Deutschland

Walter-Borjans und Esken zu SPD-Vorsitzenden gewählt

Der SPD-Parteitag in Berlin hat Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans zu den neuen Vorsitzenden der Partei gewählt. Die beiden hatten zuvor den Mitgliederentscheid gewonnen. Die neuen Parteichefs kündigten eine Neuausrichtung der Partei an.
Walter-Borjans und Esken zu SPD-Vorsitzenden gewähltQuelle: Reuters © / Fabrizio Bensch

Die SPD hat auf ihrem Parteitag in Berlin die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken und den früheren nordrhein-westfälischen Finanzminister Norbert Walter-Borjans zu ihren neuen Vorsitzenden gewählt. Die beiden bilden das erste gemischte Führungsduo in der Geschichte der SPD. Sie hatten sich in der vergangenen Woche im SPD-Mitgliederentscheid gegen die Establishment-Kandidaten Olaf Scholz und Klara Geywitz durchgesetzt.

Esken erhielt 75,9 Prozent, Walter-Borjans 89,2 Prozent, die Zustimmung für die neue Parteiführung viel damit deutlicher aus als erwartet. Die im Sommer nach schweren Wahlniederlagen und heftiger interner Kritik zurückgetretene Andrea Nahles hatte bei ihrer Wahl im April 2018 nur 66,35 Prozent erhalten. Die Delegierten des Parteitags applaudierten ihren neuen Vorsitzenden minutenlang. 

Zuvor hatten Esken und Walter-Borjans in ihren Bewerbungsreden vor den mehr als 600 Delegierten in Berlin erklärt, sich für mehr soziale Gerechtigkeit und "Klimaschutz" einsetzen zu wollen. Sie bezweifelten, dass das mit der Union in der "Großen Koalition" möglich sei. Beide redeten von einem Aufbruch in eine "neue Zeit". Esken erklärte:

Ich war und ich bin skeptisch, was die Zukunft dieser großen Koalition angeht … Viel zu lange war die SPD in den letzten Jahren in ihrer eigenen Denke mehr große Koalition als eigenständige Kraft.

Die SPD gebe der großen Koalition eine "realistische Chance auf eine Fortsetzung, … nicht mehr, aber auch nicht weniger". Wie ihr Partner Walter-Borjans kritisierte die 58-Jährige die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer. Dass diese die Umsetzung der mühsam ausgehandelten Grundrente an den Fortbestand der Koalition knüpfe, sei respektlos. Die Union hatte es abgelehnt, den Koalitionsvertrag nachzuverhandeln.

Walter-Borjans verschärfte den Ton gegenüber der Union und pochte auf ein klareres Profil der SPD. In einer Demokratie müsse man Kompromisse machen, aber sie dürften nicht "verwischen, wo wir stehen", sagte er. In den geplanten Gesprächen mit der Union über Nachbesserungen werde es "natürlich" keine Alleingänge geben. Es brauche den Austausch mit der Fraktion und den Ministern:

Aber es darf auch keine Festlegung der Parteimeinung aus der Koalitionsdisziplin heraus geben.

Walter-Borjans machte das am Thema "Klimaschutz" fest. Da habe die SPD in der GroKo mit dem Klimapaket einen Einstieg erreicht, dürfe sich darauf aber nicht ausruhen: 

Sollen wir als SPD zu einer ganzen Generation sagen, Ihr habt ja recht, aber wir müssen die Rettung Eurer Zukunft ein kleines bisschen verschieben, weil wir gerade Ruhe in der großen Koalition brauchen?

Er wolle das nicht. Für eine Koalition, von der alle sagten, sie nach der nächsten Wahl nicht fortführen zu wollen, "werde ich nicht eine ganze Generation von Menschen von der SPD entfremden".

Esken forderte in ihrer Rede eine Umkehr ihrer Partei in der Arbeitsmarktpolitik. Deutschland leiste sich einen der größten Niedriglohnsektoren in Europa. Die SPD habe dazu beigetragen, dass dieser Niedriglohnsektor entstehen konnte. Es sei Zeit für eine Umkehr:

Wir waren die Partei, die Hartz IV eingeführt hat, wir sind die Partei, die Hartz IV überwindet.

In der Finanz- und Sicherheitspolitik deutet sich eine Konfrontation mit der Union an. Walter-Borjans will zugunsten nötiger Investitionen notfalls auch auf die Schuldenbremse im Grundgesetz verzichten.

Wenn die schwarze Null einer besseren Zukunft für unsere Kinder entgegensteht, dann ist sie falsch, dann muss sie weg. Und das gilt, machen wir uns nichts vor, wenn wir es nicht irgendwo umschiffen wollen, dann gilt es auch für die Schuldenbremse.

Walter-Borjans bemängelte zudem, es habe in den vergangenen Jahren eine schleichende Entlastung der oberen Einkommen gegeben. Er forderte: "Die SPD muss wieder die Partei der Verteilungsgerechtigkeit werden". Wer hohe Einkommen und Vermögen habe, müsse einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens zahlen.

Der neue Parteivorsitzende setzte in seiner Rede einen klaren friedenspolitischen Akzent. Er beklagte, dass Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer Deutschland immer weiter aufrüsten und die Bundeswehr auf der ganzen Welt einsetzen wolle. Das sei "grundfalsch", sagte Walter-Borjans. "Dazu dürfen Sozialdemokraten nicht die Hand reichen." Es gelte "Ausrüstung ja, aber Aufrüstung nein."

Auf ihrem dreitägigen Parteitag wählt die SPD ihre neue Führung und bestimmt ihren Kurs in der Koalition neu. Gegner der GroKo wollen eine Abstimmung über einen Koalitionsausstieg erzwingen. Der Parteitag entschloß sich am Mittag mit großer Mehrheit, die Satzung zu ändern, um eine Doppelspitze mit einer Frau und einem Mann zu ermöglichen.

Zudem räumte die Führung zu Beginn des Parteitags einen zentralen Konflikt des Konvents ab: Die SPD will eine Kampfabstimmung bei den Posten der stellvertretenden Vorsitzenden vermeiden. Erwartet worden war zunächst, dass die Delegierten zwischen Juso-Chef Kevin Kühnert und Arbeitsminister Hubertus Heil für einen Posten als Stellvertreter entscheiden müssen. Stattdessen wurde nun angepeilt, dass es künftig fünf Stellvertreter gibt. Eigentlich war geplant, deren Zahl auf drei zu begrenzen.

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(rt deutsch/dpa)

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