulierung von Rüstungsexporten.

Dieses "Problem" galt es folglich für al-Yousef zu lösen. Wie er selbst aussagte, hat er "erfolgreiche Lobbyarbeit bei deutschen Behörden" betrieben, und er wäre "maßgeblich dafür verantwortlich gewesen, die notwendige Erlaubnis oder Außerkraftsetzung zu erwirken". Erfolgreich war er in der Tat. Am 8. Dezember 1992 erlaubte die Bundesregierung die Lieferung der MTU-Motoren für die französischen Leclerc-Kampfpanzer, wohlwissend, dass diese an die Vereinigten Arabischen Emirate verkauft werden. Erst mit der deutschen Zusage konnte Giat schließlich das Geschäft abschließen, obwohl sich deutsche Rüstungskonzerne ebenfalls um diesen Vertrag als Ganzes bemüht haben, am Ende aber am Exportverbot in die arabischen Länder scheiterten.

Die Frage der Korruption interessierte natürlich auch die Richter am Internationalen Schiedsgericht. Als sie al-Yousef eindringlich befragten, mit wem er denn in Deutschland zu tun hatte und wen er "erfolgreich" bearbeitet hatte, wich er aus und antwortete lediglich mit "Niemand." Er hätte nur mit deutschen Lobbyisten zu tun gehabt.

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