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Warum der durchgesickerte "Geheimplan" für eine ukrainische Militäroffensive nicht aufgeht

Die Veröffentlichung von angeblich durchgesickerten Angriffsplänen für die Frühjahrsoffensive der Ukrainer sieht aus wie ein Versuch, Russlands Aufmerksamkeit von dem abzulenken, was wirklich vor sich geht.
Warum der durchgesickerte "Geheimplan" für eine ukrainische Militäroffensive nicht aufgehtQuelle: Gettyimages.ru © John Moore

Eine Analyse der Telegram-Gruppe Military Chronicle

Am Freitag tauchten Bilder eines Dokuments auf, das Einzelheiten zu einer geplanten ukrainischen Offensive gegen die von Russland kontrollierten Gebiete enthalten soll. Das "Leck" tauchte zeitgleich mit Gerüchten auf, denen zufolge die für Ende dieses Monats geplante NATO-Übung "Defender 2023" ein Deckmantel für eine Operation zur Versorgung und Unterstützung ukrainischer Einheiten sein könnte. Bei näherer Betrachtung kommen jedoch Zweifel an der Echtheit des Dokuments auf.

Wann kamen die Pläne an die Öffentlichkeit?

Die angeblich geheimen Pläne zur Unterstützung einer Offensive der Kiewer Streitkräfte tauchten einen Tag vor einer Äußerung Antony Blinkens in Bezug auf den Beginn der Operation im Internet auf. Der US-Außenminister hatte angekündigt, die geplante Offensive der ukrainischen Streitkräfte werde "innerhalb weniger Wochen" beginnen.

Welche Informationen enthalten die Pläne?

Seit Beginn der Militäroperation Russlands in der Ukraine vor über 13 Monaten hat es kein derartiges "Leck" mehr gegeben. Bemerkenswert ist, dass die veröffentlichten Dokumente nicht nur einen Zeitplan für die Versorgung ukrainischer Einheiten mit Waffen und Munition der NATO enthalten, sondern auch Informationen über die Struktur der Brigaden und Bataillone, die sich angeblich auf die geplante Offensive vorbereiten.

Das Papier vom 1. März besagt, dass Kiews Brigaden 253 Panzer, mehr als 380 Infanterie-Kampffahrzeuge und bewaffnete Mannschaftstransporter, 480 Fahrzeuge, 147 Artilleriegeschütze und 571 gepanzerte Fahrzeuge vom Typ HMMWV "Humvee" einsetzen wollen, um die Offensive durchzuführen.

Welche Informationen sind am verdächtigsten?

Die wahrscheinlichen Standorte russischer Einheiten, die auf der Karte rot markiert sind, scheinen aus offenen Quellen gesammelt worden zu sein. Mehrere Ressourcen aus dem proukrainischen Lager in den sozialen Medien, die die laufenden Militäroperationen verfolgen, enthalten fast identische Informationen.

Auch die Verhältnisse von Toten und Verwundeten unter den ukrainischen Streitkräften gegenüber den russischen, die ursprünglich in diesen "geheimen Plänen" aufgelistet waren, wurden inzwischen abgeändert. Bei der ersten Bekanntgabe wurden die Verluste für die ukrainische Seite mit etwa 16.500 bis 17.000 Menschen stark untertrieben. Dann – wahrscheinlich um realistischer zu wirken – haben sich diese Zahlen auf 65.000 bis 75.000 fast verfünffacht. Gleichzeitig decken sich die Angaben zu Russlands angeblichen Verlusten an Fahrzeugen und Ausrüstung mit den vom Verteidigungsministerium in Kiew veröffentlichten Daten.

Was stimmt außerdem nicht mit den veröffentlichten Offensivplänen?

Auffällig ist die eklatante Verfälschung der Angaben zur Einsatzbereitschaft der ukrainischen Militärverbände. Das Dokument besagt, dass von den neun ukrainischen Brigaden, die angeblich bis zum 31. März und 30. April nach den Standards der US Army und der NATO ausgebildet sein sollen, fünf Brigaden keinerlei Ausbildung erhalten haben: Dabei handelt es sich um die 82. Luftlandebrigade sowie die 32., die 117., die 118. und die 21. separaten mechanisierten Brigaden.

Selbst wenn nur zwei oder drei Kompanien in diesen Brigaden ausgebildet wurden und die Selbstvorbereitung nicht abgeschlossen werden konnte, könnte deren Ausbildungsniveau nicht bei Null liegen. Gleichzeitig wurde der höchste Prozentsatz der Bereitschaft nur bei der 47. mechanisierten Kiewer Brigade und bei der 46. Luftlandebrigade verzeichnet, der bei 40 beziehungsweise 60 Prozent liegt.

Was bedeutet dies für den Fortgang des Krieges?

Der Plan beinhaltet verwirrende Zahlen über die militärische Ausrüstung. Von den 109 M2-Bradley-Infanterie-Kampffahrzeugen, die an die ukrainischen Streitkräfte geliefert wurden, sollen zum Beispiel nur 99 an der Offensive teilnehmen. Außerdem werden die Fahrzeuge nicht auf die Brigaden verteilt, sondern nur einer einzelnen Einheit zugeteilt – der 47. mechanisierten Kiewer Brigade, die über keine schweren Panzer verfügt. Statt sowjetischen Panzern vom Typ T-72 oder T-64 BV hat diese Gruppierung lediglich slowakische T-55 S mit 105-mm-Geschützen, die in einer großangelegten Offensive nur schwer einsetzbar sind.

Die kleinen, aber wichtigen Fehler und Ungenauigkeiten in den Berechnungen über die Ausrüstung, die angepasste Bilanzierung von Verlusten sowie das Vorhandensein von Einheiten mit der Bereitschaft "Null" weisen darauf hin, dass dieses Dokument, das als "Geheimplan" bezeichnet wurde, wahrscheinlich nicht vom ukrainischen Militär oder von der NATO vorbereitet und verbreitet wurde, sondern von einer Gruppe von Zivilisten, wahrscheinlich Analysten aus dem kiewfreundlichen Lager.

Der Zweck dieser offenkundigen Fehlinformationen könnte darin bestehen, die tatsächliche Zahl der kampfbereiten ukrainischen Einheiten, die für die Offensive eingesetzt werden sollen, niedriger erscheinen zu lassen oder die Aufmerksamkeit von anderen Ereignissen im Zusammenhang mit der realen Operation abzulenken.

Aus dem Englischen

Diese Analyse wurde vom Telegramkanal "Military Chronicle" veröffentlicht.

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