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Chef des UN-Welternährungsprogramms: "IS will noch nie gekannte Massenflucht nach Europa lostreten"

Der Leiter des UN-Welternährungsprogramms, David Beasley, hat gegenüber dem Guardian davor gewarnt, dass der IS zusammen mit anderen Terrorgruppen den Hunger in der Sahelzone nutzen will, um Fluchtbewegungen nach Europa zu verstärken und zu infiltrieren.
Chef des UN-Welternährungsprogramms: "IS will noch nie gekannte Massenflucht nach Europa lostreten"Quelle: Reuters © Alexandre Meneghini/Reuters

Vor einem neuen strategischen Schachzug der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) warnt der Vorsitzende des UN-Welternährungsprogramms, David Beasley. Nachdem es unterschiedlichen Koalitionen gelungen ist, das 2014 ausgerufene "Kalifat" des IS zu zerschlagen und die radikal-islamischen Terroristen zum größten Teil aus dem Irak und aus Syrien zu vertreiben, haben deren Überreste unterschiedliche Ziele angesteuert, um ihren Kampf fortzusetzen und neue Strategien zu entwickeln.

Neben neuen Zielländern wie Afghanistan, den Philippinen und Bestrebungen, terroristische Aktivitäten in Europa, Afrika und Zentralasien auszubauen, scheint auch die Verstärkung der Flüchtlingskrise für den IS zunehmend von Interesse zu sein. Wie Beasley dem Guardian zufolge betont, arbeiten aus Syrien und dem Irak geflohene IS-Kommandeure bereits intensiv mit extremistischen Gruppierungen in Afrika zusammen, um die Fluchtbewegungen nach Europa zu verstärken und zu infiltrieren. Schwerpunkt sei dabei die Sahel-Region.

Enge Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten wie Al-Kaida und Boko Haram

Eine Verknappung der Nahrungsversorgung sei dabei ein Instrument sowohl zur Rekrutierung neuer Kämpfer als auch zur Verstärkung des Drangs von Millionen afrikanischer Bürger in Richtung Europa. Gegenüber dem Guardian erklärte Beasley am Rande des jüngsten zweitägigen Syrien-Gipfels in Brüssel, es werde auf diese Weise eine Situation entstehen, die in ihren Grundmustern jener der Flüchtlingskrise 2015 ähnele, allerdings begleitet von noch stärkeren Versuchen des IS und anderer extremistischer Gruppen, die Migrationsbewegungen zu infiltrieren.

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Dabei arbeite der IS mit vor Ort etablierten Vereinigungen wie Boko Haram oder Al-Kaida zusammen, um Einflussgebiete und Ressourcen aufzuteilen. Zeitgleich probe man eine Strategie der Infiltration und Destabilisierung, um auf diese Weise mehr Migration nach Europa zu bewirken, die am Ende dort die Gemeinwesen unterminieren und Chaos schaffen soll.

Beasley wörtlich:

Mein Kommentar an die Europäer ist: Wenn Ihr glaubt, Ihr hattet ein Problem aufgrund eines 20-Millionen-Volkes wie der Syrer infolge der Destabilisierung und der Konflikte, die zu Migration geführt haben, wartet nur einmal, bis die größere Sahel-Region mit 500 Millionen Menschen noch weiter destabilisiert ist. Und das ist der Zeitpunkt, an dem die europäische und die internationale Gemeinschaft aufwachen muss.

USA wollen Mittel für Welternährungsprogramm deutlich aufstocken

Nach einer über vier Jahre hinweg geführten Anti-Terror-Kampagne unterschiedlicher Koalitionen, die unter anderem von den USA und der Russischen Föderation geführt wurden, hat der IS den größten Teil des zuvor von ihm kontrollierten Gebietes verloren. Lediglich im Osten Syriens soll es noch einen Restbestand von mindestens 2.200 bewaffneten Extremisten geben.

Beasley, den US-Präsident Donald Trump für den Leiterposten des Welternährungsprogramms nominiert hatte, kündigte an, dass das Weiße Haus und der Kongress die Ausstattung für das Programm verstärken werden. Von 1,9 Milliarden US-Dollar im Jahr 2016 sollen die Mittel für das Welternährungsprogramm vonseiten der USA auf drei Milliarden erhöht werden. Offenbar sind durch die Kürzungen vonseiten der USA für umstrittene UN-Projekte, etwa zur Geburtenkontrolle (UNFPA) oder für das sogenannte Hilfswerk für die Palästina-Flüchtlinge (UNRWA), Mittel frei geworden, die nun dem WFP zugutekommen könnten.

Zuvor war das Programm gezwungen, die Anzahl der Essensrationen weltweit zu kürzen. Dies galt unter anderem auch für Nordkorea, wo Kinder und schwangere Frauen Priorität bei der Nahrungsausgabe genießen. Beasley will im Laufe der kommenden Wochen nach Pjöngjang reisen, um dort zusammen mit der nordkoreanischen Führung Strategien zu entwickeln.

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Der Leiter des UN-Programms warnt zudem vor einer sich anbahnenden Katastrophe an Syriens Südgrenze, wo derzeit etwa 5,6 Millionen Flüchtlinge um ihr Überleben kämpfen.

In Syrien fehlen und 310 Millionen US-Dollar. Unser Ziel ist es, zumindest vier der 6,5 Millionen Menschen zu erreichen, deren Nahrungsversorgung ernsthaft ungewiss ist. Auf Grund fehlender Ressourcen erreichen wir derzeit aber nur drei Millionen", bilanziert Beasley. "Außerhalb Syriens, in der Türkei, in Jordanien, im Libanon und in Ägypten, läge unser Finanzierungsbedarf bei 1,38 Milliarden US-Dollar und wir haben derzeit um 340 Millionen zu wenig. Deshalb müssen wir die Versorgung von 500.000 Menschen in Jordanien von Juni an kürzen."

Destabilisierung Jordaniens oder des Libanons könnte Katastrophe heraufbeschwören

Dass die Mittel knapper werden, sei nicht auf steigende Nachfrage, sondern auf stockende Spenden zurückzuführen. Vom Jemen über den Irak bis hin zu Somalia, Südsudan oder Nigeria befinden sich 19 bis 20 Länder in der Region in einem anhaltenden Konflikt, dazu komme die höchst labile Sahelzone. Beasley erklärt, dass insbesondere eine Destabilisierung Jordaniens oder des Libanons das Chaos in der Region potenzieren würde. All das könne dem IS in die Hände spielen:

Die internationale Gemeinschaft, insbesondere die Europäer, mussten bereits zu Beginn des Syrienkrieges die Lektion lernen, dass es unerwünschte Konsequenzen hat, wenn man die Nahrungsversorgung nicht sicherstellen kann. Ich habe, nicht nur in Syrien, mit Menschen gesprochen – da waren Frauen, sie einem sagten: 'Mein Mann wollte nicht zu ISIS gehen, aber da wir nichts zu essen hatten, hatten wir keine Wahl.' Und die haben eine Strategie.

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Beasley zeigte sich zuversichtlich, dass neben dem Weißen Haus auch mehrere europäische Länder ihre Mittel für das Welternährungsprogramm aufstocken wollen. Allerdings haben einige Länder wie Frankreich sich bislang noch bedeckt gehalten über ihre künftigen Beiträge.

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