Deutschland

Sächsische Linke stimmt für "Frieden mit Russland" als Schwerpunkt der politischen Arbeit

"Keinen Frieden mit Russland!" – mit dieser radikalen Aussage sorgte die Linksjugend Leipzig am vergangenen Wochenende für Aufsehen. Dabei handelte es sich um ein Nachtreten gegen die eigene Landespartei, nachdem diese für "Frieden mit Russland" gestimmt hatte.
Sächsische Linke stimmt für "Frieden mit Russland" als Schwerpunkt der politischen Arbeit© Screenshot: Twitter / Die Linke Sachsen

(Anmerkung der Redaktion: Der Artikel enthielt drei inzwischen korrigierte Fehler. Siehe dazu auch die Gegendarstellungen am Ende des Artikels.)

Am vergangenen Samstag sorgte die Linksjugend Leipzig mit einem Facebook-Post für Aufsehen, in dem unter der Überschrift "Keinen Frieden mit Russland!" in drastischen Worten vor Solidarität mit Russland gewarnt wurde. Russland sei eine von Geheimdiensten kontrollierte Autokratie, in der Homosexuelle diskriminiert würden. Der Post wurde nach einer Welle der Empörung gelöscht.

Dem drastischen und auch in der Linken selbst mit Empörung aufgenommenen Beitrag war eine Entscheidung des sächsischen Landesparteitag, sich in seinem Leitantrag für "Frieden mit Russland" auszusprechen, vorausgegangen. Dazu kamen verfahrenstechnische Rangeleien und hochemotionale Debatten am Rande des Parteitags.

In der vom früheren Landtagsabgeordneten Volker Külow erarbeiteten ursprünglichen Version des Leitantrags hieß es:

Wir sollten uns neben der sozialen Frage insbesondere auf wenige ausgewählte Themen fokussieren, die kampagnengeeignet sind und mit denen wir wirkmächtig politische, gewerkschaftliche und geistig-kulturelle Gegenmacht aufbauen können, wie z.B. den Kampf für ein weltoffenes Sachsen; Bekämpfung der Armut und Prekarisierung; bezahlbares Wohnen; Bildung für alle; Stopp dem Klimawandel und Frieden mit Russland.

Mischa Kreutzer von der Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen der Linken forderte in einem Änderungsantrag, die Wendung "Frieden mit Russland" durch "Frieden in der Welt" zu ersetzen. Zur Begründung hieß es in dem Antrag:

Klar, Frieden mit Russland; aber eben auch mit allen anderen. Frieden ist ein Ideal, welches nur erreicht werden kann, wenn alle Akteur*innen auf einer gleichberechtigten, partnerschaftlichen Ebene zusammenarbeiten, sich gegenseitig respektieren, zuhören und die Einhaltung der Grundrechte sicherstellen. Rassismus und Ausgrenzung nehmen Menschen die Würde und enden nicht selten in gewaltsamen Auseinandersetzungen. Sie sind durch alle Beteiligten zu ächten. Militärische Interventionen zum Durchsetzen machtpolitischer oder wirtschaftlicher Interessen stehen Frieden ebenfalls schädigend entgegen. Solche sind, unabhängig von ideologischen Ansichten, durch die Weltgemeinschaft zu verurteilen.

Die Antragskommission des Parteitags wollte die beantragte Änderung durchwinken, allerdings sorgte die Streichung des Wortes "Russland" für erheblichen Unmut unter den Delegierten. Thomas Kachel, der Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Frieden und internationale Politik im sächsischen Landesverband, beantragte daraufhin eine weitere Änderung. Sein Kompromissvorschlag sah die Formel "Frieden mit Russland, in Europa, und der Welt" statt "Frieden in der Welt" vor.

Kachel begründete seinen Änderungsantrag mit der friedenspolitischen Notwendigkeit, für Frieden mit Russland einzutreten. Dieses Eintreten für Frieden bedeute nicht, mögliche Mißstände im Land – auch Kachel führte die angeblichen Repressalien gegen Homosexuelle an – zu befürworten.

Der Parteitag nahm Kachels Änderung mit einer knappen, aber doch deutlichen Mehrheit von 69 zu 59 Stimmen bei 11 Enthaltungen an. Damit gelangte die Forderung nach Frieden mit Russland in den Beschluss "Aufbruch 2020" des Landesparteitags. Kachel selbst lobte im Gespräch mit RT Deutsch am Mittwoch diesen Beschluss seiner Partei:

Dass eine Mehrheit der sächsischen Delegierten dafür stimmte, "Frieden mit Russland" zu einer der Prämissen der politischen Arbeit der kommenden Monate zu machen, zeigt, dass man sich auf die Partei Die Linke als Friedenspartei verlassen kann.

