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Nach dem Sturm aufs Kapitol: Maas bietet USA gemeinsamen "Marshallplan für Demokratie" an

Der Sturm auf das Kapitol sorgte auch in Deutschland für Staunen. Bundesaußenminister Heiko Maas sieht darin den Anlass, den USA Hilfe bei der Erarbeitung eines neuen demokratischen "Marschallplans" anzubieten. Ist das der Plan für eine neue Weltordnung?
Nach dem Sturm aufs Kapitol: Maas bietet USA gemeinsamen "Marshallplan für Demokratie" anQuelle: Reuters

Der Sturm auf das Kapitol gehört seit Tagen zu den Top-Themen der deutschen Politik. Besonders beeindruckt ist von den Ereignissen in Washington Außenminister Heiko Maas. Er findet, dass sie auch Konsequenzen für die internationale Zusammenarbeit haben sollte. Dafür bot er den USA eine engere Zusammenarbeit im Kampf für die Demokratie an. Der Nachrichtenagentur dpa sagte Maas:

"Wir dürfen den Feinden der liberalen Demokratie keinen Raum geben. Das gilt nicht nur in den USA, sondern genauso bei uns in Deutschland und Europa. Wir sind bereit, mit den USA an einem gemeinsamen Marshallplan für die Demokratie zu arbeiten."

Der Marshallplan war ein umfassendes wirtschaftliches Wiederaufbauprogramm der USA für die Staaten Westeuropas nach dem Zweiten Weltkrieg, der auch den Einfluss des Hegemons in der Region sichern sollte. Besonders profitierte Westdeutschland von diesem Programm.

Am Mittwoch stürmten mehrere Tausend Anhänger Trumps in der Hauptstadt Washington das symbolträchtige Parlamentsgebäude Kapitol und unterbrachen dadurch eine Kongresssitzung. Sie protestierten gegen aus ihrer Sicht manipulierten Sieg des Kandidaten der Demokratischen Partei Joe Biden bei den Präsidentschaftswahlen. Mehrere Dutzend Menschen drangen in das Innere des Gebäudes ein, eine Frau wurde dabei von der Polizei erschossen. Insgesamt führten die Unruhen zu fünf Todesopfern – vier Aktivisten und einem Polizisten.

Bilder des Sturms auf das politische Zentrum der USA sorgten weltweit für Staunen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) machten bereits am Donnerstag den scheidenden US-Präsidenten Donald Trump mitverantwortlich für die Ausschreitungen. 

Der künftige Präsident Biden, der am 20. Januar vereidigt werden soll, sprach von einem beispiellosen Angriff auf die Demokratie. Maas garantierte Biden, dass er sich im Kampf für die Demokratie auf Deutschland verlassen könne. "Ohne die Demokratie in den USA keine Demokratie in Europa", sagte er.

"Die gesellschaftliche Spaltung in unseren Ländern bei den Wurzeln zu packen, darin liegt eine der größten Zukunftsaufgaben für Amerikaner und Europäer."

Es ist allerdings unklar, ob und wie Biden und die US-Demokraten die tiefe gesellschaftliche und politische Spaltung im Land überwinden können. Die bisherige Rhetorik der US-Demokraten und der ihnen wohlwollend gesinnten Medien ist keineswegs beschwichtigend. Biden nannte die Protestierenden einen "Mob" und "Terroristen im Inland". In den Medien findet eine Dämonisierung und Kriminalisierung Trumps und seiner Anhänger statt, deren Accounts in sozialen Medien werden gelöscht. Nach dem Ausdruck eines russischen Journalisten ist viel eher von einem "digitalen Bürgerkrieg" statt von Versöhnung die Rede.  

Ideologische Fronten im neuen Kalten Krieg?

Neben der "Versöhnung der USA" kündigte Biden laut Maas auch die Bildung eines Netzwerks der Demokratien an. Der Außenminister wies darauf hin, dass Deutschland mit der von ihm mit initiierten "Allianz für den Multilateralismus" in eine ähnliche Richtung arbeite. "Denn den Glauben an den Zusammenhalt, an die Demokratie als menschlichste Staatsform und an die Überzeugungskraft von Wissenschaft und Vernunft werden wir nur gemeinsam bewahren können." Dafür gebe es im 21. Jahrhundert keine besseren, engeren und natürlicheren Partner als die USA und Europa.

Maas rief mit der "Allianz für Multilateralismus" 2019 ein Netzwerk von etwa 60 Staaten ins Leben, die in unterschiedlichen Zusammensetzungen zu verschiedenen Themen zusammenarbeiten. 

Der russische Außenpolitiker und Analyst Alexei Puschkow nimmt in diesem Zusammenhang Bezug auf einen Artikel des künftigen US-Außenministers Antony Blinken und des US-Publizisten Robert Kagan in der Washington Post über die globale Perspektive für "Demokratien". Er sieht in der Demokratie-Rhetorik Anfänge einer neuen weltweiten Spaltung nach dem Muster des Kalten Krieges. Es werde wieder einen Kampf "zwischen zwei Arten von Weltordnung" geben – "liberal-demokratisch" und "autoritär". 

"Die Ideologisierung der geopolitischen Rivalität ist charakteristisch für den Kalten Krieg und lässt ihn in einer neuen Form wieder aufleben – als Konfrontation zwischen der 'Allianz der Demokratien' und der 'Allianz der Diktaturen'", schrieb Puschkow in einem Kommentar auf seinem Telegram-Kanal. 

Die US-Hegemonie solle damit auf der Basis einer globalen Allianz von Anhängern einer liberalen Weltordnung wiederhergestellt werden. Der AfD-Politiker Waldemar Herdt sieht in Maas' Vorschlag den Ausdruck der Abhängigkeit Deutschlands von den USA und deren Propagandamaschinerie, die die liberale Demokratie als den einzig wahren Weg der menschlichen Entwicklung interpretiert. Dies sei diktatorisch. Im Interview mit einer russischen Internetzeitung sagte Herdt: 

"Wenn sich jemand eine solche ideologische Richtigkeit anmaßt, grenzt das immer an Diktatur." 

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