Terror gegen A-321: Ein Jahr nach dem Anschlag gedenken Russland und Ägypten der 224 Opfer

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich nach dem Tod meiner Tochter noch weiterleben oder sonst etwas tun könnte. Aber andererseits: Ich glaube das alles bis jetzt nicht. Für uns ist sie weggeflogen und nicht zurückgekehrt. Es kommt mir immer wieder vor, als würde sie jeden Moment in mein Büro reinkommen, wenn ich zu lange auf Arbeit bleibe, und sagen: Mutti, was machst du hier, wenn du seit langem zu Hause sein müsstest? Sie hat sich sehr um mich, um Papa und andere Menschen zu Hause und auf ihrer Arbeit gekümmert.
Solche Geschichten wie diese von der Petersburgerin Irina Zacharowa können Hunderte ihrer Landsleute erzählen, deren Angehörige fast bis auf die Sekunde zur gleichen Zeit, am 31.10.2015 um 7 Uhr 14 Moskauer Zeit, gestorben sind. Sie alle flogen aus ihrem ägyptischen Urlaubsort Scharm-El-Scheich nach Sankt Petersburg zurück. Damals versetzte die Tragödie die Fünf-Millionen-Stadt in Schockstarre, eine dreitägige Trauer wurde angeordnet.
Irina Zacharowa rief eine Stiftung "Flug 9268" für die trauernden Hinterbliebenen der Opfer ins Leben, damit diese im Austausch miteinander und in gemeinsamen Aktivitäten ihren Schmerz verarbeiten können. An diesem Tag wurden ganze Familien, viele mit Kindern, fast komplett ausgelöscht.
Ihren Anfang hat diese Einrichtung in einer Gruppe des russischen sozialen Netzwerks VKontakte genommen. Mittlerweile bündelt die Stiftung die Initiativen der Angehörigen zum Gedenken der Opfer und die Hilfsangebote. Diese gehen vor allem von der Petersburger Stadt- und Leningrader Gebietsverwaltung sowie von zahlreichen Ehrenamtlichen aus, die sich dafür engagieren. So soll z. B. bald ein Gotteshaus entstehen:
Zusammen mit den Hinterbliebenen sind wir zu dem Schluss gekommen, dass man kein Denkmal, sondern ein Gotteshaus bauen muss. Dieses soll auch ein Mini-Atrium umfassen, dass unserer Tragödie gewidmet ist. Ins Zentrum wird ein gemeißelter Kranich gestellt, den uns die Gilde der Schmiede geschenkt hat. Er steigt empor und symbolisiert den Lebenswillen", erzählt Irina weiter.

Seitdem die Stiftung "Flug 9268" ihre Arbeit aufgenommen hat, hat sich bereits einiges getan. Heute, am Jahrestag der Tragödie, wurde das Gedenkkreuz an der Stelle eingeweiht, wo künftig das Gotteshaus zum Angedenken der Toten stehen soll. Im Atrium des künftigen Baus werden deren Namen verewigt. Vorgesehen ist auch ein Versammlungsraum für die Familienangehörigen der Opfer. In dem speziell dafür eingerichteten Park werden 224 Bäume einpflanzt.
Auch in Ägypten fand eine Gedenkveranstaltung statt. Eine Kolonne von Menschen zog mit Kerzen und einer langen russischen Flagge durch die Straßen des Urlaubsortes Scharm–El-Scheich und versammelte sich an der Gedenkstätte für die Opfer, die in der Gemeinde errichtet wurde. Auch der ägyptische Minister für zivile Luftfahrt, Cherif Fatchi, war zugegen. Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters sagte er:
Natürlich wollen wir nirgendwo auf der Welt so etwas erleben. Das ist die Botschaft an die Welt, dass Ägypten immer den Frieden unterstützt.
Ägypten bemüht sich um sein seit der Katastrophe stark geschädigtes Image als sicheres Urlaubsland. Lasche Sicherheitsvorkehrungen haben es damals dem mutmaßlichen Täter ermöglicht, eine Bombe im Gepäckabteil der Flugmaschine zu deponieren. Bis heute haben Russland, Großbritannien und einige andere europäische Ländern ihre Charterflüge in Richtung Ägypten nach deren Einstellung im November 2015 noch nicht wieder aufgenommen.

Die Ermittlungen des russischen Spezialteams aus 28 Experten sind bis dato noch nicht abgeschlossen. Zu den Anschlägen hat sich eine in Ägypten agierende, dem IS nahestehende terroristische Vereinigung bekannt. Nähere Informationen zu den Verantwortlichen gibt es aber bislang nicht.
Als sich in den ersten Wochen nach der Katastrophe der terroristische Hintergrund des Absturzes abzuzeichnen begann, wurde der westliche Mainstream nicht müde, eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Anschlag und der damals seit einem Monat laufenden russischen Anti-Terroroperation aus der Luft in Syrien zu konstruieren. Die wenig später aufgetretenen Pariser Anschläge vom 13. November haben die Tragödie des Flugs der A-321 wieder aus dem öffentlichen Fokus verschwinden lassen.
Besonders das Ausbleiben nennenswerter Solidaritätsbekundungen mit Hinterbliebenen der russischen Opfer, unter denen sich 22 Kinder befanden, auf Staatsebene und in sozialen Netzwerken bildete einen auffälligen Kontrast mit den weltweit organisierten Traueraktionen rund um die Pariser Opfer. Mit den ersten Falschmeldungen über vermeintliche zivile Opfer der russischen Luftangriffe deutete sich bereits damals der psychologische Krieg der Westmächte gegen Russland an.
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