Nach diesem Beschluss erschien der erwähnte Post mit dem Titel "Keinen Frieden mit Russland!" auf dem Facebook-Konto der Linksjugend Leipzig. Er wurde allgemein als Nachtreten der Parteijugend gegen den ihr nicht genehmen Beschluss verstanden. Dieser Beitrag sorgte für tumultartige Diskussionen am Rande des Parteitags. Ältere Genossen drohten mit ihrem Parteiaustritt, der Beitrag wurde als beleidigend empfunden, zum einen für die Delegierten, die sich für Frieden mit Russland eingesetzt hatten, zum anderen für die Opfer des Krieges.

Laut Darstellung der Linksjugend war ein einzelnes Mitglied für das Verfassen dieses Posts verantwortlich. Der Post selbst wurde noch am Abend entfernt. Eine ganze Reihe von Parteitagsdelegierten der Linksjugend distanzierte sich auf dem Parteitag öffentlich von den darin verbreiteten Auffassungen. Kachel lobte die jungen Delegierten für diesen Auftritt und fand für die Parteijugend deutliche Worte:

Die Linksjugend Leipzig sollte sich allerdings fragen, wie es kommt, dass solche geschichtsvergessenen Slogans aus ihren Reihen produziert werden können.

Dem Auftritt der Delegierten der Linksjugend auf dem Parteitag folgte allerdings keine klare schriftliche Distanzierung von ihrem Post, weder auf dem Facebook-Konto der Leipziger Linksjugend noch bei deren Internetauftritt. Nur auf Twitter schrieb die Linksjugend in ihrer Antwort auf einen kritischen Tweet, dass es sich um die "nicht abgesprochene Aktion einer Einzelperson" gehandelt habe, die nicht die Haltung der Parteijugend wiedergebe. 

Während Thomas Kachel seine Partei für ihr Bekenntnis zum Frieden mit Russland lobte, fand er für die grundsätzliche Positionierung der sächsischen Linken kritische Töne. Diese habe aus ihrer katastrophalen Wahlniederlage bei der Landtagswahl im September, als sie von 19 auf 10 Prozent abstürzte, nicht die nötigen Konsequenzen gezogen. Es werde innerhalb der Führung kaum Selbstkritik geübt, dort werde die soziale Frage nicht thematisiert. Die Partei vernachlässige auch die Frage, wie man verlorene Wählergruppen wie Arbeiter und Angestellte wieder ansprechen und zurückgewinnen könne.

Gegendarstellung von Mischa Kreutzer

Im Artikel heißt es:

"Mischa Kreutzer von der Linksjugend forderte in einem Änderungsantrag, die
Wendung "Frieden mit Russland" durch "Frieden in der Welt" zu ersetzen."

Dazu stelle ich fest:

Ich, Mischa Kreutzer, bin kein Mitglied der Linksjugend und auch nicht in dieser
aktiv, weder auf lokaler Ebene noch auf Landesebene. Ich verweise ferner darauf,
dass ich mit dem zitierten Facebookbeitrag einer Einzelperson weder inhaltlich noch
technisch etwas zu tun habe.

Stellungnahme der Redaktion: 

Mischa Kreutzer ist kein Mitglied der Linksjugend, sondern Mitglied im Sprecherrat der Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen der Partei Die Linke. Wir haben diese Aussage entsprechend korrigiert und bitten um Entschuldigung. Dass Herr Kreutzer "inhaltlich" oder "technisch" etwas mit dem besagten Facebook-Beitrag der Linksjugend Leipzig zu tun hat, haben wir nie behauptet.  

Gegendarstellung der linksjugend ['solid] Sachsen

Im Artikel heißt es:

"Nach diesem Beschluss erschien der erwähnte Post mit dem Titel "Keinen Frieden mit Russland!" auf dem Facebook-Konto der Linksjugend Sachsen."

Dazu stellen wir fest:

Der erwähnte Post ist zu keinem Zeitpunkt auf dem "Facebook-Konto" oder der Facebook-Seite des Landesverbandes Sachsen von linksjugend ['solid] („Linksjugend Sachsen“) erschienen.

Im benannten Artikel heißt es:

"Keinen Frieden mit Russland!" – mit dieser radikalen Aussage sorgte die sächsische Linksjugend am vergangenen Wochenende für Aufsehen."

Dazu stellen wir fest:

Die zitierte Aussage ist keine Aussage der sächsischen Linksjugend und wurde vom Landesverband der linksjugend ['solid] Sachsen an besagtem Wochenende auch nicht verbreitet.

Stellungnahme der Redaktion: 

Tatsächlich stammt die besagte Aussage nicht von der sächsischen Linksjugend und wurde auch nicht auf deren Facebook-Seite verbreitet. Wir haben diese Aussage  entsprechend korrigiert und bitten um Entschuldigung. Tatsächlich erschien der Beitrag auf der Facebook-Seite der Linksjugend Leipzig.  

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